Text und Fotos: Rainer Heubeck
Die Dominikanische Republik – für viele Urlauber steht dieses Land vor allem für Traumstrände. Für die Surferparadies bei Cabarete, für die naturnahen Sandstrände auf der Halbinsel Samaná, für die populären Party-Strände in der Nähe der Hauptstadt Santo Domingo - Boca Chica und Juan Dolio - oder für die Palmenparadiese im Westen der Insel, in der Region um Punta Cana. Doch das Karibikidyll, in dem unter anderem der berühmte Bacardi-Werbespot gedreht wurde, hat noch ein zweites Gesicht: Naturparks und Berge, die mehr als 3000 Meter in den Himmel ragen. Mehr als 500 Jahre alte, von Kolumbus selbst angelegte Städte, in denen hinkende Teufel grinsend durch die Straßen ziehen und 11-jährige Jungs jeden Betrachter des bunten Karnevalsumzugs, der nicht schnell genug das Weite sucht, mit einem an einem Seil befestigten Ball einen schmerzhaften Klaps auf den Hintern verpassen.
Karneval in La Vega
Das Zentrum des Karnevalstreibens ist der Ort La Vega. Diese Stadt, die etwa 65 Kilometer von der Nordküste entfernt im Inselinneren liegt, kennen nur wenige Besucher von „Hispanola“, so der ursprüngliche Name des Eilands, auf dem Kolumbus am 5. Dezember 1592 erstmals anlandete. Das ist schade, denn jedes Jahr im Februar ist die 150.000-Einwohner-Stadt La Vega so etwas wie die heimliche Hauptstadt der Dominikanischen Republik. Dann steht der „Vegan Carnaval“ auf der Agenda, einer der größten und farbenprächtigen Karnevalsumzüge des Landes. An diesem Tag herrscht Ausnahmezustand in La Vega. Hunderte von bunt gekleideten Menschen ziehen kostümiert durch die Straßen. Sie tragen überdimensionale, mit Federn geschmückte Masken. Doch trotz riesiger Glupschaugen und weit aufgerissener Mäuler wirken die „Diablos cojuelos“, die hinkenden Teufel, nicht wirklich Furcht einflössend.
Die Dominikanische Republik ist zu siebzig Prozent von Nachkommen der aus Schwarzafrika verschleppten Arbeitssklaven bewohnt. Daher vermischen sich hier die Elemente europäischer und afrikanischer Kultur. Sie bilden einen Cocktail, wie er farbenprächtiger und lautstärker kaum sein könnte. Auf Bühnen und Trucks sind überdimensionale Lautsprecher montiert. Aus diesen Mammut-Boxen dröhnt eine dezibelstarke Mischung aus Merengue und Hip-Hop, Salsa und Bachata sowie aus Reggae und Technomusik. Karneval in La Vega, das ist eine Mischung aus Party und Anarchie, aus hämmerndem Beat und aus schaurigen Monstern. Ein Feuerwerk der Lebensfreude, das wenig gemein hat mit den hierzulande üblichen Büttenreden und Pappnasen. Doch die ausgelassene Partystimmung in der Calle Independencia täuscht. Auch in der Karibik haben die Götter vor den Erfolg den Schweiß gesetzt: Dem Höhepunkt des Jahres ist bei vielen Menschen Monate lange Arbeit vorangegangen.
La Vega ist der beste, aber nicht der einzige Ort, in dem Besucher den Techno- und Teufelskarneval der Dominikanischen Republik live erleben können und der dazu verlockt, in den karibischen Hexenkessel einzutauchen. Auch die Avenida George Washington in der Hauptstadt Santo Domingo verwandelt sich im Februar in eine Straße der Musik und des Tanzes. Und in Rio San Juan im Norden der Insel vermischt sich der Carnaval gar mit einem Merengue-Festival und mutiert so zum Carnaverengue. In der Stadt Montecristi schließlich ziehen nicht nur bunte Teufel durch die Straßen, sondern auch Gestalten, die als Stiere verkleidet sind.
