Philippinen im Überblick

„Land der Gegensätze“ – viele Regionen auf der Erde beanspruchen dieses Attribut. In Südostasien verdienen es unbestritten die 7107 Inseln, die sich nach dem spanischen König Philipp II. nennen. Die sprachliche und ethnische Vielfalt in der sich aus Nachfahren von Malaien, Chinesen, Arabern, Indern, Japanern und Europäern gebildeten Bevölkerung sind Indiz für eine bewegte Vergangenheit.

Philippinen

Blick auf Dimakya Island in Nordpalawan

Da ist vor allem die koloniale Epoche, die längste, die Europäer jemals einem „entdeckten“ Volk aufgedrückt haben. „Über 300 Jahre verbrachten wir im spanischen Konventsmief, fünfzig Jahre lebten wir unter dem Joch Hollywoods...“ bringt der Schriftsteller Francisco Sionil José die Fremdbestimmung seiner Heimat auf den Punkt. Mit dem Holzkreuz, das 1521 der Weltumsegler Magellan für Spaniens Krone in den Strand des Inselchens Limasawa gepflanzt hatte, war auch der Grundstein für die Bastion des Christentums in Fernost gelegt worden. Von der derzeit rund 85 Millionen Menschen zählenden Bevölkerung der Philippinen sind 83% römisch-katholischen, 9% protestantischen Glaubens. Auch wenn sie keine Gold- und Gewürzschätze im Überfluss vorfanden, behielten die Spanier ihren Überseebesitz, wobei sie zunächst religionspolitische und strategische Interessen verfolgten. Der Kommerz sollte jedoch nicht zu kurz kommen. Über Manila und andere philippinische Häfen lief Jahrhunderte lang der lukrative Handel zwischen Südostasien, Lateinamerika und dem Mutterland. Dabei transportierten die Galeonen allerlei Kostbarkeiten aus China über den Pazifik. Bezahlt haben die Spanier die Porzellan- und Textilwaren unter anderem mit dem Silber, das indianische und afrikanische Sklaven aus den amerikanischen Bergwerken schürften.

Unbeugsame Widersacher der Europäer waren von Beginn an die islamischen Fürsten, die schon seit dem 12. Jahrhundert einen Großteil des Archipels unter Koran und Halbmond vereinigt hatten. Überall im Land zeugen heute imposante Kirchenbauten und Festungen von den Kämpfen der Konquistadoren und Belagerungen durch muslimische Piraten. Und das gegenwärtige Geschehen besonders im Süden der Philippinen belegt auf traurige und blutige Weise, dass auf beiden Seiten Ideologiegerangel und Expansionsdrang nicht nachgelassen haben.

Inseln zwischen Ost und West – diese geopolitische und kulturelle Konstellation festigte nachhaltig die Kolonialzeit unter „Onkel Sam“. 1898, mit Ende des Spanisch-Amerikanischen Krieges hatten die USA die inzwischen wirtschaftlich maroden Philippinen übernommen. Unterbrochen wurde die Erneuerung durch technischen Fortschritt, Liberalisierung, Erziehungsmaßnahmen gemäß des „American way“ einschließlich der bis heute andauernden Vorliebe für Englisch als Verkehrssprache, durch die rücksichtslose Besatzungsmacht der Japaner. Erst 1946 erlangte das während der Weltkriegsjahre verwüstete Land seine politische Unabhängigkeit. Wirtschaftlicher Aufschwung, aber auch andauernde Bevormundung durch die USA, zunehmende Korruption und Kriminalität begleiteten die Machtübernahme durch den Marcos-Klan. Ferdinand und Imelda, das Diktatorenpaar, das sein Volk 21 Jahre lang unterdrückte, mussten 1986 der „People Power“-Bewegung weichen. Corazon Aquino erschien als Lichtgestalt, stimmte als erste Präsidentin die Menschen mit viel Charisma, aber wenig Durchsetzungsvermögen auf demokratische Verhältnisse ein. Ihren Nachfolgern Fidel Ramos, Joseph Estrada und der amtierenden Präsidentin Gloria Macapagal-Arroyo gelang es ebenso wenig die Hauptprobleme in Staat und Gesellschaft zu mindern: Korruption, soziale Ungerechtigkeit und die Gewaltspirale im Süden des Landes, wo muslimische Separatisten nach wie vor die Autonomie einfordern.

Reisterrassen bei Banawe, Nordluzon

Reisterrassen bei Banawe, Nordluzon

Das Bild der Philippinen prägen auch die geografischen und klimatischen Voraussetzungen. An Kontrasten, Vielseitigkeit und Dramatik stehen sie den historischen Entwicklungen nicht nach. Strandidylle auf palmenumsäumten Inseln, majestätische, bis fast 3000 m hohe Berge, bunt schillernde Korallengärten, saftige Felder, einzigartige Reisterrassen, dichte Regenwälder. Aber auch Verwüstungen durch Taifune, Vulkane, Erdbeben, Dürren und Erosionsschäden, die Kahlschlag und Brandrodung verursachen, Müllberge und Slums, Abgaswolken über den Großstädten.

