Im Bann der Tulpe

Ein Besuch im Keukenhof

Text und Fotos: Beate Schümann

 

Niederlande - Tulpen im Tulpengarten Keukenhof, Lisse, Holland

Martin Elling steht auf Blumen. Und das ist wörtlich zu nehmen. Denn er trägt am liebsten Schuhe mit auffälligen Blütenmustern. Der nationalen Ikone der Niederlande, der Tulpe, ist er mit Herz und Seele verfallen. Elling ist Chefdesigner im Keukenhof, dem größten Tulpengarten im Königreich. Auf dem 32 Hektar großen Gelände in Lisse herrscht er über sieben Millionen Tulpen, Perlhyazinthen, Narzissen und Krokusse, darunter mehr als 500 Sorten Tulipas.

Frühling ist die schönste Jahreszeit. Nach Monaten der Entbehrung schaltet die Natur endlich wieder auf Grün. „Das ist spürbare Energie“, findet der Landschaftsarchitekt. Das überträgt sich. Abhängig von der Dauer der Winterkälte fängt es ab März auf den Beeten an zu sprießen. In Rot, Gelb, Weiß, Violett und Rosé leuchten die Blütenkelche in überschäumenden Tönen. Wenn alles rundherum blüht, wirkt das mystisch, weltentrückt. Jedes Jahr pilgern deshalb mehr als eine Millionen Menschen zum Keukenhof, um das blühende Farbenmeer zu bestaunen - Tulpenfans, Privatgärtner, Gartentouristen aus der ganzen Welt. Die Tulpe als Glücksbringer. Schade, dass sie überhaupt nicht duftet.

Niederlande - Greeting-Mädchen in der Tracht von Jacoba von Beieren, der einstigen Besitzerin des Parkgeländes im 14. Jh. Keukenhof, Lisse, Holland

Greeting-Mädchen in der Tracht von Jacoba von Beieren, der einstigen Besitzerin des Parkgeländes im 14. Jh.

Keukenhof heißt „Küchenhof“. Im Mittelalter gehörte das Anwesen der Gräfin von Holland, Jacoba von Beieren, auf dem sie auch Kräuter zog. Landschaftsarchitekt Jan David Zocher legte im 19. Jahrhundert dann den heutigen Park an. Der historische Ziergarten des gleichnamigen Schlosses bildet die Grundlage für die 1949 erstmals eröffnete Blütenschau. Seither stellen hunderte Hoflieferanten die Blumenzwiebeln für die Bepflanzung zur Verfügung. Eine Leistungsschau, die sich ausschließlich Frühblühern widmet und nur für acht Wochen von März bis Mai zu sehen ist. Dann endet die Saison wieder. Die Blüten sind verblüht, der Keukenhof schließt seine Tore.

Niederlande - Tulpe Tulipa 'Cash' im Tulpengarten Keukenhof, Lisse, Holland

Tulpe Tulipa 'Cash' im Tulpengarten

Besuchermagnet ist das jährliche Themenmosaik. Das Hauptbild gilt jedesmal einem anderen Thema wie etwa „Flowerpower“ in 2019 oder zuvor die „Romantik“, für die Elling großflächige Herzen und das Profil eines Liebespaares entwarf, geformt aus dem kräftigen Rot der Tulipa ‚Willemsoord‘. In den Herzen funkelten die Tulipas ‚Rembrandt‘, ‚Bruno Liljefors‘ und ‚Annie Smulders‘ in prallen Pinktönen. Ein anderes Mal widmete er sich dem „Dutch Design“. Dafür staffierte der Chefdesigner ein geometrisches Mosaik nach einem Gemälde von Piet Mondrian, dem wichtigsten Vertreter des niederländischen Konstruktivismus, mit knalligen Tulpenfarben aus. „Das goldene Zeitalter“ von 2016 war durch ein Delfter Kachelbild in Weiß-Blau symbolisiert. Auch Länder wie Deutschland kamen schon zu Ehren. 2011 repräsentierte ein weißes Brandenburger Tor sowie zwei tulpengelbe Pferdeköpfe die Bundesrepublik. Aber das war vor Ellings Zeit.

Niederlande - Martin Elling, Chefdesigner des Tulpengartens Keukenhof. Er steht bei der Büste von Carolus Clusius, der die Tulpe 1593 nach Holland brachte. Lisse, Holland

Martin Elling, Chefdesigner des Tulpengartens Keukenhof. Er steht bei der Büste von Carolus Clusius, der die Tulpe 1593 nach Holland brachte

Der Blumengestalter ist voll Überschwang. Seine Schritte sind ausladend, und so durchmisst er die Wege zwischen Bäumen, Beeten, Teichen, Skulpturen und Pavillons und kontrolliert, ob sich in seinem Reich auch keine Anarchie entfaltet. Fast täglich läuft er an die zehn Kilometer durch die Rabatten und Rasenflächen. Irritationen in seinem Paradies kann er schlecht ertragen. „Blüte oder Entlassung“ – er lacht zwar. Letztere blühe ihm aber tatsächlich, bringt er den Park nicht zum Leuchten.

Niederlande - Asiatisches Mädchen bewundert die rosefarbenen Tulpen. Rosa ist ihre Lieblingsfarbe. Keukenhof, Lisse, Holland

Asiatisches Mädchen bewundert die rosefarbenen Tulpen. Rosa ist ihre Lieblingsfarbe

Frühere Designer des Keukenhofs gingen daher zur Lasagne-Technik über. Die Zwiebeln werden in drei Schichten gepflanzt: unten stecken die Spätblüher (bis Mai), darüber die Mittel- (bis April) und schließlich die Frühblüher (bis Anfang April). Ende Juli, wenn die Zwiebeln aus der Erde kommen, muss der Entwurf für das Hauptthema des nächsten Jahres feststehen.

Die Umsetzung ist das Werk von rund vierzig Gärtnern. Im Oktober des Vorjahres setzen sie die Zwiebeln gemäß der vorgegebenen Zeichnung wieder in den Boden - sieben Millionen Stück. Kurz vor Weihnachten sind alle ausgepflanzt. Dann folgen Bangen und Hoffen, dass alles auch wirklich so aussieht, wie es der Chefdesigner und Mutter Natur wollen.

Niederlande - Gärtner Lund ter Lack im Tulpengarten Keukenhof, Lisse, Holland

Gärtner Lund ter Lack im Tulpengarten Keukenhof

Runde Formen verlangen den Gärtner Präzisionsarbeit ab. „Eine falsch gesetzte Zwiebel, und das Erscheinungsbild ist nicht mehr richtig zu erkennen“, sagt Gärtner Lund ter Lac. Zuerst werden zehn Zentimeter Erde abgetragen. Mit einem Stock kopieren er und seine Kollegen das Design in den Boden, mit Fäden spannen sie kleine Quadrate. „So können wir die Zwiebeln akkurat auslegen“, erklärt Ter Lac. Zum Schluss wird vorsichtig die Erde wieder aufgespritzt, um die Lage nicht zu verändern. Dann brauchen die Eingesetzten winterliche Ruhe.

Aber auch rund um den Keukenhof liegen gigantischen Blumenteppiche. Sie lodern in Rot, Gelb, Orange, Pink oder Lila, dass der Mensch wie von Sinnen wird. Van Gogh hätte sofort zum Pinsel gegriffen. Allerdings dient diese Blütenorgie nicht der allgemeinen Augenweide. Ohnehin ist Mitte Mai Schluss damit. Die Züchter köpfen die Blüten, bevor sie ausgeblüht sind; sie brauchen eine kraftvolle Zwiebel.

 

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