REIHE UNTERWEGS

Bellvaux - wenn ein Holländer mit japanischer Technik belgisches Bier braut

Die kleine Biervielfalt des Wil Schuwer

Text und Fotos: Karsten-Thilo Raab

Bier gilt im Belgien als ein unverzichtbarer Teil des täglichen Lebens, als ein hopfenhaltiger Genuss mit schier unendlichen Geschmacksvariationen. Denn nicht von ungefähr gibt es in dem kleinen Land gut 140 Brauereien, die insgesamt fast 500 verschiedene Biere produzieren.

Belgien - Malmedy - Brasserie de Bellevaux

Neben den üblichen Zutaten wie Wasser, Gerste, Hopfen und Malz werden den zumeist obergärigen belgischen Bieren verschiedene Gewürze und Zuckerarten beigemischt, aber auch Ungewöhnliches wie Früchte, Kräuter, Orangenschalen oder gar der Saft von Erbsen aus der Dose. Und so könnten die zumeist hochprozentigen Biere, deren genaue Rezepturen strenger Geheimhaltung unterliegen, verschiedener nicht sein. Eine Besonderheit unter den zahlreichen Brauereien des kleinen Königreichs stellt fraglos die Brasserie de Bellevaux (1) dar. Der kleine Familienbetrieb in Malmedy wird von einem Niederländer geführt, der seit dem Jahre 2007 mit Hilfe einer japanischen Brau- und einer italienische Abfüllanlage vier ganz individuelle belgische Biere braut.

Belgien - Malmedy - Brasserie de Bellevaux

„2006 haben wir mit dem Aufbau der Brauerei begonnen und das ganze Jahr hindurch experimentiert, um ein ebenso individuelles wie schmackhaftes Bier zu kreieren“, verrät Wil Schuwer, dessen Karriere als Bierbrauer sein nunmehr dritte berufliche Laufbahn in seinen bisherigen 58 Jahren des Erdendaseins bildet. Der gebürtige Holländer arbeitete lange Jahre als Apotheker im niederländischen Waalwijk, ehe er erstmals beruflich umsattelte. Nach einem abgeschlossen Jurastudium ging er schließlich nach Maastricht, wo er an der Universität als Dozent für Zivilrecht wirkte. Vor 18 Jahren zog der passionierte Bierliebhaber dann zusammen mit seiner Frau Carla und den drei Kindern ins benachbarte Belgien, wo er sein Hobby zum Beruf gemacht hat. Dabei profitierte er davon, dass in Belgien eine Ausbildung als Brauer nicht zwingend notwendig ist, um gewerbsmäßig Bier herzustellen.

Belgien - Malmedy - Brasserie de Bellevaux

„Die Leute stimmen mit dem Gaumen ab. Wenn es nicht schmeckt, wird nichts verkauft“. Wil Schuwer ist sicher, dass man mit der Herstellung von Bier nicht viel falsch machen könne. Gesundheitliche Probleme nach dem Genuss seiner Biere, die natürlich lebensmitteltechnisch überwacht werden, seien ihm auch nicht bekannt. „Es sei denn, man hatte ein, zwei Gläser zu viel“, flachst Wil Schuwer.

Belgien - Malmedy - Brasserie de Bellevaux

Wasser aus der örtlichen Quelle von Bellevaux und neun verschiedene Malzsorten sind neben Hefe und dem obligatorischen Hopfen die Grundbestandteile seiner Mischungen. Mehr möchte Will Schuwer mit Blick auf die Zusammensetzung der schmackhaften Gerstensäfte nicht verraten. Denn die genaue Rezeptur der vier Biersorten, die in den Kupferkesseln des umgebauten, ehemaligen Bauernhofs in Bellvaux gebraut werden, ist ein gut gehütetes Familiengeheimnis.

Belgien - Malmedy - Brasserie de Bellevaux

Das „Brune“ mit seinen 6,8 Prozent Alkohol und das „Blonde“ mit seinen sieben Prozent Alkohol stehen in der Tradition der belgischen Abteibiere. Daneben hält die Brasserie noch zwei Saisonbiere vor: Das im Sommer angebotene „Blanche“ ist ein leichtes Weizenbier mit 4,8 Prozent Alkohol, dem unter anderem Koriander und Orangenschalen beigemischt wurden. Das „Black“ ist ein winterliches Schwarzbier mit 6,3 Prozent Alkohol.

„Mich hat es schon als Apotheker stets mehr fasziniert, Dinge selber zu machen und Salben anzurühren, als Pillenpackungen zu verkaufen“, so der 58-jährige mit dem weißen Haar und starken Brillengläsern mit Blick auf seine Experimentierfreudigkeit. Derzeit arbeitet er an der Entwicklung eines neuen Bieres, des „Malmedey Triple“, das neun Prozent Alkohol haben wird.

„Aber noch ist es geschmacklich nicht ganz rund“, räumt Wil Schuwer freimütig ein, neben seinen eigenen Bieren auch gerne die Produkte der Konkurrenz zu testen, um sich Inspirationen und neue Ideen zu holen. Als reiner Familienbetrieb, der von der Produktion bis hin zur Auslieferung alles selbst organisiert, braucht die Entwicklung eines neuen Bieres eben etwas mehr Zeit. Zumal ja ganz nebenbei der Ausstoß von stolzen 50.000 Litern pro Jahr gebraut und abgefüllt werden will.

„In Belgien trinkt man Bier wie Wein; also weniger, um den Durst zu löschen, sondern mehr als Genuss“, erklärt Wil Schuwer mit Blick auf den hohen Alkoholgehalt belgischer Biere und ergänzt: „Unsere Biere sind nicht ganz so stark wie einige andere belgische Biere – die Leute sollen ja von hier auch bedenkenlos wieder wegfahren können.“

Belgien - Malmedy - Brasserie de Bellevaux

Für die Qualität und den guten Ruf der Biere aus der Brasserie de Bellevaux spricht die Tatsache, dass die Fromagerie du Troufleur aus dem nahe gelegenen Thirimont mit dem „Coeur de Bellevaux“ einen schmackhaften Käse produziert, bei dem neben frischer Kuhmilch die Biere der Familie Schuwer als Zutaten verwendet werden. Und auch in Malmedy selber wurden dem Gebräu unlängst ein Denkmal gesetzt – ein begehbares. Denn im Ortsteil Bellevaux starten vier gut ausgeschilderte Rundwanderwege, die nach den Biersorten der kleinen Brauerei benannt sind. Die Weglängen liegen zwischen 1,5 und zehn Kilometern und führen rund ums das Tal des Flüsschens Amel. Und natürlich liegt auch die Brasserie de Bellevaux wie zufällig an den Routen und lädt zur Einkehr ein. Schließlich macht Wandern durstig.

 

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