Vom Kaffeetscherl zum Caffè

Auf dem Alpe Adria Radweg von Österreich nach Italien

Text und Fotos: Judith Weibrecht

 

Alpe Adria Radweg

Alpen und Adria, Berge und Meer, die Seen und die See. Der Alpe Adria Radweg von Salzburg bis Grado durch das Salzburger Land, Kärnten und Friaul Julisch Venetien bietet all das.

Um es gleich klar zu stellen: die Alpen sieht man, aber man überquert sie nicht, sondern durchquert sie bequem mit dem Shuttlezug im Tauerntunnel. Eine entspanntere Alpenquerung dürfte es für Radfahrer kaum geben, und so ist der Alpe Adria Radweg wohl die für Radfahrer einfachste Weise, um von Nord nach Süd zu gelangen.

Alpe Adra Radweg - Bad Gastein

Bad Gastein

Zur Einstimmung „gemma auf ein Kaffeetscherl“ und schauen in Schwarzach dem bunten Treiben vor dem Gasthof „Post“ zu. Kurz danach macht ein zweispuriger Radfahrer-Tunnel Furore, in dem eigens LEDs anspringen und ihn erleuchten: Der Klammsteintunnel. Auf der anderen Seite geht’s gmiatlich durchs Gasteiner Tal, vorbei an Kühen, Höfen und Ziegen nach Bad Hofgastein mit seiner Alpentherme und zwei neuen Thermalbadeseen, die es einem erlauben, auch im Spätherbst noch im warmen Wasser zu plantschen. Überhaupt geht es hier viel ums Thermalwesen, denn schon in Bad Gastein locken ganze 17 Thermalquellen, aus denen eine Million Liter Wasser pro Tag sprudeln. Schnurstracks sollte man sich in die Felsentherme begeben und die Wadln entspannen.

Wasser marsch

Alpe Adria Radweg - nach der Tauernschleuse, bei Mallnitz

nach der Tauernschleuse, bei Mallnitz

Die Route führt direkt vorbei am Bad Gasteiner Wasserfall, wo ein paar heftige, aber kurze Steigungen zu bewältigen sind. Alte Villen zeugen von früheren Besuchen der Haute Volée. Franz Schubert soll hier gar mehrere Werke und die lange verschollen geglaubte Gmunden-Gasteiner Symphonie komponiert haben. Auch Kaiser Friedrich III. oder der Arzt Paracelsus zementierten den Ruhm als Monte Carlo der Alpen. Zur Eröffnung des Bahnhofs der Tauernbahn reiste eigens Kaiser Franz Joseph im Salonwagen an. Hier steigen wir aber noch nicht ein, erst am Bahnhof Böckstein verladen wir die Räder und rasen durch die Tauernschleuse nach Mallnitz in Kärnten. Eine lang gezogene, rasante Abfahrt folgt. Der Film im Hintergrund ist nicht schlecht: Schnee bedeckte Berggipfel, sattgrüne Wiesen mit gelben Butter-, Schlüsselblumen und Löwenzahntupfern. Ab und an plätschert ein kleiner Wasserfall im Mölltal. Im Schanigarten gibt’s Kärntner Kasnudeln mit brauner Butter, dazu einen Sommerspritzer, bitte sehr, gnä Frau.

Alpe Adria Radweg - Schloss Porcia, Spittal an der Drau

Schloss Porcia in Spittal an der Drau

Vom Wasser ist man auch in Kärnten nie weit entfernt. In Spittal an der Drau kann man sich sofort ins „Warmbad“ begeben: Drautalperle heißt es. Den Boden des Spittaler Volkskundemuseums im Schloss Porcia ziert ein 200 qm großes Panoramafoto von Kärnten und zeigt ganz deutlich die Wasserwelten in Kärnten, die vielen Seen und die Wasserader Drau, an der entlang wir weiter nach Villach radeln. Dort gibt es gar ein 182 qm großes 3D-Relief des Bundeslandes mit Ton-, Bild- und Lichteffekten im Schillerpark. Für den guten Überblick lassen sich aber auch die 239 Stufen des 94 Meter hohen Stadtpfarrturms der Jakobskirche erklimmen. Der höchste Turm Kärntens bietet Ausblicke bis hin zu den Julischen Alpen. Doch erstmal schlendern wir weiter durch die Gassen der hübschen Altstadt. Denn auch wer hier nicht übernachtet, kann das alles unbeschwert genießen: Direkt an der Draubrücke lockt der Radbutler, wo Rad und Gepäck kostenlos und sicher verstaut werden können. Kärntentherme heißt das Spittaler Wasser-Vergnügen mit Blackhole-Rutsche, Thermal-Außenbecken und sprudelnden Düsen. Ah! Noch ein Glasl Kärntner Wein am Abend, dann gehen wir „napfatzn“. In Kärnten bedeutet das schlafen.

