Froschkonzert an der Müritz

Wenn die Natur durchdreht

Text und Fotos: Beate Schümann

Windstille und eine glasklare, warmfeuchte Nacht sind ideal. „Das sind für uns die besten Voraussetzungen“, sagt Sebastian Krage, der Intendant der ungewöhnlichen Musikreihe. Krage ist Ranger im Müritz Nationalpark und organisiert das abendliche Openairfestival bei Carpin. „Dann laufen unsere Sänger zur Hochform auf“, frohlockt er. Das Konzert habe einen enorm hohen Anspruch. Die Sänger seien gut bei Stimme. Davon hätte er sich bei der Generalprobe am Vorabend schon überzeugt.

Ranger Sebastian Krage bei der Einführung ins Froschkonzert. Müritz Nationalpark, Mecklenburg-Vorpommern

Krage engagiert keine normalen Interpreten aus Pop, Fusion oder Klassik. Seine Stars sind Frösche, Kröten und Lurche. Ihren großen Auftritt haben sie alljährlich von April bis Juni, wenn die Kriechtiere auf Partnersuche gehen. Wasserfrösche übernehmen die Basspartien, den Bariton geben die Laubfrösche, den Tenor die Grasfrösche. Solisten sind die hupenden Rotbauchunken und knurrende Knoblauchkröten. Die Idee für die Froschkonzerte hatte der Ranger, der als Herpetologe auf Amphibien spezialisiert ist, bei der Froschzählung 2013. „Amphibien haben eine riesige Fan-Gemeinde, vor allem bei Jungs“, sagt er.

Ranger Sebastian Krage bei der Einführung ins Froschkonzert. Müritz Nationalpark, Mecklenburg-Vorpommern

Ranger Sebastian Krage bei der Einführung ins Froschkonzert

In der Dämmerung nimmt Krage sein Publikum mit auf eine gut halbstündige Wanderung. Die Bühne für das seltene Spektakel befindet sich an einem von der Eiszeit geschaffenen Tümpel, einem sogenannten Soll oder Toteisloch in der Feldberger Seenlandschaft, die zum Müritz Nationalpark gehört. Wie ein Amphitheater steigt das Ufer sanft nach oben, das ein paar Familien mit Kindern und eine Schulklasse aus Neubrandenburg bevölkern. An Tümpel wie diesen kommen Braunfrösche wie Gras- und Moorfrosch, Grünfrösche wie Wasser-, Teich und Laubfrosch, Rotbauchunken, Knoblauch- und Erdkröten zu Hunderten zum Balzen und Laichen. Dann dreht die Natur mit ihnen durch.

Ranger Sebastian Krage bei der Einführung ins Froschkonzert. Müritz Nationalpark, Mecklenburg-Vorpommern

Auf Wanderschaft in der Dämmerung

Wenn ein Frosch beginnt, quaken die anderen bald auch. Schließlich stehen sie im Wettbewerb. Jeder will der Tollste sein, jeder will eine Froschkönigin haben. Doch noch ist kein Ruf zu hören. Die Wasseroberfläche liegt ruhig. Der Mond wirft sanftes Licht darauf. Dann ist das erste Gebrabbel zu hören. „Uog, uog, uog“, macht ein Laubfrosch. Krage leuchtet mit der Taschenlampe aufs Wasser. „Könnt ihr die Augen sehen“, fragt er die aufgeregten Kinder. Schon quaken mehrere. Der Experte lauscht, schätzt sie auf vierzig. „Wenn Laubfrösche wollen, schaffen sie 85 Dezibel – bis zur Schmerzgrenze, sie quaken alle gleichzeitig“, sagt Krage. „Das ist ja wie in der Disko oder am Frankfurter Flughafen“, meint ein Besucher aus Berlin. „Hup, hup“, kommt es aus einer anderen Richtung. „Das ist die Rotbauchunke“, identifiziert der Fachmann. Sie quake nicht, sie hupe, es sei leicht herauszuhören. „Sie ist kein Frosch, sondern eine Unke.“ Was für ein Ohrenschmaus, was für ein zauberhaftes Gequake.

Ein Wasserfrosch in der Hand von Ranger Sebastian Krage. Froschkonzert im Müritz Nationalpark, Mecklenburg-Vorpommern

Ein Wasserfrosch in der Hand von Ranger Sebastian Krage

Leise gesellt sich das Quak-Quak eines einzelnen Wasserfrosches dazu, ein knarrend monotones Geräusch, das nicht lange alleine bleibt. „Sie fangen wie auf Kommando an und hören genauso auf“, erklärt der Herpetologe. Krage klatscht in die Hände. Das animiert und gleich wird das Gebrabbel lauter. „Sie kommunizieren“, sagt Krage begeistert. „Wer macht das Möp-möp?“, fragt der 10-jährige Theo. Die Knoblauchkröte, sie knurre, erklärt der Herpetologe. „Und der Moorfrosch?“ will der 12-jährige Konstantin wissen. Der sei stimmlich etwas gehandicapt, antwortet ihm der Ranger. Dafür könne er herrlich blau anlaufen, das imponiere den Weibchen. „Zu wem gehört das Blup-blup-Geräusch?“ fragt nun der Musikdirektor die Kinder. „Das klingt wie wenn man einen Flaschenhals unter fließend Wasser hält“, sagt Tabea. „Frösche sind hässlich“, ekelt sie sich. Sie ist nur wegen ihrer Freundin mitgekommen. „Das hier ist Männersache“, sagt Bennet zu Tilda, um zu necken.

An der Konzertbühne wollen die Kinder alles Mögliche wissen. Sie erfahren, dass es 5.500 Froschlurcharten weltweit gibt, und davon vierzehn in Deutschland heimisch sind. Im Müritz Nationalpark, der reich an Seen und Mooren ist, habe sich der Bestand in den letzten Jahren zwar erholt, so der Ranger. Doch viele Arten sind durch den Chytridpilz stark gefährdet, der tödlich ist. Auch die Zerschneidung der Landschaft durch Straßen, die Entwässerung der Moore und der Betrieb auf großen Ackerflächen bedrohen die Reptilien.

Wasserfrosch - vielleicht auf dem Weg zum Froschkonzert. Müritz Nationalpark, Mecklenburg-Vorpommern

Wasserfrosch - vielleicht auf dem Weg zum Froschkonzert

Wie alt kann eine Kröte werden? fragt jemand. „Die Erdkröte kann bis zu vierzig Jahre erreichen, eine Blindschleiche fünfzig“, breitet der Herpetologe sein Wissen aus. Der Wasserfrosch ist grün, nicht der Grasfrosch, der sei braun. Laubfrösche haben Saugnäpfe, können auf Bäume klettern. Gras- und Wasserfrösche haben zwar eine Lunge, aber keine Kiemen. Im Wasser würden sie ertrinken, können jedoch auf dem Boden eines Sees überwintern. Der Ochsenfrosch kann Ratten fressen. Alle sind beeindruckt.

Doch auch Frösche und Kröten sind kapriziöse Diven. Wenn sie nicht richtig wollen, zückt Krage seinen Tingstab, mit dem er ihre verschiedenen Laute einstellen kann. Ein kleines Restrisiko für den Erfolg des Froschkonzertes bleibt freilich. Denn das Ensemble vom Toteistümpel ist nicht fest angestellt und bekommt auch keine Gage. „Es singt aus Gründen, auf die wir keinen Einfluss haben“, sagt der Intendant. Eine Fernbedienung habe er leider nicht.

Informationen

Nationalparkamt Müritz
Steinmühle 2
17237 Carpin
Tel. 039821-4151922
www.mueritz-nationalpark.de

 

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