Albanien

Alte Mauern und viel Natur

Text und Fotos: Beate Schümann

 

Bergsee im Nationalpark Shebenik-Jabllanice, beim Shebenik-Massiv, im Osten von Albanien

Gastfreundschaft gehört zum guten Ton. Dafür ist die Stadt am Shkumbini-Fluss weithin bekannt. „Eine Frage der Ehre“, erklären Ermioni und Dashamir Qorri. Ihr Haus liegt innerhalb der historischen Stadtmauern, liebevoll restauriert, der kleine Garten blüht. Frisch frisiert, serviert die Hausherrin Ermioni auf der Terrasse im Innenhof den unverzichtbaren Türkischen Kaffee und hochprozentigen Raki.

Türkischer Kaffee mit Raki, in Elbasan am Fluss Shkmbin, Albanien

Türkischer Kaffee mit Raki

Ihre Nachbarn sind ausgewandert, auch zwei ihrer Kinder sind gegangen. Doch die Qorris bleiben. „Das ist nicht immer einfach“, sagt der ältere Dashamir, weshalb das Paar Touristen einlässt und ihnen von ihrem Leben erzählen, um die Rente aufzubessern. „Wir sind ein glückliches Haus“, betont Ermioni. Schließlich sei es von zwei Gotteshäusern umgeben. Die orthodoxe Marienkirche und die katholische Christuskirche, die von der Zerstörung religiöser Gebäude in der Hoxha-Ära verschont blieben.

Ehepaar Dashamir und Ermioni Qorri in ihrem Haus in Elbasan am Fluss Shkmbin, Albanien

Ehepaar Dashamir und Ermioni Qorri in ihrem Haus in Elbasan

Auch das Kopfsteinpflaster der Elbasaner Altstadt flüstert von Vergangenem, der Herrschaft von Griechen, Römern, Byzantinern und Osmanen. Das Südtor öffnet den Mauerring zur grellen Gegenwart. An der Prachtstraße Bulevardi Qemal Stafa mischt sich kommunistischer Städtebau wie das Hotel Skampa und uniforme Wohnblocks. Unter Palmen flanieren sonnenbebrillte Elbasaner mit Smartphones. Frauen mit Kopftüchern sind selten. Die meisten Albaner kleiden sich westlich. Und doch soll der Ruf der Muezzine wieder ertönen. Elbasan soll im Zentrum eine von der Türkei finanzierte neue Großmoschee bekommen. Die große Königsmoschee, die älteste erhaltene im Land, wird noch restauriert.

In der Altstadt von Elbasan am Fluss Shkmbin, Albanien

In der Altstadt von Elbasan

Am Stadtrand leben die Ärmeren. Dort, wo das einst gefeierte Eisenhüttenkombinat „Stahl der Partei“ offenbart, dass Elbasan einmal der größte Industriestandort Albaniens war, inzwischen eine gigantische Industrieruine. Freunde des Morbiden träumen von Event-Locations und Touristen, irgendwann.

Pater Pal Qosja erklärt die Bedeutung der Fresken, Nikolauskirche im Dorf Shelcan, bei Elbasan, Albanien

Pater Pal Qosja erklärt die Bedeutung der Fresken in der Nikolauskirche im Dorf Shelcan

Gut neun Kilometer südöstlich von Elbasan ist auch Pater Pal Qosja über die heutige Glaubensfreiheit glücklich. Im Dorf Shelcan wacht der Priester seit Jahren über ein Kleinod aus dem 14. Jahrhundert. In der orthodoxen Nikolauskirche, einer bescheidenen Hallenbasilika, zelebriert er die Bibel mit dem Zeigestock an den mit farbenprächtigen Ikonen und Gemälden bemalten Wänden, die Albaniens berühmtestem Freskomaler Onufri aus Berat zugeschrieben werden. „Ein Gottesgeschenk, dass es noch steht“, sagt der Geistliche. Als Kulturdenkmal hat es die Diktatur überlebt.

Straße zum Nationalpark Shebenik-Jabllanice, im Osten von Albanien

Straße zum Nationalpark Shebenik-Jabllanice im Osten von Albanien

Der Weg in den Shebenik-Jablanica-Nationalpark führt nur diese eine holprige, löchrige, unfertige Straße, die dem Namen „Straße“ Hohn spricht und Besucher urlaubsreif durchschüttelt. Manche fahren gar nicht erst hin. Doch wenn oben die Sommerblume blüht, schmilzt langsam der Schnee auf dem 2.261 Meter hohen Gipfel des Shebenik-Massivs. „Dann ist der Sommer nicht weit“, sagt Laurenc Tupi zu den Wanderern hinter dem Dorf Fushe-Studen, wo sich alpine Wiesen wie rote Teppiche ausbreiten. Auch von der blauen Vogelblume kennt der Albaner nur den volkstümlichen Namen. Englisch spricht er kaum, führt aber gern Besucher durch die Berge. Im Shebenik-Jabllanice-Nationalpark kennt er jeden Zentimeter, jede Blume, jeden Strauch, jeden Vogel von Kindesbeinen an.

