Text und Fotos: Beate Schümann
Im Dreieck von Lucca, Pisa und den Pisaner Bergen erlebt der Radler die Toskana in einem spannenden Mix aus Stadt, Land, Bergen und Meer.
Der schiefe Turm von Pisa
Lucca ist große Oper. Nicht nur, weil der berühmte Opernschreiber von La Bohème, Tosca und Madame Butterfly hier geboren ist. Die Altstadt verschafft auch bestes Mittelalter-Feeling. Von vier Kilometern Stadtmauer umschlossen, versammeln sich auf engem Raum uralte Kirchen, Paläste, hohe Geschlechtertürme und Stadtvillen bis ins 18. Jahrhundert. In den Gassen drängeln sich alle – Autos, Lieferwagen, Fußgänger. Mittendrin leben immerhin 15.000 Einwohner.
Der rauchende Komponist Giacomo Puccini auf einem Sockel vor dem Puccini-Museum
Der Dom San Martino an der Martino-Piazza und die Kirche San Michele in Foro auf dem römischen Marktplatz, beide vor rund 1000 Jahren errichtet, rauben uns den Atem. Romanische Architektur in himmelstrebenden Ausmaßen und filigraner Fassadengestaltung. Da waren Baumeister auf der Höhe ihrer Kunst am Werk.
Fahrrad vor dem Puccini-Museum
Natürlich gehen wir zum Puccini-Museum. Der Maestro sitzt auf einem Sockel davor, in Bronze und überlebensgroß. „Giacomo wuchs mit sieben Geschwistern auf, liebte die Jagd und rauchte 60 Zigaretten am Tag“, sagt Puccini-Kenner Giorgio Del Papa in dessen Geburtshaus. Außerdem sei er ein begeisterter Radler gewesen und unternahm Touren ins Umland. So wie wir.
Am Morgen holen wir die E-Bikes beim Fahrradverleih ab. „Ciao“, sagt Guide Alessandro Salvaggio, der uns am Stadttor Porta San Pietro erwartet. Habt Ihr Wasser und Regenschutz?“, fragt er auf Englisch. Dieser April ist kühl und regnerisch. Auf den Gipfeln des Apennins liegt sogar Schnee.
Monte San Quirico am Serchio-Fluss
Wir starten zur Puccini-Route, auf der der berühmte Komponist selbst pedalierte. Erst fahren wir auf dem gut erhaltenen Mauerring auf Augenhöhe mit der imposanten Skyline aus Dächern, Kirch- und Geschlechtertürmen. Dann fädeln wir uns an der Porta Sant‘ Anna in den Verkehr nach Nordosten ein. Alessandro führt uns aus der Stadt und nach Monte San Quirico. Unterhalb des Dorfes fließt der Fluss Serchio, dem wir einige Kilometer durch flache, fruchtbare Ebenen folgen. Der Boden wandelt sich von Asphalt zu Sand zu Gravel. Robinien, Pappeln und Linden wiegen sich sanft im Wind.
Mittelalterliche Burg Nozzano mit den markanten Türmen
Am Verkehrsknoten Ripafratta überqueren wir Fluss und Bahngleise in westliche Richtung. Olivenbäume wachsen überall, auch Steineichen, Zypressen und Wein. Die Ciclovia Puccini geht hier in den Einflussbereich der einst mächtigen Handelsstadt Pisa über. Zu beiden Flussseiten tauchen wuchtige Wachtürme auf, die einmal zum Schutzsystem der Schifffahrt gehörten. Nach 17 Kilometern peilen wir die Festung von Nozzano an, die hoch über dem Fluss postiert ist. Wie eine Drohgebärde ragt die mittelalterliche Burg mit den markanten Türmen aus dem Mauerring und den pastellfarbenen Häusern heraus. Wir passieren das einzige Tor und fühlen uns wie auf einem anderen Planeten.
Am Stadttor der Nozzano-Burg
Jenseits vom Berg Monte Niquila müssen wir die kurze, aber fast senkrechte Auffahrt zur Kirche von Massaciuccolo bezwingen. Der Weg in den Himmel muss wohl dornenreich sein. Oben angekommen, können wir die ganze Weite der Ebene und den gleichnamigen See überblicken, der wie ein märchenhafter Spiegel vor uns liegt. „Der See war Puccinis große Inspiration“, hatte Giorgio in Lucca gesagt. Auf der anderen Seite erahnt man in Torre del Lago die Villa Turtia, wo Puccini lebte und beerdigt ist.
