Reiseführer Prag Tour 8: Die Prager Burg



Ein Komplex von über 60 Häusern, Palästen und Kirchen auf engstem Raum zieht Kunstliehaber und Geschichtsinteressierte gleichermaßen in ihren Bann. St. Veitskathedrale, Goldenes Gäßchen, St. Georgskloster und Königspalast zählen zu den Höhepunkten eines Pragbesuchs.

Prag Burg Bild von Lenalensen auf Pixabay

Ein wenig Geschichte

Ein Besuch der Prager Burg ist eine Begegnung mit der wechselvollen Geschichte Böhmens und der Tschechen. Bereits in der 2. Hälfte des 9. Jhs. errichteten Premysliden-Herrscher eine durch Erdwälle und Holzpalisaden geschützte vorromanische Burgstätte. Borivoj, der erste historisch belegte Premyslidenfürst, ließ mit einer der Jungfrau Maria geweihten Kirche im 9. Jh. den ersten steinernen Bau auf dem Burgareal errichten. Und im 10. Jh. entstanden die St. Georgskirche, die St. Veitsrotunde sowie - nach der Gründung des Prager Bistums 973 - auch das St. Georgskloster. Steinerne Befestiugnsmauern, an allen Seiten durch Türme geschützt, ersetzten im 12. Jahrhundert den Erdwall.

Trotz mehrfacher Umbauten im ausgehenden 12. und beginnenden 13. Jh. verfiel die Anlage zunehmend. Erst mit der Herrschaft Karls IV. und dem Aufstieg Prags zum Zentrum des Deutschen Reiches erhielt die Burg neuen Glanz. In seiner Autobiographie schrieb der Kaiser, wenn auch zweifellos in bewusster Übertreibung: "Und die Prager Burg war dermaßen verwüstet, zerstört und zerschlagen, dass sie seit der Zeit des Königs Ottokar vollständig bis auf jeden Grund vernichtet war." Nun aber wurde die gotische St. Veitskathedrale in Angriff genommen, der königliche Palast umgebaut. Doch im Zuge der Hussitenkriege verlor die Burg erneut an Bedeutung, mehrere böhmische Herrscher residierten im 15. Jh. sogar im Königshof in der Altstadt, wenngleich die Burg nie ganz aufgegeben wurde.

Unter Vladislav Jagiello nahm sie wieder ihre Stellung als königliche Residenz ein, was mit neuen Prachtbauten ("Vladislav-Gotik") und einer Modernisierung der Befestiungsanlagen verknüpft war. Ein weiterer Höhepunkt in der Geschichte des Hradschin war die Regierungszeit Rudolfs II. (1576-1612), als Prag zum letzten Mal den Kaiserhof beherbergte. Nun wurde eine rege Bautätigkeit entfaltet. Rudolf begeisterte sich für Kunst, Alchimie und Wissenschaften, er legte riesige Sammlungen an, für die er neue Räume bauen ließ (Spanischer Saal, Rudolfsgalerie) und holte bedeutende Künstler an seinen Hof. Doch seine Nachfolger wählten Wien als Zentrum des Reiches und suchten Prag nur noch gelegentlich auf.

Auch wenn Umbauten und Veränderungen auf der Burg nie ganz zum Stillstand kamen: Die folgenden Jahrhunderte sind doch eher als eine Phase der Stagnation zu betrachten. Mit der schwedischen Okkupation 1648, aber auch durch zunehmendes Desinteresse der Habsburger, schmolzen die wertvollen Sammlungen dahin, viele unersetzliche Kunstwerke wurden geraubt, gingen verloren oder wurden aus Geldmangel schlicht verkauft. In der zweiten Hälfte des 18. Jhs., nachdem die preußische Belagerung auch an der Burg große Schäden hinterlassen hatte, setzte vor allem unter Maria Theresia eine erneute Bauphase ein, die der Burg ihr heutiges Aussehen verlieh. Trotzdem konnten die Arbeiten am Dom erst 1929 abgeschlossen werden. Nachdem 1918 die Tschechoslowakei ihre Selbständigkeit erlangt hatte, diente die Prager Burg als Sitz des Präsidenten der Republik.

