In der Ferne blinkt ein Licht

Jedes Leuchtfeuer entlang der Elbe hat seine eigene Geschichte

Text: Dagmar Krappe
Fotos: Axel Baumann

Stolz thronen sie am Elbufer. Bei Wanderern, Rad- und Autofahrern lösen sie Fernweh aus. Sehnsucht nach der großen, weiten Welt. Kapitänen von Kreuzfahrt- und Containerschiffen dienen sie zur Orientierung.

56 Leuchttürme stehen zwischen der Elbmündung in die Nordsee bei Cuxhaven und dem Hamburger Hafen. Die meisten von ihnen sind noch in Betrieb und für den Schiffsverkehr unverzichtbar. Sie helfen bei der Positionsbestimmung, markieren sicheres Fahrwasser oder warnen vor Untiefen. „Selbst im GPS-Zeitalter gibt ein Leuchtfeuer dem Kapitän im Dunkeln wesentlich mehr Sicherheit“, meint „Leuchtturmwärter“ Horst Freese vom Förderverein „Dicke Berta“ in Altenbruch bei Cuxhaven.

Cuxhaven - Hochzeitsturm Dicke Berta in Altenbruch von 1897

Hochzeitsturm Dicke Berta in Altenbruch von 1897

Um die Einsegelung in den Hafen auch nachts möglich und sicherer zu machen, begann Hamburg zu Beginn des 19. Jahrhunderts mit der Befeuerung der Unterelbe. Zunächst mit kleinen Feuerschiffen. Bis dahin mussten sich Kapitäne nach Kirchtürmen oder anderen Besonderheiten in der Umgebung richten.

Viele Leuchtfeuer entlang der Elbe blinken im Doppelpack. „Es sind Richtfeuer“, erklärt Freese: “Es gibt einen kleinen Turm als Unterfeuer direkt am Elbufer und einen einige hundert Meter entfernt landeinwärts stehenden, das Oberfeuer. Beide haben die gleiche Bemalung und Kennung. Sie blinken im gleichen Takt.“ Vom Schiff aus betrachtet, müssen beide Lichter deckungsgleich sein, also in einer Linie übereinander stehen. Sieht der Kapitän das Unterfeuer bei der Ansteuerung zu weit links oder rechts vom Oberfeuer, muss er nach Back- oder Steuerbord halten, um wieder auf richtigem Kurs zu sein.

Elbe - Unterfeuer Somfletherwisch von 2010, im Hintergrund Unterfeuer Luehe von 1970

Unterfeuer Somfletherwisch von 2010, im Hintergrund Unterfeuer Luehe von 1970

Als jüngster Turm wurde 2010 das neue rot-weiße Unterfeuer Somfletherwisch im Alten Land erbaut. Eine breite Wendeltreppe führt ins Laternenhaus des knapp 19 Meter hohen, runden Stahlturmes. Er löste das alte, denkmalgeschützte Unterfeuer Mielstack ab, das auf einem Wohnhaus errichtet ist. Da sich die Brückenhöhen der Schiffe im Lauf der Jahre geändert haben, war ein Neubau erforderlich. Wer nun einen Raum voller Technik erwartet, der wird enttäuscht. Sechs Halogenlampen mit jeweils nur 50 Watt verbergen sich hinter einer Glasabdeckung. Sie strahlen 18 Seemeilen (rund 33 Kilometer) weit. Sobald eine Lampe ausfällt, springt eine Ersatzleuchte an. Das dazugehörige Oberfeuer ist ein 35 Meter hoher, sechseckiger Stahlgitterturm von 1905. Zusammen weisen sie einlaufenden Schiffen den Weg.

Unterfeuer Somfletherwisch -  Halogenlampe ein Leuchtturm kommt mit wenig Technik aus

Unterfeuer Somfletherwisch - Halogenlampe ein Leuchtturm kommt mit wenig Technik aus

Fünf Stahlgittertürme aus den Jahren 1899 bis 1907 stehen heute noch unter Denkmalschutz. Zu ihnen zählt auch das nur wenige Kilometer elbabwärts blinkende Oberfeuer Grünendeich, das mitten im Ort errichtet ist. Hier gibt es nicht nur die Kirche im Dorf, sondern im Kirchenstieg auch einen prächtigen rot-weißen Leuchtturm. Türme gleicher Bauart sind das Oberfeuer Tinsdal und das Unterfeuer Wittenbergen auf der nördlichen Elbseite am westlichen Hamburger Stadtrand. Zusammen verrichten beide ihren Dienst für auslaufende dicke Pötte.