Karneval in Santo Domingo
Zentrum des Abenteuertourismus
Wer die Karnevalsumzüge im Landesinneren besucht, beispielsweise in La Vega oder Santiago, für den lohnt sich ein Abstecher in die dominikanischen Alpen. Insbesondere Jericoboa, ein am Rande von Pinienwäldern gelegener Ort auf 600 Metern Höhe, hat sich zu einem Zentrum für Abenteuer- und Outdoor-Tourismus entwickelt. Hier können Reitausflüge unternommen werden oder spritzige Raftingtouren. Und wer Kondition für eine anspruchsvolle Bergwanderung bei tropischen Temperaturen mitbringt, kann von hier aus sogar den Pico Duarte bezwingen – mit 3175 Metern Höhe der höchste Berg der Karibik. Die Trekkingtouren zum Gipfel dauern mehrere Tage und führen durch Pinienwälder und tropischen Regenwald. Einen Adrenalinkick garantiert ein Abstecher zum Rio Jimenoa oder zum Rio Yaque del Norte. Die beiden Flüsse, die durch ihre rasanten Stromschnellen und tiefen Canyons bekannt sind, sind ein Eldorado für Urlauber, die den Nervenkitzel suchen – wobei Sie sich natürlich nur mit passender Ausrüstung und mit ortskundiger Führung in ein Canyoning-Abenteuer stürzen sollten.
Wer weniger abenteuer-, sondern eher bildungshungrig ist, für den empfiehlt sich ein Abstecher in die Millionenmetropole Santo Domingo, deren charmante „Zona Colonial“ im Jahr 1990 zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärte wurde. Hier lohnt ein Blick in die 1540 fertig gestellte Basilika Santa María la Menor. Glaubt man den Dominikanern, entdeckten sie hier, in der ältesten katholischen Kathedrale, sogar die Gebeine von Christoph Kolumbus, obgleich diese längst nach Sevilla gebracht waren. Die wahren Knochen seien, so heißt es, in einem im Jahr 1877 entdeckten Schrein gefunden worden, der sogar beschriftet gewesen sein soll. Einen wissenschaftlichen Nachweis, dass die Skelettreste wirklich von Christopher Kolumbus stammten, gibt es freilich nicht. Sicher hingegen ist, dass Kolumbus-Sohn Diego mehrere Jahre in einem Stadtpalast in Santo Domingo residierte. Heute beherbergt dieser „Alcázar de Colón“, der mehrerer Jahrzehnte lang der Sitz der spanischen Kolonialregierung in der neuen Welt war, ein sehenswertes Museum. Denn Santo Domingo, das ist historischer Boden: egal, ob es um Krankenhäuser geht oder um Forts, um Universitäten oder um Klöster, fast jede Einrichtung kann in Santo Domingo den Anspruch erheben, die erste ihrer Art in der neuen Welt gewesen zu sein.
Seit dem Jahr 2005 verfügt Santo Domingo – mit rund drei Millionen Einwohnern die größte Stadt der gesamten Karibik - zudem über ein neues Kulturhighlight – ein Musikfestival, das jedes Jahr im Februar oder Anfang März stattfindet und bei dem sich europäische und lateinamerikanische Künstler sowie Musiker aus der Karibik ein Stelldichein geben.
Fährt man von Santo Domingo aus Richtung Westen, in die Nähe der Grenze zum Nachbarland Haiti, stößt man auf touristisch unerschlossenes Gebiet. Die Region, in der vom Urwald bis zur Steppe die unterschiedlichsten Landschaftsformen anzutreffen sind, war früher das Rückzugsgebiet der indianischen Ureinwohner der Insel, der Tainos, die von den Spaniern immer mehr zurückgedrängt worden waren – und sich 1533 noch einmal auflehnten, doch ihre Erhebung wurde blutig niedergeschlagen. Gewalttätig und blutig waren auch Teile der jüngeren Geschichte der Dominikanischen Republik: Rafael Trujillo, ein von den USA unterstützter Diktator, der keinerlei Skrupel hatte, Tausende von Menschen ermorden zu lassen, war zwischen 1930 und 1961 der stärkste Mann im Staat.
Nach dem Ende der Diktatur begann die touristische Entwicklung der Dominikanischen Republik. Das Land, das von den USA aus in wenigen Flugstunden zu erreichen ist, hat für Besucher aus den Vereinigten Staaten eine ähnliche Bedeutung wie für Kontinentaleuropäer die Kanaren. Zahlreiche Hotels wollten ausgelastet werden, und durch Dumpingangebote in den 90er Jahren, bei denen 14 Tage „All Inklusive“ beispielsweise auf dem deutschen Markt schon für 999 Mark angeboten wurde, bekam die Dominikanische Republik in Europa den Stempel des Billig-Reiseziels. Ein Image, das sich vor allem in den Köpfen der Europäer regelrecht fest brannte, insbesondere nachdem einige Privatsender ausführliche Reportagen über Kampftrinker am karibischen Ballermann ausgestrahlt hatten.
