Text und Fotos: Ulrich Traub
„Hie gut allweg – alten Brauches pfleg, nach Ettendorf wir reiten – wie zu Väters Zeiten.“ Hoch zu Ross spricht der Herold mit fester Stimme diese Worte und hebt seinen Stab, worauf sich eine der größten Pferde-Wallfahrten in Deutschland, begleitet vom machtvollen Geläut aller Kirchenglocken, auf ihren beschwerlichen Weg macht.
Der Herold kennt den Weg: Albert Schmied reitet seit langen Jahren beim Georgi-Ritt voraus
Es ist zehn Uhr am Ostermontag in Traunstein im Chiemgau. Auf dem Stadtplatz, zu Füßen der Pfarrkirche, hat sich eine große Menschenmenge gebildet. Und aus allen Richtungen treffen Reiter und Reiterinnen in historischen Kostümen ein. Knapp 400 prächtig geschmückte Pferde werden es schließlich sein, die dem Herold beim Traunsteiner Georgi-Ritt zur kleinen Ettendorfer Kirche folgen, die auf einem Hügel hoch über der Stadt liegt.
Der Vorsitzende des Georg-Vereins, Albert Schmied, zeigt historisches Geschirr, mit dem die Pferde geschmückt werden
Albert Schmied ist nicht nur langjähriger Vorsitzender des Georgi-Vereins, sondern genießt als solcher auch das Privileg, den Herold verkörpern zu dürfen. „Das Alleinstellungsmerkmal unseres Rittes ist – neben der Größe - die Historische Gruppe, die ich anführe.“ Dem Herold folgen bedeutende Persönlichkeiten aus der Stadtgeschichte wie der Lindl und der Eiserne Ritter, beide in Rüstungen. Sie symbolisieren die Wehrhaftigkeit der Stadt im Mittelalter. Römische Reiter sind ebenso dabei wie Landsknechte und höfische Damen. Natürlich hat auch der Heilige Georg seinen Auftritt. „Er ist der Schutzpatron der Tiere“, weiß Albert Schmied. Ein Job, den er sich mit dem Heiligen Leonhard teilt, der auch in Form von Prozessionen verehrt wird.
Georgi-Ritter: Stadtpatron Lindl begleitet von Landsknechten beim Ritt in die Stadt
„Der Georgi-Ritt hält den Wert des Tieres im Bewusstsein und spielt eine wichtige Rolle für die Bewahrung bäuerlicher Kultur“, erklärte die deutsche Unesco-Kommission 2016, als sie dieses Brauchtum ins bundesweite Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes einschrieb. Der älteste Nachweis des Traunsteiner Ritts datiert aus dem Jahr 1762. „Dass wir den Titel erhalten haben, liegt auch daran, dass im Laufe der Zeit nichts verkitscht wurde“, meint der Vorsitzende des rund 600 Mitglieder starken St.-Georg-Vereins, der dafür sorgt, dass das so bleibt. Deshalb will der Ende des 19. Jahrhunderts gegründete Verein auch weiter, die Bitten der örtlichen Brauereien Bierstände aufstellen zu dürfen, ablehnen. „Der Wallfahrt-Charakter soll bewahrt werden.“
Der Frühling ist schon da: Römer, die die Geistliche Gruppe beim Ritt begleiten, vor einem blühenden Baum
Über sieben Kilometer verläuft die Prozession, drei Hügel müssen von den Pferden gemeistert werden. Nicht einfach, wenn man auch noch Kutschen voller Musikanten ziehen muss. Trotz der Anstrengungen und trotz der nicht leisen Musik: Die Pferde blieben cool, versichert Albert Schmied. „Es sind Kaltblüter und bis auf eines nicht das erste Mal beim Ritt dabei.“
Reiten vor prächtiger Kulisse: Reiter und Reiterinnen einer Landgemeinde beim Anstieg; im Hintergrund die Chiemgauer Alpen
Den Anstieg zur Ettendorfer Kirche lohnt das famose Panorama der nahen Chiemgauer Alpen. Auf den Wiesen, auf denen schon der Löwenzahn blüht, haben es sich Schaulustige auf Decken bequem gemacht – nicht selten drei Generationen. Sie sehen einen farbenfrohen Zug vorbeiziehen, in dem gebetet, gesungen und musiziert wird. Auch die Dörfer aus der Umgebung sind mit eigenen Abordnungen in Tracht vertreten. Man erkennt sie an den stolz gezeigten Standarten mit dem Gemeindewappen. In der Fastenzeit hatten Vereinsmitglieder alle 14 Gemeinden besucht und im festlichen Rahmen von so genannten Ritt-Bitten zur Teilnahme eingeladen. Dieser Brauch ist Bestandteil des Traunsteiner Georgi-Ritts und stärkt den regionalen Zusammenhalt.
