REIHE UNTERWEGS

Wie Herr Charlier zu den Schnecken kam

Auf der Schneckenfarm in Asselheim

Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther

Asselheim - Inmitten von Weinbergen liegt die Schneckenfarm von Stefan Charlier

Inmitten von Weinbergen liegt die Schneckenfarm von Stefan Charlier

Wellig ist die Landschaft links und rechts der Deutschen Weinstraße. Weinstock an Weinstock wurde hier gepflanzt; bisweilen ist das Meer aus Weinstöcken hier und da von Obstbäumen unterbrochen. Mild ist das Klima, überwiegend sonnig die Tage des Jahres. Früh blühen die Mandelbäume - Ende März bereits -, gefolgt von der Blüte der Apfelbäume. Unter Folie versteckt wartet Spargel darauf im Frühjahr gestochen, nach der jeweiligen Qualität, ob hohl, dünn oder blau, sortiert und dann vermarktet zu werden. 200 Kilo pro Tag schafft ein guter Spargelstecher – zumeist aus Rumänien oder Polen. In gebückter Haltung arbeitend und mit Kelle sowie Stecheisen ausgerüstet, geht es morgens auf die Felder, werden die Spargelbeete bearbeitet und das „weiße Gold“ eingefahren. Genau in dieser Gegend hegt und pflegt Stefan Charlier die „kriechenden Vertreter der Langsamkeit“, sorgt dafür, dass Maulwurf und Wühlmaus nicht unbedingt ein Schneckenfestmahl zelebrieren und auch dafür, dass seine Schnecken dank Klee, Senfsaat, Raps, Lupinen und Sonnenblumen prächtig wachsen.

„Langsam, aber lecker“....

Asselheim - Immer langsam voran, immer langsam voran – Weinbergschnecken in Asselheim

Immer langsam voran, immer langsam voran – Weinbergschnecken in Asselheim

... ist das Motto der ersten Weinbergschneckenfarm in der Pfalz. Helix aspersa und Helix pomatia, die gefleckte Weinbergschnecke und die Burgunderschnecke, tummeln sich ab Mai zu Tausenden auf der Freilandfläche der Schneckenfarm in Grünstadt-Asselheim. Besucher sind bei regelmäßigen Schneckentouren gerne gesehen. Selbstverständlich kann die „Pfalzschnecke“ auch verkostet werden. Man muss nur in das Restaurant „Scharfes Eck“ oder in die Weinstube „Zur Weinbergschnecke“ im Pfalzhotel Asselheim einkehren, wo zu den Schnecken – mal nach toskanischer Art, mal in Curry-Mango-Sauce – Schnecken-Secco oder ein Cuvée aus Grauburgunder Spätlese, Riesling und Scheurebe gereicht werden.

Asselheim

Als Gaumenkitzler reicht man im Pfalzhotel Variationen von Schnecken mit Kräutern, auf toskanische Art oder in einer Curry-Mango-Sauce

Eine Schneckenkönigin gibt es auch

Doch vor dem Genuss steht eine Führung zu den Schnecken von Asselheim, auf der uns Herr Charlier auch erklärt, wie er zu seinen Schnecken gekommen ist. Es war wohl Zufall und Neugier, dass das Ehepaar Charlier von einem Schneckenseminar hörte, hinfuhr und schlicht und ergreifend dann die Idee in die Tat umsetzte. Vielleicht ist es auch die Lebensart der Schnecke, die Langsamkeit, die ein Stück Pfälzer Lebensart widerspiegelt. Was liegt denn näher, als Schnecken zu züchten, wenn man denn schon mitten in einem Weinmeer lebt, mag eine weitere Erklärung dafür sein, Weinbergschnecken zu züchten und als Teil der heimischen Küche dem Gast an der Weinstraße zu servieren. Damit es mit der Vermarktung der Schnecken auch gut klappt, gibt es in Asselheim eine Schneckenkönigin mit Namen Alma I., etwas über 70, strohblond mit einer schwarzen Locke. Sie ist bei Umzügen wie dem Weinlesefest dabei und nimmt die Huldigungen der Umstehenden gerne entgegen.

Asselheim - Stefan Charlier inmitten einer Schar interessierter Besucher

Stefan Charlier inmitten einer Schar interessierter Besucher

Dort, wo sich alles um Schnecken dreht, darf auf der Terrasse des „Scharfen Ecks“ ein Schneckenbrunnen nicht fehlen, auf dem die Mitarbeiter des Hauses in Schneckengestalt ebenso verewigt wurden wie drei Schnecken, die sich ganz losgelöst von irdischen Sorgen im Schneckentanz drehen.