Die Natur geizt nicht mit Superlativen. Im Südosten des Archipels verläuft der Mindanaograben, der mit dem Galathea-Abgrund (10540m) eine der tiefsten Stelle der Weltmeere aufweist. Nirgendwo ist der Artenreichtum an Mollusken und Weichtieren so groß wie in philippinischen Gewässern. In den Lüften über Mindanao schwebt der philippinische Adler, der zweitgrößte Greifvogel überhaupt. Unter allen Insektenarten nimmt die Gespenstheuschrecke mit 30 cm Länge den ersten Platz ein. In einigen Binnenseen lebt der Sinarapan, der winzigste Speisefisch der Erde. Der hasengroße Mouse Deer auf der Insel Palawan gilt als kleinste Rehart, ein Zwerg unter den Halbaffen ist der Koboldmaki (Tarsius), der auf Bohol und Mindanao lebt.

Wie eine zerstückelte Brücke liegen die Inseln zwischen Taiwan im Norden und Indonesien im Süden. Vulkanismus, tektonische Hebungen und Senkungen und schmelzende Eiszeitgletscher haben sie entstehen lassen. Den größten Brocken bildet die nördliche Hauptinsel Luzon. Kulturell und landschaftlich sehr abwechslungsreich ist sie das wirtschaftliche Rückgrat des Landes. Hier dominiert Manila als politische und ökonomische Schaltstelle, ein Magnet für die Menschen aus allen Landesteilen. Verflucht und gepriesen, Sündenpfuhl und Moloch, mit Slums und ehrwürdigen Kirchen, Sitz mehrerer Universitäten und Hochburg eines quirligen Nachtlebens. Manila - Tor zur Welt – die Hauptstadt mit rund 12 Millionen Einwohnern ist eine Herausforderung.

Im Westen stößt sie am Südchinesischen Meer an ihre natürliche Grenze, wo 1571 der Eroberer Legaspi auf der von ihm zerstörten Palisadenfestung May Nilad des Raja Sulayman seine Wehrsiedlung errichten ließ. Mit dem strategischen Vorteil eines geschützten Naturhafens mussten sich die Manileños häufig gegen Muslime und europäische Widersacher verteidigen, aber sie hatten auch zahlreiche Taifune, Erdbeben und Feuersbrünste und die schweren Bombardements des Zweiten Weltkrieges zu erdulden. Heute wächst Manila immer weiter in die fruchtbare Ebene von Zentral-Luzon hinein.

Den meisten Reisenden ist die Megastadt kaum mehr als drei Tage Aufenthalt wert, zieht es sie doch in die Beschaulichkeit und Ursprünglichkeit der Provinz. Doch Manila ist nicht nur anstrengend, sondern bietet gerade wegen ihrer Fülle von Gegensätzen einen lehrreichen Einblick in Kultur, Geschichte und Gegenwartsgeschehen des Inselreiches. Intramuros, die mit teilweise restaurierten Wällen umgebene Kernstadt mit Fort Santiago, Manila Cathedral, San Agustin Konventkirche, das älteste Gotteshaus der Stadt, lädt ein zu einem Rundgang durch die Geschichte. Vergangene Zeiten atmet man ebenso in den liebevoll gepflegten Gebäuden des Kolonialviertels Barrio San Luis und im Casa Manila Museum.
In der Nähe der Altstadt erstreckt sich der Luneta-Park, ein Platz für Konzerte und sonntägliche Promenade. Mächtige Gebäude im klassizistischen Stil, darunter das National Museum, rahmen ihn ein. Ein hoher Obelisk erinnert daran, dass hier der Schriftsteller und Arzt José Rizal, Wegbereiter der Befreiung vom kolonialen Joch, 1896 durch spanische Soldaten exekutiert wurde.
Über die mehrspurige Prestigemeile Roxas Boulevard, die Nobelhotels und das Cultural Center of the Philippines aufwerten, erreicht man das Geschäfts- und Bankenviertel Makati. Inmitten der Hochhausschluchten und glitzernden Einkaufszentren bietet das Ayala Museum seine wertvollen Sammlungen zu Kunst, Geschichte und Ethnografie dar.