Das Etappenziel vor Augen: Ein Priester unterhalb der Ettendorfer Kirche
Der Historischen Gruppe folgt der Zug der Geistlichen mit dem Georgs-Wagen, auf dem der Heilige den Drachen erlegt. Vier Mädchen tragen das Modell der Ettendorfer Kirche, dem Ort des Bitt- und des Dankgottesdienstes. Auch lachende Kinder auf Ponys haben sich in den Zug eingereiht. Jetzt hat der Herold mit seinem Gefolge die Kirche erreicht. Von einem Treppenabsatz am Gotteshaus segnet ein Priester die Vorbeireitenden. Danach umrunden sie das Gebäude und machen sich nach einer Verschnaufpause auf den Rückweg. Am Stadtplatz erhalten Ross und Reiter dann ihren zweiten Segen. Dieses Mal sitzt der Pfarrer selbst im Sattel.
Tragende Rolle: Kinder ziehen mit einem Modell der Ettendorfer Kirche über den Stadtplatz, während der Pfarrer hoch zu Ross den Segen spendet
Um 14 Uhr marschieren die Fahnenschwinger auf die Bühne und kündigen den Auftritt der Schwerttänzer an. Deren erste, unmissverständliche Aktion ist das Präsentieren ihrer Waffen. Jetzt soll es dem Winter an den Kragen gehen. Wohl um sicherzugehen, dass es der Frühling auch wirklich schafft, findet der Tanz zweimal statt – vor und nach dem Georgi-Ritt.
Kampfvorbereitung: Noch kann der Winter (links) flüchten
Der Winter, der von zwei jungen Burschen, den Wurstln, dargestellt wird, zeigt sich zunächst noch in bester Verfassung. Die Wurstl springen wild herum und schlagen das Rad. Doch dann kommen ihnen die zahlenmäßig deutlich überlegenen Frühlingsboten bedrohlich nahe. Angeführt werden sie von einem Herren in roter Tracht. Sein Gefolge trägt blaue, grüne sowie schwarze Westen und Hosen. Es ist die Tracht der Landsknechte aus dem 16. Jahrhundert. Schließlich haben sie die beiden Wintergeister umzingelt und zielen mit ihren Schwertern auf die Hälse der Wurstl. Keine Chance, der Frühling hat gesiegt. Auf der Plattform, die die zusammengesteckten Schwerter bilden, wird der Anführer emporgehoben und dem Publikum präsentiert.
So sehen Sieger aus: Die Schwerttänzer huldigen ihrem Anführer, dem Symbol des Frühlings, und heben ihn in die Höhe
„Der Schwertertanz, der sich bis ins Jahr 1530 zurückverfolgen lässt, war ursprünglich ein eigener Brauch“, informiert Albert Schmied. Während der Säkularisation verboten, dann vergessen, sei diese Tradition in den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts wiederentdeckt worden. Seit 1926 wird sie mit dem Georgi-Ritt kombiniert. Daher gehören auch beide Bräuche zum Immateriellen Erbe Deutschlands.
Und siehe da: Schon scheint die Sonne von einem bayerisch-blauen Himmel. Der Eiserne Ritter hat seine Stadt wieder einmal vor Schlimmem bewahrt. Nun hebt er sein Visier und lächelt in die Menge. Wahrscheinlich ist er froh, dass er bald die schwere Rüstung ablegen darf. Währenddessen marschieren die Schwerttänzer stolz über den Platz. Im Schatten der Kirche sieht man den Pfarrer, wie er liebevoll sein Pferd streichelt. Und das Volk lässt es sich in den Biergärten gutgehen. Nur die Wurstln, die sucht man vergeblich . . .
Namensgeber: Engel begleiten den Wagen mit dem Heiligen Georg
Informationen
Aus aktuellem Anlass entschieden die drei Mitveranstalter des Georgi-Ritts, dass sowohl der Ritt, als auch der Schwertertanz am Ostermontag, den 13. April 2020 nicht stattfinden werden.
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