Die Verrücktheit muss draußen bleiben

Reise zu den Trappistenklöstern in der Wallonie und ihrem berühmten Bier

Text und Fotos: Ulrich Traub

 

Wallonie in Belgien - Abtei Notre-Dame von Orval

Die Trappistenklöster sind Orte der Stille – mehr noch als viele andere Klöster. Aber auch für ihre Bewohner gilt die Benediktiner-Regel „Ora et labora“, Beten und Arbeiten. Und das ist auch gut so, denn den Tätigkeiten der Mönche verdanken sich nicht selten Qualitätsprodukte, die den Namen der Klöster weithin bekannt gemacht haben, zum Beispiel preisgekrönte Biere.

Trappistenkloster Chimay in der Wallonie in Belgien - Infotafel

Klöster und Bier – das ist eine sehr lange Geschichte. Auch heute gibt es noch zahllose Klosterbiere. Allerdings werden diese in den seltensten Fällen tatsächlich im Kloster gebraut. Der Gerstensaft der wenigen Trappistenabteien aber sehr wohl und das unter strengen Bedingungen. So dürfen die Biere nur unter der Regie der Mönche im Kloster selbst gebraut werden und ihr Erlös muss zu großen Teilen karitativen Zwecken zugutekommen.

In Belgien, einem Land, dessen Bierkultur seit 2016 zum Immateriellen Weltkulturerbe gehört, gibt es gleich sechs bierbrauende Trappistenklöster, paritätisch auf die Landeshälften verteilt. Eine Reise in die Heimat der drei wallonischen Trappistenbiere, die nach den Orten und nicht nach den Klöstern benannt wurden, führt in abgelegene Winkel fern der Metropolen. Dabei lernt man schnell, dass Kloster und Bier doch Zweierlei ist. Ausgeschenkt wird nur außerhalb der Klostermauern. „Wir sind eine Abtei mit einer dazugehörenden Brauerei, nicht umgekehrt“, hat ein Pater des Klosters Scourmont bei Chimay die Sache mal auf den Punkt gebracht. Soll heißen: Das Klosterinnere ist weitgehend tabu. Aber das wird den Bierfreund nicht schrecken, zumal der (Wissens-)Durst ganz in der Nähe gestillt werden kann.

Wallonie in Belgien - Kloster Saint-Remy bei Rochefort

Kirche des Klosters Saint-Remy bei Rochefort

„Sie haben das Relief vielleicht entdeckt“, fragt Pater Pierre aus dem Kloster Saint-Remy bei Rochefort und deutet auf eine kleine Maskendarstellung am alten Portal der Abtei. „La Folie symbolisiert die Verrücktheit stellvertretend für alles Weltliche.“ Das müsse draußen bleiben. Was mit Verlaub nicht ganz der Wahrheit entspricht, denn drinnen arbeitet eine Brauerei nach modernsten Methoden. „Unser Bier ist aber eigentlich gar nichts Besonderes“, meint der Mönch mit einer großen Portion Understatement. „Oder ist es vielleicht unsere Spezialhefe oder der braune und weiße Zucker, den wir dem Bier zusetzen, damit es in der Flasche gärt“, setzt er mit verschmitzter Miene hinzu. „Und unser gutes Wasser natürlich.“ Ihre Quelle mussten die Mönche noch vor Kurzem gegen die Begehrlichkeiten eines großen Kalkproduzenten verteidigen, erfährt man.

Wallonie in Belgien - Pater Pierre aus dem Kloster Saint-Remy bei Rochefort bei den Gärbottichen

Pater Pierre bei den Gärbottichen

Die Brautradition des Klosters Saint-Remy lässt sich bis ins Jahr 1595 zurückverfolgen. Das Rochefort-Bier gibt es in drei Stärken. „Rochefort 10“ ist mit einem Alkoholgehalt von 11,3 Prozent eines der stärksten Biere weit und breit. Es trägt den Beinamen „La Merveille“ (das Wunder), was sich auf seine reichen Geschmacksnuancen und den langen, warmen Abgang bezieht. Probieren lassen sich die Biere in den vielen Bistros und Restaurants der kleinen Stadt. Rochefort, mitten in den Ardennen am Flüsschen Lomme gelegen, ist ein Wanderzentrum. Und das Trappistenkloster, dessen tägliche Gottesdienste öffentlich sind, ist nur drei Kilometer entfernt.

Wallonie in Belgien - Wallonie in Belgien - Pater Pierre aus dem Kloster Saint-Remy bei Rochefort bei den Gärbottichen

Pater Pierre im Keller

Näher kommt man dem Bier bzw. dem Brauen in der 950 Jahre alten Abtei Notre-Dame von Orval, die weiter südlich an der französischen Grenze liegt. Ihr verhalf das Wasser sogar zu ihrem Namen. Ein Fisch soll einer Gräfin den Ring, den sie in einem Brunnen verloren hatte, wiedergebracht haben. Seitdem heißt dieser Ort Vallée d‘Or oder Orval, das Goldene Tal. „Dieser wasserreiche Mathildenbrunnen liefert seit je das Brauwasser“, erklärt Führerin Marie-Laure Alff. Er befindet sich am Rande des alten Klosterareals. Nebenan, in einem historischen Gebäude, informiert ein Dokumentationszentrum mit Videos in Gärbottichen originell und interaktiv über die Braukultur.