Nördlich des Flusses Pasig macht das betriebsame Chinatown mit seinen zahlreichen Geschäften und Restaurants, dem buddhistischen Seng Guan Temple und dem kuriose Chinesischen Friedhof (Chinese Cemetery) auf die tragende Rolle dieser Bevölkerungsgruppe aufmerksam. Einen guten Überblick zu kultureller und topografischer Vielfalt der Philippinen gewährt der Nayong Pilipino Complex im Stadtteil Pasig, wo auf einem Freilichtgelände nahe des internationalen Flughafens, teilweise in MiniaturnachSahmungen Landschaften und Hausformen wiedergegeben sind.
Wer wissen will, wie die Jeepneys entstehen, zwängt sich am besten in solch ein poppiges Gefährt und lässt sich nach Las Piñas kutschieren. Dort werden die Vehikel unerschütterlicher Lebensfreude und Wahrzeichen des Landes in Handarbeit gebaut. Dieser südlichste Vorort Manilas bietet außerdem eine musikalische Sensation: In der San José-Kirche steht seit 1824 die einzige Bambusorgel der Welt. Ein Höhepunkt der geologischen Art liegt ganz in der Nähe in der Provinz Batangas. Der Taal, einer der kleinsten, aktivsten Vulkane der Erde, erhebt sich mit knapp 400 m Höhe über Meeresniveau in dem spannenden Landschaftswechsel von Wasser und Land.

Hoch hinauf klettern die weltberühmten Reisterrassen an die Berghänge im Norden von Luzon. Nach schwindelerregender Anfahrt über den Kurort Baguio ist das Handelsstädtchen Bontoc erreicht. Auf mühsam angelegten Stufenfeldern wächst der Reis, der als Geschenk der Götter für die traditionsbewussten Bergstämme große religiöse Bedeutung hat. „Stufen zum Himmel“ nennen auch die weiter nördlich lebenden Ifugao ihre Terrassen, die sie wie ihre Vorfahren schon seit über 2000 Jahren Erdbeben und Wirbelstürmen zum Trotz über Schluchten und Flüssen anlegen. Der größten Bedrohung sind sie heutzutage ausgesetzt: Staudammprojekte, Landflucht der jungen Generation und Touristen, die unachtsam die Stützmauern aus Stein und Lehm besteigen, lassen um das „achte Weltwunder“ und UNESCO-Schutzgebiet bangen.

Mayon heißt in der Lokalsprache Bikolano “der Schöne” und ist der Name des mächtigen und bei all seiner ästhetischen Kegelform doch sehr gefährlichen Vulkans. Er ist unbestritten die geografische Attraktion im Süden von Luzon, einer Region, die vor allem durch anmutige Agrarlandschaft, buchtenreiche Küsten und vorgelagerte Inseln wie Pagbilao und Catanduanes besticht.

Die Landesteile zwischen Luzon und Mindanao nehmen etwa die Hälfte des philippinischen Archipels ein. Mindoro heißt eine der bekannteren Inseln, sie bildet mit Romblon eine eigene Region. Ihr nördliches Hafenstädtchen Puerto Galera, das früher den spanischen Handelsschiffen sicheren Schutz bot, steht für Strände, Tauchsport und Erholung in praktischer Nähe zu Manila. Das Inselinnere ist Heimat der verschiedenen Mangyan-Ethnien, Angehörige der rund 70 Kulturgruppen des Landes.

Rund ein Viertel der Gesamtbevölkerung lebt auf den Visayas. Ihre fröhliche Wesensart ist beste Voraussetzung für die zahlreichen turbulent-bunten Fiestas wie das Ati-Atihan-Fest auf Panay, das Maskara-Festival in Bacolod auf Negros oder das ausgelassene Treiben des Sinulug der Cebuanos. Landschaftliche Vorzüge halten die Visayas allemal bereit. Traumhafte Strände, Tauch- und Segelreviere, aber auch abenteuerliche Pfade durch das Innere der Inseln, wo stellenweise noch Nischen dichten Regenwalds überlebt haben. Die Chocolate Hills auf Bohol, der Sohoton Nationalpark auf Samar, die Besteigung des Vulkans Kanlaon, der sich als 2465 m hohes „Dach der Visayas“ über den Zuckerrohrfeldern der Insel Negros erhebt, Ferienzentren wie das Inselchen Boracay im Norden von Panay und die zahlreichen Strandanlagen auf Cebu locken seit vielen Jahren den internationalen Fremdenverkehr an. Cebu City, mit fast 800 000 Einwohnern drittgrößte Stadt des Landes, wurde 1565 als erste spanische Siedlung begründet und ist stolz, mit der Basilica Minore del Santo Niño die älteste Kirche der Philippinen zu besitzen. Nicht zu vergessen sind die architektonischen Sehenswürdigkeiten auf den übrigen Visayas-Inseln in Gestalt von Kolonialresidenzen, Wachtürmen, Festungsanlagen und ehrwürdigen Gotteshäusern, deren wuchtiger, Schutzzwecken dienender Baustil als „Erdbebenbarock“ bekannt wurde. So steht heute die Kirche Santo Tomás de Villanueva in Miagao auf Panay gemeinsam mit dem San Agustin-Konvent in Manila und zwei weiteren Kirchen in Nordluzon unter dem Schutz des UNESCO-Weltkulturerbes.