Alpe Adria Radweg - Stadtpfarrkirche St. Jakob in Villach mit dem höchsten Kirchturm Kärntens

Stadtpfarrkirche St. Jakob in Villach mit dem höchsten Kirchturm Kärntens

Über eine eigens für Radfahrer erbaute Brücke biegen wir ab und fahren nun die Gail entlang gen Italien. Fast einsam ist es hier. Kiesbänke und Flussstrände locken zur Pause. Über Arnoldstein wacht die Klosterruine, unten der kuriose Schrotturm. „Erzeugung von Schroten durch Herabgießen von der Höhe“ steht da geschrieben. 1975 wurde der Betrieb eingestellt. Im Bäckerei-Café am Ort hört man Deutsch, Slowenisch und Italienisch. Das ist im Drei-Länder-Eck nicht verwunderlich, doch Slowenisch ist in Kärnten auch Amtssprache und hat eine lange Geschichte. Das Österreichische fasziniert uns sowieso immer wieder, und wir sammeln Wörter: Preispickerl, Stubenmädchen, Fluchtfolge.

Alpe Adria Radweg - im schönen Gailtal, Flussstrände für die Radpause!

Flussstrände für die Radpause im schönen Gailtal

Sprachen

Weiters lernen wir Italienisch: Benvenuti a Italia! Willkommen in Italien! Steil geht’s nach der Grenze hoch ins Paradiso: Ein zweispuriger Radweg, glatt asphaltiert mit Mittelstreifen führt auf einer ehemaligen Bahntrasse durch die Wälder. Ein 183 Kilometer langes Teilstück der Ciclovia Alpe Adria durch Friaul wurde als Italiens bester Radweg mit dem „Italian Green Road Award“ ausgezeichnet. Zurecht. Wir rollen ins Straßendorf Tarvisio mit seinem riesigen, überdachten Markt, in dem es vor allem günstige Kleidung und Lederwaren zu kaufen gibt. Viele Bars, Cafés, Enotecas und Restaurants säumen die Straße. Noch ein kleines Stück führt die Route hinauf, dann rollen wir abwärts bis Pontebba mit seinem alten Grenzstein aus dem 19. Jahrhundert (der einst die Grenze zwischen Venedig und Kärnten markierte). An kühlen, ehemaligen Bahntunnels von 80 bis 950 Metern Länge herrscht kein Mangel. Heute gehören sie den Radfahrern und sind teils mit alle 30 Meter anspringenden LEDs und Elektronik-Infotafeln ausgestattet.

Alpe Adria Radweg - Alter Grenzstein in Pontebba und Digitale Anzeige der Tunnels mit Licht am Radweg

Alter Grenzstein in Pontebba und digitale Anzeige der Tunnels mit Licht am Radweg

Im engen Kanaltal kreuzt ab und an die Autobahn hoch oben. Auch die Landstraße ist manchmal deutlich zu hören. Nichtsdestotrotz ist der Fahrgenuss groß. Links und rechts der Trasse lohnen mehrere Ortschaften einen Stopp: In Malborghetto bietet das ethnographische Museum Informationen zum Kanaltal, Chiusafortes ehemaliger Bahnhof beherbergt heutzutage eine Kneipe, in Resiutta befindet sich das Bergwerksmuseum und Moggio Udinense lockt mit der Abtei San Gallo und der größten Orgel Friauls.