Wallonie in Belgien - Abtei Notre-Dame von Orval

Abtei Notre-Dame von Orval mit Ruine und Neubau

Die Brauerei wurde 1931 gegründet, um den Klosterneubau finanzieren zu können. Die alte Abtei war bereits zur Zeit der Französischen Revolution zerstört worden. Die pittoresken Ruinen von Kirchenschiff und Kreuzgang sind stimmungsvolle Zeugen jener Zeit. Daneben wurde das neue Kloster erbaut mit dem markanten Glockenturm und der riesigen Muttergottes-Figur über dem Kirchenportal. Den alten Klosterbereich kann man besichtigen, hier gibt es neben Kräutergarten und einer historischen Apotheke auch ein Museum in alten Gewölbekellern, in denen man angesichts fein ziselierter Kaminplatten überraschend erfährt, dass die arbeitsamen Zisterzienser, zu deren Orden die Trappisten gehören, auch über herausragende Kenntnisse in der Eisenverhüttung verfügten. „Man muss aber leider zugeben, dass in der Brasserie vor den Toren des Klosters meist mehr Betrieb herrscht als hier im Museum“, gesteht Madame Alff lächelnd. Dort wird das bitter-fruchtige Orval-Bier mit seinen kräftigen Hopfennoten ausgeschenkt. „Die Menschen wollen das Bier eben da trinken, wo es gebraut wird.“

Abtei Notre-Dame von Orval - Dokumentationszentrum

Dokumentationszentrum mit Gärbottichen

Auch die Abtei Notre-Dame de Scourmont, unweit der Stadt Chimay im Süden des Hennegaus gelegen, besitzt ein Dokumentationszentrum. Es liegt jedoch außerhalb des Klosterbezirks, einen kurzen Spazierweg entfernt. Chimay Experience heißt der noch ziemlich neue Komplex, der ausführliche Informationen über das Brauwesen und die Klostergeschichte bietet und darüber hinaus über das soziale Engagement der Trappisten aufklärt. Große Summen aus dem Verkauf der seit 1862 gebrauten Biere kommen etwa einem Behindertenzentrum in der Nachbarschaft sowie Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen in Afrika zugute. Ähnliche Projekte unterhalten auch die anderen Klöster.
Mit dieser Kenntnis schmeckt das berühmte, ungefilterte Chimay-Bier, das es in vier Standard-Varianten gibt, noch besser. Probieren kann man es in der rustikalen Auberge gleich nebenan – am besten zu einer Auswahl unterschiedlicher Käsesorten. Ein weiteres verbindendes Element der wallonischen Trappistenabteien ist nämlich die klostereigene Käseproduktion.

Wallonie in Belgien - Abtei Notre-Dame de Scourmont

Park der Abtei Notre-Dame de Scourmont

Das versteckt im Wald liegende Kloster lädt die Besucher ein, den gepflegten Park im Inneren zu besuchen. Die Grünanlage ist ein schönes Beispiel für die Liebe der Trappisten zur Natur, von der schon Pater Pierre erzählt hatte. Kirche und Friedhof – auch die dürfen besucht werden – sind dagegen von einer für die Trappisten typischen Schlichtheit. Der Liebe zur Natur könnten auch die Bierfans frönen, denn alle Klöster sind Ausgangspunkte für ausgedehnte Wanderungen.

Die Abtei von Scourmont ist übrigens das Mutterkloster der Trappistinnen des Klosters Notre-Dame de Soleilmont in Fleurus. Die Nonnen brauen zwar kein Bier, „das machen ja schon die Männer“, erfährt man vorort, aber ihr selbst gebackenes Brot erfreut sich großer Beliebtheit in den umliegenden Gemeinden und kann im Kloster gekauft werden – kurzweiliges Gespräch mit einer der Trappistinnen inklusive. „Denn wir haben immer ein offenes Ohr für die Sorgen der Menschen“, verrät Schwester Danielle. Und schließlich sei das Gespräch ja noch wichtiger als ein gutes Bier, unterstreicht sie schmunzelnd.

Wallonie in Belgien Trappistenklöster

 

Informationen

Wallonie-Tourismus: www.belgien-tourismus-wallonie.de

Trappistenklöster: www.chimay.com, www.orval.be, www.trappistes-rochefort.com

Internationale Trappistenvereinigung: www.trappist.be

Übernachten

„Villa Adélaïde“, 3-Sterne Garni-Hotel in Chimay, www.legrandreve.be

 

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