Asselheim - In Asselheim dreht sich alles um die Schnecke – auch die Kunst

In Asselheim dreht sich alles um die Schnecke – auch die Kunst

Die Dichtkunst würdigt die Schnecke

Nicht nur nach Asselheim haben es einige tausend Schnecken geschafft, sondern auch in die Literatur. Eher etwas für flinke Zungen ist der Zungenbrecher: „Wenn Schnecken an Schnecken schlecken, merken Schnecken zu ihrem Schrecken, dass Schnecken nicht schmecken.“ Auch der Zeichner und Maler Wilhelm Busch kam auf die Schnecken und veröffentlichte mit „Die Schnecken“ sehr amüsante Verse wie die nachfolgenden: „Rötlich dämmert es im Westen, / Und der laute Tag verklingt, /Nur dass auf den höchsten Ästen / Lieblich noch die Drossel singt. /Jetzt in dichtbelaubten Hecken, / Wo es still verborgen blieb, / Rüstet sich das Volk der Schnecken / Für den nächtlichen Betrieb.“ Stefan Charlier gibt bei Führungen auch gerne einmal einige wohl gereimte Verse zum besten, so die des deutschen Lyrikers Eugen Roth: „Der Mensch zertritt die Schnecke achtlos. / Die Schnecke ist dagegen machtlos. / Denn viel zu spät erst - beim Zerknacken / kann sie ihn beim Gewissen packen.“

Schlüpfen, wachsen und verzehrt werden

Sollen wir Stefan Charlier wirklich glauben, dass 30000 oder 40000 Schnecken beim nächtlichen Mahl schmatzen? Und dann soll das auch so klingen, als sprudele Mineralwasser in der Flasche. Kaum einer der Schneckenfarmbesucher kommt allerdings zu einer nächtlichen Tour in Asselheim vorbei, um sich das einmalige „Schneckenkonzert“ anzuhören.

Asselheim - Ein Kalkdeckel schützt die Schnecken während der Wintermonate

Ein Kalkdeckel schützt die Schnecken während der Wintermonate

Während Helix pomatia sich Zeit lässt, ehe sie ausgewachsen und geschlechtsreif ist und dann verzehrt werden kann, geht dieser Vorgang bei der Schneckenart Helix aspersa sehr viel schneller vonstatten: Nach einem halben Jahr ist ihr Schicksal besiegelt. Wenn auch der Gourmet lange auf den Genuss von Helix pomatia warten muss, so hat diese Art der Schnecke einen Vorteil gegenüber anderen: Sie kann bei Minustemperaturen im Freiland überwintern. „Sie macht im Winter einen Kalkdeckel auf ihre Schneckenhausöffnung und wenn es eine Woche schön warm ist, dann stößt sie den Kalkdeckel ab. Die Helix aspersa hingegen wird erst im Mai ausgesetzt, ist bereits im Oktober fertig für die Verarbeitung, kann aber nicht überwintern“, erklärt Stefan Charlier sachkundig. „Wir haben in den letzten Jahren in der Pfalz auch Helix aspersa gefunden, die unter großen Laubbergen überwintern.“, fährt der erste Pfälzer Schneckenfarmer in seinen Erklärungen fort.

Tagsüber scheuen sie das Licht

Auf 3000 qm tummeln sich Tausende von Schnecken, die sich tagsüber unter den ausgelegten Brettern verkriechen. Sie scheuen das Tageslicht und lieben die Nacht. Umgeben ist das Areal mit einem Zaun, der tief in den Boden versenkt ist. Das hat weniger damit zu tun, dass die Schnecken das Weite suchen, sondern damit, dass Igel und Wühlmäuse nicht eine gedeckte Festtafel vorfinden sollen. Wie die Helix aspersa kommt die Helix pomatia – in Bayern gesammelt – bei der ersten Frühlingssonne auf die Freifläche. 10000 gefleckte Weinbergschnecken sind dann in Asselheim zuhause. Ihre Artgenossen Helix aspersa haben den Winter in einem frostfreien Keller der Farm zugebracht. Wenn die Temperaturen steigen, kommt in diesen Keller Erde. Zudem werden die Tierchen gut gefüttert, sodass der Eiablage nichts mehr im Wege steht. Bis zu 30000 legen die überwinterten Schnecken.

Asselheim - Noch erfreuen sich diese Schnecken ihres Lebens und schmatzen des Nachts beim leckeren Mahl

Noch erfreuen sich diese Schnecken ihres Lebens und schmatzen des Nachts beim leckeren Mahl

Bei Nieselregen und nachts sind die Schnecken liebestoll

Dass die Schnecken Zwitter sind und wie sie sich gegenseitig begatten, erzählt Stefan Charlier nicht nur während einer Nachtwanderung bei Nieselregen. Gerade bei diesen Bedingungen sei dann allerdings auf der Farm die Hölle los: „Die Schnecken paaren sich bis zu 20 Stunden. Sie stehen dabei gegeneinander, stoßen sich einen zwei bis drei Millimeter großen Kalkpfeil in das Fleisch und verharren in dieser Stellung. Nach dem stundenlangen Liebesakt fallen die Tiere auseinander. Nach drei Wochen legen beide begatteten Tiere Eier, 30 bis 40 pro Schnecke. Nach wiederum drei bis vier Wochen krabbeln dann die ersten kleinen Schneckchen über das Gelände. Doch ihre Zeit auf Erden ist begrenzt, denn Feinschmeckern steht der Sinn nach ihnen.

 

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