Die große Insel Mindanao breitet sich im Süden wie ein Gegengewicht zu Luzon aus. Mehrere Gebirgsketten ziehen sich von Nord nach Süd, gekrönt vom Mount Apo, dem mit 2965 m höchsten Gipfel der Philippinen. Mächtige Flüsse haben der Insel ihren Namen Maguindanao („Überflutetes Land“) gegeben. Reich an Wasserkraft, landwirtschaftlichem und touristischem Potential ist die Entwicklung auf Mindanao dennoch gehemmt durch die andauernde innenpolitische Unsicherheit. Deswegen können Besucher die in kultureller Hinsicht vielseitige Insel nur von einigen Zentren aus bereisen.

Ganz und gar friedlich geht es auf der der Nordküste vorgelagerten Insel Camiguin zu. Neben sieben Vulkanen, davon drei aktiven, zahlreichen Wasserfällen und Heilquellen, einem im Meer versunkenen Friedhof und sauberen Stränden kann man vor allem die sprichwörtliche Freundlichkeit der Bewohner genießen. Über Surigao im Nordosten Mindanaos führt der Maharlika Highway in die Stadt Butuan. Hier wurden bedeutende vorspanische Bootsfunde gemacht. Weiter südlich am Davao Golf dehnt sich auf 2440 qkm Davao City aus, eine der flächenmäßig größten Städte der Erde. Die Metropole der Südinsel zählt inzwischen knapp eine Million Einwohner. Sie ist, nahe der Celebes-See, eine wahre Drehscheibe zwischen den Philippinen, Indonesien und dem übrigen Ausland. Insbesondere werden von hier aus die Früchte der riesigen Bananen- und Ananasplantagen Mindanaos in alle Welt verschifft. Schöne Strände findet der Besucher auf den vorgelagerten Inseln Samal und Talikud.

Über den Sulu-Archipel im Südwesten von Mindanao hielt der Islam Einzug in den Philippinen. Auf Inseln wie Jolo, Tawi Tawi und rund um die Universitätsstadt Marawi am Lanao-See im Norden leben heute die meisten philippinischen Muslime. Als Schnittstelle zwischen Orient und Okzident ist Zamboanga von Islam und Christentum geprägt. Seit einigen Jahren haben die gewalttätigen Konflikte bedauerlicherweise wieder zugenommen, so dass die Bewohner der malerisch an der Sulu-See gelegenen „Stadt der Blumen“ in ihrer Hoffnung auf dauerhaften Frieden erneut erschüttert sind.

Unterwegs auf Palawan mit einem Jeepney

Mit einem Jeepney unterwegs auf Palawan

Palawan, die größte Provinz der Philippinen, erstreckt sich als 650 km langer Strang aus rund 1770 Inseln zwischen Mindoro und Borneo. Die gleichnamige Hauptinsel, ein über 400 km langer Landwurm trennt das Südchinesische Meer von der Sulu-See. „Wiege des ersten Filipinos“ und schon seit langer Zeit Brückenkopf zahlreicher Migrationen und Handelsstützpunkt der Region ist Palawan heute immer noch ein Ziel für Pioniere und Neusiedler, gleichzeitig ein Eldorado für Naturfreunde. Seltene Pflanzen und Tiere, aber auch scheue Halbnomadengruppen wie die Batak sind im dichten Regenwald beheimatet. Von den landesweit bekannten 1000 Tierarten kommen allein über 230 Spezies ausschließlich auf Palawan vor, darunter Schuppentier, Bärenkatze, Waran und Hornvogel. Versteckte, unberührte Strände säumen die Küsten, einige der weltbesten Tauchgründe wie die in den nördlichen Inselgruppen bei El Nido, den Calamianen und am östlich gelegenen Tubbataha-Riff präsentieren eine faszinierende Unterwasserwelt. Im St. Paul Subterranean National Park wartet ein geologischer Höhepunkt auf unternehmungslustige Reisende.

Dem wohl klingenden Namen des Provinzhauptortes Puerto Princesa wird seit Jahren sein Bürgermeister gerecht: Er setzt in vorbildlicher, wenn auch strenger Weise Umweltbewusstsein um, das der gesamten Region nützen soll. Hier und vor allem bei den gastfreundlichen Bewohnern der Fischerdörfer, zeigen sich die Philippinen von ihrer unverfälschten, liebenswürdigen Seite.

Albrecht G. Schaefer

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