Am niedersächsischen südlichen Ufer folgt das Oberfeuer Krautsand im Kehdinger Land. Hier steht auch noch das ehemalige Leuchtturmwärterhaus an alter Stelle. Die rund 160 Stufen der Wendeltreppe, die ins Laternenhaus führen, riechen frisch renoviert. Licht fällt durch einige große Bullaugen ein. Zunächst wurde das Leuchtfeuer mit Flüssiggas betrieben. Ende der 1920er Jahre erfolgte die Umstellung auf Elektrostrom. Eine Flüssiggas-Reservelichtquelle blieb noch 40 Jahre erhalten. Seit 1988 deutet ein Signalscheinwerfer mit nur 30 Watt den richtigen Weg. Der letzte Leuchtturmwärter auf Krautsand beendete 1977 seinen Dienst. Seitdem wird die Funktionsweise des Turms von der Verkehrszentrale Brunsbüttel auf der anderen Elbseite überwacht und gewartet. Andere Leuchttürme entlang der Strecke stehen unter der Obhut der Verkehrszentrale Cuxhaven oder der Port Authority Hamburg.

Elbe - Stahlgitterturm Oberfeuer Krautsand von 1907 im Kehdinger Land

Oberfeuer Krautsand von 1907 im Kehdinger Land

„Neben Richtfeuern gab es früher auch Quermarkenfeuer, die einen Kurswechsel ankündigten“, erzählt Horst Freese: „Derartige Türme gibt es heute nicht mehr, aber an besonders schwierigen Stellen, Flusszuläufen oder Sperrwerken sind noch Leitfeuer anzutreffen.“ Sie senden weißes (Leitsektor), rotes und grünes Licht (Warnsektoren) aus. Sobald ein Schiff sich nicht mehr im weißen Bereich befindet, muss es den Kurs korrigieren. Der schwarz-weiße Leuchtturm auf dem Deich von Twielenfleth ist so ein Leitfeuer. Sein Vorgänger überlebte den Abriss, da beherzte Bürger sich seiner annahmen. Der tonnenförmige weiße Turm stammt aus dem Jahr 1893. 90 Jahre später erlosch sein Feuer. Heute befindet sich ein kleines maritimes Museum mit winzigen Schiffsmodellen im Untergeschoss. Ein ebensolches historisches Wahrzeichen ist der Baljer Leuchtturm, der von 1904 bis 1972 als Leit- und Quermarkenfeuer im Dienst war. Er liegt mitten im Vogelschutzgebiet und kann nur im Juli und August besichtigt werden.

Leitfeuer Twielenfleth im Alten Land, seit 1986 am heutigen Standort

Leitfeuer Twielenfleth im Alten Land, seit 1986 am heutigen Standort

Ein bewegtes Leuchtturmleben hat auch die „Dicke Berta“ in Altenbruch, südlich von Cuxhaven, hinter sich. Sie wurde 1897 in Betrieb genommen und war bis 1968 das Unterfeuer zur „Schlanken Anna“. Nachdem Unter- und Oberfeuer Altenbruch neu errichtet wurden, fungierte die „Dicke Berta“ bis 1983 noch als Quermarkenfeuer. Ein Förderverein restaurierte und pflegt den pummeligen, nur 15 Meter hohen, genieteten Stahlturm. Seit 2002 dient er dazu, die Untiefen des Lebens zu umschiffen. Er ist Außenstelle des Standesamtes Cuxhaven. „128 Ehen wurden 2012 im Lampenraum geschlossen“, sagt Ulla Stark, ein Mitglied des Fördervereins. Vier Paare hat sie heute auf dem Weg ins Trauzimmer im dritten Stock begleitet. Sollte sich gerade niemand das Ja-Wort geben, dann kann man an einer Führung durch den Turm teilnehmen. Der Maschinenraum wird von einem 750-Liter-Druckluft-Kessel aus den 1950er Jahren beherrscht, der mittels einer handbetriebenen Schwungradpumpe befüllt wurde. Wozu dies nötig war, demonstriert Horst Freese zwei Etagen höher.

Oberfeuer Schlanke Anna in Altenbruch vor Cuxhaven von 1968

Oberfeuer Schlanke Anna in Altenbruch vor Cuxhaven von 1968

Im zweiten Stock steht man nicht in der Hochzeitssuite, sondern im ehemaligen Dienstzimmer des Leuchtturmwärters mit Schreibtisch und doppelstöckiger Koje. „Über ein Spiegelsystem konnte der Wärter von hieraus den Lampenraum und auch die Fahrrinne in der Elbe überwachen“, erklärt Freese. Im obersten Stock ist eine 300-Watt-Glühlampe hinter einer Gürtellinse installiert. Davor befinden sich grüne und rote Farbglassektoren für die Quermarkenbefeuerung. Jeweils daneben hängen Otterblenden, senkrecht stehende, um 90 Grad drehbare Lamellen. Sie erzeugten durch Abschatten und Durchlassen des Lichts Blitzgruppen, die Kennung des Lichtfeuers. Horst Freese dreht die Schwungradpumpe und die erzeugte Druckluft setzt die Blenden in Bewegung. Was für eine Leuchtturmromantik im Gegensatz zum nüchternen Halogenscheinwerfer im drei Jahre alten Unterfeuer Somfletherwisch.

Dicke Berta - Horst Freese erklärt die Funktionsweise der Otterblenden

Horst Freese erklärt die Funktionsweise der Otterblenden

 

 

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