Der Massaciuccolo-See
Eine Zypressenallee führt zum Bio-Weingut Tenuta Mariani. Unter knorrigen Olivenbäumen hat Greta Orsolini den Holztisch mit Antipasti wie Schinken, Käse, eingelegten Tomaten, Artischocken, Brot und Olivenöl gedeckt. „Alles selbstgemacht“, sagt sie stolz. Auf die Weinprobe verzichten wir. In Italien gilt die 0,5-Promillegrenze.
Unter dem Monte del Legnaio
Durch das Sumpfgebiet des Massaciuccolo-Sees und vorbei am Monte del Legnaio geht es auf befestigten Wegen durch die ländliche Gegend zurück nach Lucca. Geduscht, schlendern wir durch die unverdorbene Altstadt, finden im Restaurant Peperosa einen Außenplatz und genießen die abendliche Atmosphäre im kreisrunden Amphitheater.
Lucca ist vom fast 3000 Meter hohen Apennin-Gebirge und der sanften Hügelkette der Monti Pisani umgeben, die unser heutiges Ziel sind. Morgens ist in der Altstadt Betrieb. So schlängeln wir uns vorsichtig durch die Gassen. Wenn Alessandro nicht in die Pedale tritt, erzeugt der Freilauf ein lautes ungewöhnliches Rasseln. Fußgänger treten zur Seite, so dass wir die Porta Santa Maria flott erreichen.
Fassade der Kirche San Michele in Foro mit übereinander gestapelten Zwerggalerien
Bei San Quirico wenden wir uns diesmal gen Osten. An der Gravelpiste entlang des Serchios stehen außer den verbreiteten Robinien auch Eichen, Holunder- und Feigenbäume Spalier. Unterhalb des Appennino Centrale kommen wir in eine Gegend mit ländlichem Charme, dem Altoplano delle Pizzorne. Nach Saltocchio werden die wenig befahrenen Landstraßen immer enger, die Zypressen immer höher, die Steinmauern auch. Sie besagen: Dies ist Privatbesitz.
Und manchmal geht es für einen Moment nicht weiter
Wir befinden uns auf der Via delle Ville, dem diskreten Villengürtel von Lucca. Nur hinter den Einfahrten blitzen die riesigen Landsitze, ja eher Paläste kurz auf, von riesigen Parks umgeben wie etwa die Villa Oliva Buonvisi, Villa Grabau oder die Villa Reale di Marlia, die einmal Elisa Baciocchi, geborene Bonaparte, der jüngsten Schwester Napoleons gehörte. Die Wasserspiele, Fischteiche und Steinskulpturen verdienten einen Tag. Doch wir wollen radeln.
Oberhalb der Villen erstreckt sich eine verträumte, typisch lucchesische Hügellandschaft aus Olivenhainen, Weinbergen, Pinienwäldern und urigen Dörfern. Über ein löchriges Kopfsteinpflaster balancieren wir die Räder mühsam bergauf.
Das mittelalterliche Dorf San Gennaro, zusammengekuschelte Häuser auf einem Bergrücken
Nach einer Serpentinenfahrt taucht vor uns das Dorf San Gennaro auf, ein Postkartenmotiv. Wie zusammengekuschelt besetzen die sandfarbenen Häuser mit roten Dächern den gestreckten Hügelrücken. Die Moderne hat hier keinen Zutritt. Wegen der rasenden Talfahrt verpassen wir Collodi, jenes Dorf, das Carlo Lorenzini zu seinem Kinderbuchhelden Pinocchio inspiriert hat. Sie endet bei einem monumentalen Naturdenkmal: die 600 Jahre alte, weit verzweigte Eiche von San Martino in Colle, gut 15 Meter hoch.
Die Eiche von San Martino in Colle, ein 600 Jahre altes Naturmonument, 15 Meter hoch
Schließlich Montecarlo. Der Name mag an ein gewisses Fürstentum erinnern, sein Charme rührt aber nicht von Prunk oder Luxus her, sondern vom historischen Flair. Burg und Stadtmauer haben dennoch fürstliche Ursprünge: der spätere Kaiser Karl IV. wr es, der den Ort 1333 am Mons Charoli gründete. Die Strada Provinciale SP 31 bringt uns zurück nach Lucca.
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