Bergführer Laurenc Tupi beim Erklären der Fauna, Nationalpark Shebenik-Jabllanice, im Osten von Albanien

Bergführer Laurenc Tupi beim Erklären der Fauna im Nationalpark Shebenik-Jabllanice

Ob der Tourismus den erhofften Segen bringt, daran zweifelt der Albaner wie manche im Shkumbini- Tal. Im Innern seines Herzens ist er froh darüber, dass der 2008 gegründete Nationalpark mit seinem Unesco-geschützten Buchenurwald noch auf 2000 Höhenmetern, den vierzehn Gebirgsseen, den Schluchten und der großen Artenvielfalt wie Balkanveilchen oder dem bedrohten Balkanluchs so unbekannt ist. Leute, die mit lauten Geländewagen die Ruhe der Wälder stören und Picknickreste liegen lassen, mag er nicht. Und sie kommen immer häufiger.

Bergdorf Fushe-Studen im Nationalpark Shebenik-Jabllanice, unterhalb vom Shebenik-Massiv, im Osten von Albanien

Bergdorf Fushe-Studen, unterhalb vom Shebenik-Massiv

So träumt er sich die Zeit zurück, als im Tal 3000 Menschen lebten, sein Dorf noch einen Metzger und einen Bäcker hatte. Die Moschee ist stehen geblieben, doch die Bewohner wanderten bis auf dreißig Familien ab. Auch die Investruine eines Hoteliers macht wenig Mut – zu wenig Knowhow, zu wenig Personal, zu wenig Touristen.

Chefranger Juli Balla im Nationalpark Shebenik-Jabllanice, Bergdorf Fushe-Studen, unterhalb vom Shebenik-Massiv, im Osten von Albanien

Chefranger Juli Balla im Bergdorf Fushe-Studen

Überhaupt mangelt es an Infrastruktur. Für viele liegt aber genau darin der Reiz. Auch für Juli Balla, der seine Pläne für die Region schon geträumt hat. „Ohne Eigeninitiative kann nichts gelingen“, sagt der Chefranger des mit 339 Quadratkilometern größten albanischen Nationalparks, der zum Grünen Band Balkan gehört. Für den Naturschützer kann die Zukunft nur im nachhaltigen Tourismus liegen. Anders als die stark besuchten Albanischen Alpen im Norden sei das Shebenik-Jabllanice -Gebirge touristisch nie im Fokus gewesen. Eine gute Voraussetzung, findet der Naturfreund. Von der albanischen Regierung erwartet er sich nichts. Die Fördermittel versickern in dunklen Kanälen wie etwa die Gelder für die halbfertige Straße von Librazhd nach Fushe-Studen. Unterstützung kommt von Organisationen wie EuroNatur.

Restaurant "Bei Fatis" im Bergdorf Fushe-Studen im Nationalpark Shebenik-Jabllanice, unterhalb vom Shebenik-Massiv, im Osten von Albanien

Restaurant "Bei Fatis" im Bergdorf Fushe-Studen

Einige Zeichen der Veränderung sind im Dorf zu erkennen. Inzwischen gibt es ein Besucherzentrum mit Infocenter, Schulungszentrum und einfachen Schlafgelegenheiten. Im Restaurant „Bei Fatis“ serviert der Chef üppiges Frühstück und warme Mahlzeiten. In den letzten drei Jahren markierten die Ranger elf Wanderwege. Der kürzeste dauert 30 Minuten, der längste vier Stunden. „Bei uns gibt es schon einige kleine Start-ups“, freut sich der Chefranger. Wenn Laurenc Tupi aber entscheiden könnte, würde er nur Naturtouristen in den Shebenik-Jabllanice lassen. Ließe sich das verwirklichen, würde er für sie sogar eine Zipline-Anlage bauen.

Nationalpark Shebenik-Jabllanice, Rastplatz am Shebenik-Massiv, im Osten von Albanien

Rastplatz am Shebenik-Massiv

 

Informationen

Übernachtung

Besucherzentrum Shebenik-Jabllanice -Nationalpark, Fushe-Studen, 12 Gästebetten in zwei Mehrbettzimmern.

Hotel Guri, Rruga Isuf Ibershimi, Elbasan, Tel. +355 69 208 3089. Modernisierte Gründerzeitvilla in der Altstadt.

Essen & Trinken

„Bei Fatis“, Fushe-Studen. Albanische Küche mit regionalen Zutaten.

Real Scampis, Rruga Janaq Kilica 109/1, Elbasan, Tel. +355 69 822 2880. Von der Stadtmauer und Parkanlagen umgeben serviert das Restaurant ein Mix aus albanischer und internationaler Küche.

Sinani, Elbasan, Tel. +355 69 223 4094. Am Standrand von Elbasan auf einem Hügel gelegene Restaurant bietet vorzügliche albanische Küche sowie einen Traumblick auf Elbasan und das Shkumbini-Tal.

Veranstalter

Reisen mit Sinnen, www.reisenmitsinnen.de. Der Shebenik- Jabllanice-Nationalpark kann als Modul für individuelle Touren gebucht werden.

 

Website der Autorin: www.beate-schuemann.de

 

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