Alpe Adria Radweg - Hausfrint in Venzone

Hausfront in Venzone

Man schrieb den 6. Mai 1976, als ein Erdbeben den Ort Venzone fast vollständig zerstörte. Ein Nachbeben am 15. September erschütterte den Ort abermals. „Einem Bürgerkommittee ist es zu verdanken, dass Venzone wieder genau so aufgebaut wurde, wie es war“, erzählt Stadtführer Robert Schuhmann. Auch die begrünte doppelte Stadtmauer aus dem 13. Jahrhundert sieht aus wie neu. An einigen Häusern sind im Mauerwerk Linien zu sehen und teilen sie in vor und nach der Katastrophe. Alle Steine hatte man damals auf ein Feld gelegt und durchnummeriert. Die Steine mit Nummern sind heute noch an manchen Hauswänden zu erkennen. Kurz vor Venzone radelten wir durch Portis Vecchio. Dieser Ort hatte anscheinend nicht so viel Glück. Er liegt verlassen da. Das neue Portis befindet sich auf der anderen Seite der Landstraße.

Alpe Adria Radweg - In Venzone dreht sich einiges um Lavendel, auch bei der Farbgebung der Fahrräder

In Venzone dreht sich einiges um Lavendel, auch bei der Farbgebung der Fahrräder

„Venzone gilt außer als Erdbeben- auch als Mumien-, Kürbis- und Lavendelstadt“. Letzteres wurde vor ca. 30 Jahren als Geschäftsidee entwickelt, und so zieren heute viele lilafarbene Geschäfte mit Seifen, Lavendelsäckchen und lila angestrichenen Fahrrädern vor der Tür den Ort. Kürbisse gibt es in der Gegend reichlich, Ende Oktober findet das Kürbisfest statt. „Ein Erlebnis!“, verspricht Robert. Fünf Mumien findet man in der Krypta der Kapelle San Michele. Berühmt sind sie deshalb, weil ein Pilz (Hipha Bombicina Pers) verhindert, dass sie sich zersetzen. „Il Gobbo“, der Bucklige, 1384 verstorben, ist die berühmteste von ihnen. Auch der gotische Dom nebenan wurde nach dem Beben originalgetreu wieder aufgebaut.

 

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Kurzportrait Österreich

Immer ein Jodeln auf den Lippen, die stämmigen Waden in kniekurzen Lederhosen zur Schau gestellt, forschen Schrittes die Alm überquerend - so ähnlich stellt man sich jenseits der Alpen die Österreicher oft vor. Man findet solche Klischees natürlich auch in der Wirklichkeit, aber nicht alle auf einen Haufen und vielerorts aus Marketinggründen gehegt und gepflegt. Genauso wenig wie alle Bewohner der Nordseeküste pfeifenrauchende Seebären sind, sind alle Österreicher trachtentragende Bergfexe. In Österreich ist die Zeit nicht stehen geblieben, das Land ist ein moderner Kleinstaat, seit der Öffnung des Ostens wieder ins Herz Europas gerückt.

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Die 10-Seen-Radtour zwischen Salzburger Land und Salzkammergut

Flachlandtiroler seien gewarnt, denn wellige Kuppen mit lang gezogenen Anstiegen erfordern ein gewisses Stehvermögen. Salzburg mit der Hohensalzburg ist Ausgangs- und Endpunkt der Tour – und das Weltkulturerbe sollte man nicht nur bei einem nachmittäglichen Bummel durch die Gassen des „bürgerlichen“ und des „geistlichen Salzburg“ genießen.

Salzkammergut per Rad

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Auf den Spuren Friedensreich Hundertwassers zwischen Wien und Graz

„An einem Regentag beginnen die Farben zu leuchten“, so lautete das Motto des österreichischen Künstlers Friedensreich Hundertwasser. Heute regnet es nicht, sondern die vergoldeten Kugeln, die die blauen Säulen der lilafarbenen MS Vindobona zieren, glitzern prachtvoll in der Sonne. 1995 wurde das mittlerweile 30 Jahre alte Fahrgastschiff nach den Vorschlägen Hundertwassers umgestaltet und lädt seit dem zu Fahrten auf der Donau und im Donaukanal rund um Wien ein.

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Reiseführer Linz

Italienische Baumeister waren es, die im 17. und 18. Jahrhundert die zahlreichen Kirchen der Stadt Linz entwarfen, darunter auch Pietro Francesco Carlone, dem der Alte Dom zu verdanken ist. Hier war der Komponist Anton Bruckner mehr als ein Jahrzehnt lang als Domorganist tätig. Diesem berühmten Sohn der Stadt war ursprünglich das alljährlich im September/Oktober stattfindende Brucknerfest gewidmet, das sich unterdessen nicht mehr ausschließlich dem Erbe Bruckners verschrieben hat.

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