Kaliningrad im Regen
Kaliningrad im Regen hat wenig Gesicht, und es ist nicht gewillt, hektischen Kurzbesuchern viel von seiner Atmosphäre preiszugeben. Über den Leninprospekt, vorbei am "Stillen Ozean", dem ausgestorbenen Geisterhafen und dem Theater, dem kleinen Bruder des Moskauer Bolschoi, rumpelt der Bus über "reich beschlaglochte Straßen", wie Reiseleiter und Deutschlehrer Wladimir Ryschkow meint. Von graugefleckten Plattenbauten bröckelt der Putz, und Herr Rüben, der Fachmann, ist geradezu begeistert angesichts solcher Pfuscherei: "Zu wenig Überdeckung, zu wenig Zement, zu wenig verdichtet." Zu wenig von allem.
Dom in Kaliningrad
Im Bernsteinmuseum erfahren die Reisenden von Galgen, die im Mittelalter die Samlandküste säumten und an denen die Deutschritter alle aufknüpften, die unbefugt das "deutsche Gold" aufsammelten; am Dom von der Firma, die mit Spendengeldern aus Deutschland für die weitere Renovierung getürmt sei; an Immanuel Kants Grab von der Pünktlichkeit des Philosophen, nach dessen Mittagsspaziergang die Hausfrauen ihre Uhr stellten.
Fremdenführer Wladimir ist ein fröhlicher Mann, aber auch fest entschlossen, sich seine "liebe Heimatstadt" von niemandem madig machen zu lassen. Als Herr Rüben ihn während des Essens ob der städtebaulichen, politischen und ökonomischen Sünden Russlands damals, heute und immerdar ins Gebet zu nehmen beginnt, steht er wortlos auf, lässt Kartoffelsalat und Hackklops stehen und einen überaus verdutzten Herrn Rüben einfach sitzen.
Nach einem Abendkonzert in der katholischen Sankt Nikolauskirche - Choräle in Kopfstimmen, weitere inbrünstige Marienanflehungen - trifft sich die halbe Gruppe Blau in der Bar des Hotels "Deima", die eher an ein Wohnzimmer erinnert. Und plötzlich, keiner weiß wie, wird nicht mehr einvernehmlich über Sauerbratenrezepte und Kompostiermethoden geplaudert, sondern munter gestritten über Schuld und Verantwortung und ob man "damals" selbst wohl mitgemacht hätte. Wladimir hatte recht behalten: "Die Heimwehtouristen waren vor zehn Jahren da. Das ist vorbei. Jetzt kommen ihre Kinder, und sie sind zu 98 Prozent besonnene Leute." An diesem Abend jedenfalls erhebt keiner der Passagiere im Namen seiner Vorfahren Anspruch auf ehedem ostpreußischen Boden.
Blick auf die Promende von Rauschen
Die Reise ist anstrengend, vor allem die älteren Leute sind erschöpft, aber hochzufrieden, die Tage sind dicht verplant. Und es geht so weiter. Im Seebad Rauschen werden die Kreuzfahrer über die brüchige Mole bummeln, vom Glockenturm der Frauenburg übers hellblaue Frische Haff blicken, in den Winkeln der Marienburg sich fast verlaufen. Soviel Backstein, immer noch eine Kirche, neue Geschichten, weitere Zahlen, Gesichter, die ineinander verschwimmen.
Dom von Frombork, Frauenkirche, Blick über das Haff
Höhepunkt Danzig
Gdansk aber, Danzig, werden sie besonders mögen. Die Stadt, in der soviel neues farbenfrohes Mittelalter aus Ruinen erbaut wurde, wird ihnen wie eine Leistungsschau des polnischen Restaurationshandwerks erscheinen, die Marienkirche wie ein riesiges Schiff, das durch schwere Wetter gesegelt ist, die von Deutschland kamen.
Neptunbrunnen und Rathaus in Danzig
Frau Eich wird die Straße ihrer Mutter finden und sehr gerührt sein, und bei der Busfahrt durch die kilometerlangen Industrieviertel der Dreierstadt Gdansk-Sopot-Galynia mit ihrem Aufmarsch an modernen Möbel-, Auto- und Bauhäusern wird Herr Rüben noch einmal nachdenklich zum Fester hinausblicken und sich abschließend gar zu einer kleinen Korrektur bequemen: "Russland ist tot. Aber Polen - Polen ist vielleicht noch nicht ganz verloren".
In der Langgasse in Danzig
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