Durch England von Küste zu Küste

Unterwegs auf dem "Way of the Roses"

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Verschlafene, kleine Dörfer und Marktstädtchen, Klosterruinen, Burgen und Geister, Täler und Hügel, relaxte Schafe. 274 Kilometer lang führt der „Way of the Roses“ durch England von Küste zu Küste.

England - Way of the Roses - Bucht von Morecambe an der Irischen See

Am Sandstrand in der Bucht von Morecambe an der Irischen See

Die Brise ist steif, der Blick fällt auf die weit geschwungene Bucht von Morecambe an der Irischen See mit breitem Sandstrand, wo einige sich mit Wattwanderungen vergnügen. Direkt hier steht auch ein großes Schild, das auf den Beginn/das Ende des „Way of the Roses“ hinweist und auf die Richtung, in die es geht: gen Lancaster. Dort radeln wir über die eigens für Fußgänger und Radfahrer erbaute Lune Millenium Bridge und den Fluss Lune. Hoch oben liegt Lancaster Castle, die Burg, die heute den Gerichtshof beherbergt und Sitz des Hauses Lancaster war – einst Gegner des House of York.

Daher, weil er durch die Grafschaften Lancashire und Yorkshire führt, hat der Way of the Roses seinen Namen. In den Jahren 1455 – 1485 nämlich bekriegten sich die Adelshäuser in den so genannten Rosenkriegen bis aufs Blut: Da sie beide ihre Abstammung bis auf König Edward III. zurückführten, erhoben sie jeweils Anspruch auf die Krone. Die zwei Adelsgeschlechter führen jedes eine Rose im Wappen: die von York eine weiße, die von Lancaster eine rote. Friedlich vereint sind die beiden Rosen heute auf dem Logo der Radroute.

England - Way of the Roses - Lune-Aquädukt

Lune-Aquädukt

Das Zeichen weist nun den Fluss Lune entlang und an verschiedenen alten Brücken vorbei wie dem fünf-bögigen Lune-Aquädukt aus dem 18. Jahrhundert. Am Crook O‘ Lune macht der Fluss eine spektakuläre Biege. Vom oberhalb und direkt am Radweg gelegenen Picknickplatz mit Kiosk aus bieten sich bei einem Sandwich und einer Cup of Tea grandiose Ausblicke.

England - Way of the Roses - Blick ins Lune-Tal vom Picknickplatz Crook o‘Lune aus. Der Fluss macht hier eine scharfe Biegung

Blick ins Lune-Tal vom Picknickplatz Crook o‘Lune aus. Der Fluss macht hier eine scharfe Biegung

Der nächste Yorkshire Tea winkt im Tea Room direkt an der Hauptstraße in Hornby. Nachbarin Shirley wird aufs Herzlichste begrüßt, und wir werden sofort von ihr zugetextet. Gut, denn jetzt wissen wir Bescheid: In den Yorkshire Dales geht‘s die Berge hoch. Außerdem gibt‘s viel Grün, Lämmer, Schafe, Steinmauern, Fasane, über den Weg hoppelnde Hasen, riesenhafte Eichen, in fast jedem Dorf eine Kirche und in Austwick tatsächlich eine rote, britische Telefonzelle von der alten Sorte.

England - Way of the Roses - Typisch britische Telefonzelle in Austwick

Typisch britische Telefonzelle in Austwick

All das nimmt uns gefangen, denn noch wissen wir nicht, dass wir von den „alten“ Fernsprecherboxen noch viele mehr entdecken werden. Ausgemustert sind sie nämlich noch lange nicht – und falls ja, dann wird vielleicht eine Rad-Servicestation aus ihnen wie in einem Dorf gegen Ende des Wegs mit Luftpumpe, Öl und Flickzeug. Alles kostenlos! Auch finden wir in fast jeder Ansiedlung einen kleinen Laden und einen Pub. Das macht die Versorgungslage einfach. „Ye Olde Naked Man Café“ in Settle beispielsweise. Oha! Heißen also doch nicht alle „Royal Oak“.

Way of the Roses in England - Pub

„Ye Olde Naked Man Café“ in Settle

Nun in den Yorkshire Dales folgt ein sehr steiler Anstieg. Über die menschenleeren Hochmoore und durch die Äste der magischen, vereinzelt stehenden alten Bäume pfeift der Wind. Doch wir schwitzen. Dieser Abschnitt ist nicht ohne, und zur Belohnung gönnen wir uns im “The Angel“ in Hetton, der uns wirklich engelhaft vorkommt, einen Cream Tea am Nachmittag. Dazu Scones mit Marmelade und Clotted Cream, dickem Rahm, wie es sich gehört.

Engand - Way of the Roses - Die Heilige Wilfrids Kirche in Burnsall

Die Heilige Wilfrids Kirche in Burnsall

Jetzt rollen wir abwärts nach Burnsall, wo in der Kirche des Heiligen Wilfried erklärt ist, dass hier im 9. und 10. Jahrhundert Wikinger lebten und später mit den Angelsachsen verschmolzen. Anhand der angelsächischen Kreuze und Grabplatten lässt sich all dies belegen. Alte Steine aus dem 12. Jahrhundert sind in den Bau integriert. Die mittelalterliche Alabastertafel überstand die Zerstörung der Heiligenbilder durch König Edward IV. und ist komplett erhalten. Unten im Tal spannt sich über den Fluss Wharfe die 1609 erbaute Bogenbrücke. An deren Fuße übernachten und speisen wir im gemütlichen „The Red Lion“, ursprünglich das Haus der Fährmänner aus dem 16. Jahrhundert.

England - Way of the Roses - Steinerne Brücke mit fünf Bögen über den Fluss Wharfe in Burnsall

Steinerne Brücke mit fünf Bögen über den Fluss Wharfe in Burnsall

Über die Brücke verlassen wir den gastlichen Ort hin zu knackigen Anstiegen und bis zum höchsten Punkt des Way of the Roses auf 404 Metern. Die Hügel der Yorkshire Dales liegen nun hinter uns und wir radeln durchs Nidderdale Moor. Gluckernde Bäche und Moos bewachsene Stämme begleiten den Weg. War das da vorne ein Troll im Nebel? Kein Wunder, dass hier die Geschichten nur so blühen: Auch die Brontë Schwestern lebten in Yorkshire und machten sich die umgebende Urlandschaft und ihre Fantasie zunutze. Sie erschufen schon als Kinder das Königreich Angria in ihrer Imagination und schrieben später Romane von Weltrang: „Sturmhöhe“ (Emily), „Agnes Grey“ (Anne) und „Jane Eyre“ (Charlotte Brontë). Wir passieren die skurril geformten, mystischen Brimham Rocks. Sie mögen eine Anregung dazu gewesen sein.

England - Way of the Roses - Bäckerei in Pateley Bridge

Bäckerei in Pateley Bridge

Um einer Teevergiftung vorzubeugen, greife ich diesmal im „The Old Granary“ von Pateley Bridge zu einer heißen Suppe. Das Wetter ist danach, doch außer mir scheinen alle in kurzen Hosen herumzulaufen. Der ältere Herr, der bedient, nennt mich „Missy“ und „My Love“, wie überhaupt die Höflichkeit der Menschen sprichwörtlich ist – genauso wie der englische Humor. „This was a very nice phone call“, wird der Kellner sagen, als er ans klingelnde Telefon geht und sich keiner meldet.

 

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