Surferparadies bei Cabarete
Heute sind diese Exzesse passé. Die Dominikanische Republik bietet Besuchern aus dem deutschsprachigen Raum zwar auch weiterhin ein sehr gutes Preis-Leistungsverhältnis, doch die Tourismusentwicklung hat sich ganz klar in den hochwertigen Bereich verlagert. Eines freilich ist geblieben: Auch die neuen Vier- und Fünf-Sterne Ressorts, die in den letzten Jahren entstanden sind und die durchaus auch für Normalbürger bezahlbar sind, setzen fast alle auf das All-Inklusive-Prinzip. Eine künstliche Urlaubswelt, eine Palmen- und Strandkulisse, die austauschbar ist, so mäkeln manche. Doch schließlich bleibt es jedem selbst überlassen, das Hotel zu verlassen und die Insel zu erkunden. Obgleich das Land nur etwa so groß ist wie Niedersachsen, bietet es unterschiedlichste Landschaftsformationen. Per Mietwagen ist es bequem zu erschließen, denn auf Staus treffen Besucher meist nur in Santo Domingo.
Die Halbinsel Samaná
Nachdem im vergangenen Jahrzehnt vor allem in der Region um Punta Cana im Osten und Südosten der Insel - einem Gebiet, das lange Zeit vom Zuckerrohranbau dominiert wurde - Hotelanlagen und Golfplätze gebaut wurden, verlagert sich der Tourismusschub derzeit auf die Halbinseln Samaná im Nordosten der Insel, die seit Herbst 2006 auch über einen eigenen internationalen Flughafen erreicht werden kann. Die Zeiten, in denen diese Region ein Hideaway für Aussteiger war, dürften damit bald unwiderruflich vorbei sein, obgleich viel dafür getan wird, die Fehler anderer Tourismusdestinationen nicht zu wiederholen. Besonders attraktiv ist ein Aufenthalt auf der Halbinsel, zu der auch die „Bacardi-Insel“ Cayo Levantado gehört, im Januar und Februar, wenn Tausende von Buckelwalen aus der Arktis hier angekommen, um sich zu paaren und ihre Jungen zu gebären. Whale-Watching ist in diesen Monaten für Besucher quasi ein Pflichtprogramm – das sich, wenn der Reisetermin richtig gewählt ist, hervorragend mit einem Karnevals-Erlebnis kombinieren lässt.
Trotz des neuen internationalen Flughafens dürfte Samaná in nächster Zeit vor allem bei Natur- und Strandliebhabern gefragt sein, denn im Gegensatz zu Stränden wie Boca Chica oder Juan Dolio, von denen aus in kurzer Zeit die Millionenmetropole Santo Domingo erreicht werden kann, oder Orten wie Puerto Plata und Sosúa, in denen sich schon vor zwanzig Jahren ein bunt-schillerndes und ganz am Tourismus ausgerichtetes Nachtleben entwickelt hat, ist das Unterhaltungs- und Zerstreuungsangebot auf der Halbinsel, auf der insgesamt 80 000 Menschen leben und deren Hauptstadt Santa Barbara da Samaná um die 50.000 Einwohner hat, bislang noch recht überschaubar – abgesehen von der Touristenmetropole Las Terrenas, in der an Hotels, Diskotheken und Tauchschulen längst nicht mehr mangelt.
Karneval
Karneval wird nicht nur am Rosenmontag und Faschingsdienstag gefeiert, sondern bereits an den Sonntagen und Wochenenden vorher - sowie am 27. Februar, dem Unabhängigkeitstag des Landes. Nähere Infos finden sich unter www.carnaval.com.do
Auskunft
Fremdenverkehrsamt für die Dominikanische Republik
Kaiserstraße 13
60311 Frankfurt
Tel. 069/91397878
E-Mail: domtur@aol.com
Internet: www.godominicanrepublic.com
Reiseveranstalter Südamerika-Reisen bei schwarzaufweiss
Wer in der kühlen Heimat die Reisekataloge durchblättert, stößt auf puderweiße Strände und das Meer in schillerndstem Türkis. Die Kataloge lügen nicht. Goldgelbe Sandbänder und palmenflankierte Buchten lassen Karibikträume wahr werden, das Ganze angereichert mit jahresdurchgängiger Schön-Wetter-Garantie und Wassertemperaturen, die nicht unter 25 °C sinken.
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Dass die DomRep weit mehr als Sonne satt, Palmen und Traumstrände zu bieten hat, zeigt sich bei einer kurzweiligen Landpartie durch das Hinterland der Karibikinsel.
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