Urbaner Moloch
Ab nach Downtown
Kairo. Es ist kurz nach 19 Uhr, das Freitagsgebet ist vorbei. „Welcome
to Egypt, madame!“, flüstern schlacksige Jungs in dunklen
Hauseingängen. Massen schieben sich durch die Straßen.Kaum
ist die mörderische Sonne in der Sahara verschwunden, bricht
die Hölle los: In der Talaat Harb wird verkauft, was das Zeug
hält: Saddam Hussein als Marionette, adidas-Taschen, Nippon-Kameras.
Vor einem Geschäft steht einer mit einem Bauchladen und vor
dem sitzt noch einer auf dem Boden und verkauft auch irgendwas.
Und in der Alfy wird gegessen, was das Zeug hält: Kushari (eine
Mischung aus Reis, Nudeln, Linsen und Röstzwiebeln) mit Tomatensoße,
Fuul, Falafel.
Die Sraßencafés und Teehäuser sind überfüllt.
Mann zieht an der Shisha, der Wasserpfeife, wippt mit dem Fuß
und lästert über (zugegeben) spärlich bekleidete
Touristinnen.
Der Midan Orabi verwandelt sich in einen Platz, auf dem kollektives Picknick stattfindet. Ohne Alkohol in der Öffentlichkeit, versteht sich. Doch in der düsteren „Cafeteria Port Tawfiq“ rinnt er durch männliche Kehlen. Jeweils ein Stella-Lager-Bier und ein Fläschchen Rum vor sich, starrt man bei arabischem Singsang vor sich hin.
Die Mutter aller Städte muss erobert werden
Der Verkehr
umtost den Midan Tahrir, den größten oder den hässlichsten
Platz Afrikas? Ich will hinüber – auf die andere Seite.
Eine Mutprobe! Vor – wieder zurück, weiter vor, wegspringen,
auf die Hupen hören! Hupkonzerte. Hinaussschreien der Fahrtziele
aus den Minibussen. Eine urbane Sinfonie.
Doch vorwärts kommen kann man auch bequemer mit dem hupenden
Niltaxi oder Nilboot, das mit Automotor und Gangschaltung bis zum
Koptischen Viertel kreuzt.
Dort geht es ruhiger und freundlicher zu. Enge, kopfsteingepflasterte
Gassen führen durch das Viertel. In der „Hanging Church“
aus dem 4. Jahrhundert, die so genannt wurde, weil sie über
das Südwest-Tor des römischen Babylon gebaut wurde und
dort „hängt“, ist es kühl. Man sitzt auf geschnitzten
Holzbänken, oben düsen die Ventilatoren, bunte Glasfenster
lassen nur gedämpftes Licht herein. „Welcome to Egypt!“,
sagen drei Studenten. „Haben Sie schon das Kloster und die
Kirche St. Georg gesehen?“. Dort gibt es den Heiligen Georg
in allen nur erdenklichen Ausführungen, in Silber punziert,
aus Plastik, neonfarben.
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