Durch die Burg

Prag Burg Bild von Duernsteiner auf Pixabay

Vom Hradschiner Platz betritt man den Ersten Burghof (Ehrenhof). Über die Ehrenwachen, deren Ablösung ein täglich mehrmals stattfindendes Touristenspektakel darstellt, wachen die martialischen Kämpfenden Giganten von Ignaz Platzer (1786, Kopien). Dieser Burghof ist der jüngste Teil des Burgareals. Er wurde in der 2. Hälfte des 18. Jhs. vom Wiener Hofarchitekten Nikolaus von Pacassi geplant. Die klassizistisch-nüchterne Fassade des Burgpalastes drückt den Geist der Ära Maria Theresias aus, in der die Prager Burg von der Kaiserresidenz zum Verwaltungsgebäude herabgesunken war. Nur das einst frei stehende Matthiastor, übrigens eines der ersten barocken Bauwerke Prags, erinnert noch an glanzvollere Zeiten. 1614 errichtet, sollte es den Triumph des Kaisers Matthias zum Ausdruck bringen, nachdem dieser nach langen Kämpfen und Intrigen seinen Bruder Rudolph auf dem Thron abgelöst hatte. Eine Treppe nach rechts innerhalb des Tores führt zu den Repräsentationsräumen des Präsidenten (Thron-, Brozík-, Spiegel-, Gesellschafts- und Musiksaal), die nur an wenigen Tagen zugänglich sind. Links vom Haupteingang führt ein Tor in den Basteigarten, der seinen Namen von einer mittelalterlichen Bastei aus dem 13. Jh. erhielt.

Auch der Zweite Burghof erhielt sein unpersönliches Aussehen unter Maria Theresia, als Pacassi die einst unterschiedlichen Gebäude zu einem einheitlichen Ganzen zusammenfügte. Unter anderem integrierte er eine romanische Burgmauer aus der Zeit des Fürsten Sobeslav I. (12. Jh), was in der Tordurchfahrt zum dritten Hof noch erkennbar ist. Die Gleichförmigkeit des zweiten Hofs wird nur durch die Brunnen etwas gemildert: Ein barocker Springbrunnen mit Plastiken des Kleinseitner Bildhauers Hieronymus Kohl (1686) und ein mit schmiedeeisernem Ziergitter geschmückter Ziehbrunnen aus dem Jahre 1719.

In der Südostecke des Hofs ragt die Hl-Kreuz-Kapelle (1758-63) in den Burghof hinein. In ihr war einst der wertvolle Domschatz von St. Veit untergebracht, der bereits 1069 erstmals Erwähnung fand. Heute ist hier ein Informationszentrum eingerichtet.

Der Spanische Saal und die Rudolfsgalerie, zwei repräsentative Räume aus dem Ende des 16. Jhs., sind nur zu festlichen Anlässen zugänglich. Die Rudolfsgalerie beherbergte einst die Rudolfinischen Sammlungen, deren Reste in der Burggalerie zusammengefasst wurden. Doch von der reichhaltigen Sammlung des Kunstliebhabers und Kaisers Rudolf II. sind nur noch Einzelstücke vorhanden. Teils wurden wertvolle Exponate von den Schweden 1648 geraubt, teils wurden sie 1792 zugunsten der immer leeren Staatskasse für wenig Geld versteigert. Doch immerhin sind noch Werke von Tizian und Tintoretto, Rubens und Veronese, Bartholomäus Spranger und Adriaen der Vries erhalten geblieben. Innerhalb der Burggalerie wurden auch Reste einer Kirche aus dem 9. Jh. freigelegt, bei der es sich wahrscheinlich um die Marienkirche des Fürsten Borivoj handelt, der ersten christlichen Andachtstätte der Burg.

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Im Dritten Burghof erhebt sich der mächtige St. Veitsdom, die größte Kirche Prags. An der Stelle romanischer Vorgängerbauten ließ Karl IV. diese Kathedrale nach Vorbildern französischer Gotik 1344 in Angriff nehmen. Er beauftragte damit zunächst Matthias von Arras aus Avignon, nach dessen Tod übernahm 1356 der junge Peter Parler die Bauleitung, dessen Söhne Wenzel und Johann nach 1399 die Arbeit noch ein paar Jahre fortführten. Unter der Leitung von Peter Parler entstanden der herrliche Chor mit seinem noch von Matthias begonnenen Kranz von Kapellen sowie wesentliche Teile des Hauptturms, die Wenzelskapelle sowie die Goldene Pforte. Ab dem 15. Jh. kamen die Bauarbeiten immer wieder ins Stocken und wurden schließlich ganz eingestellt. 1554 versah Bonifaz Wohlmut den Glockenturm mit einer Galerie und einer Renaissancehaube, das Langhaus wurde erst zwischen 1873 und 1929 vollendet. Die dreischiffige Kathedrale ist 124 m lang, das Querschiff 60 m breit und 33 m hoch. Der Hauptturm erreicht eine Höhe von 96,6 m.

Im Dritten Burghof steht man vor der mit vierzehn Heiligenfiguren verzierten neugotischen Westfassade. Das mittlere der drei Bronzeportale zeigt Szenen aus der Baugeschichte der Kirche, die rechte Tür ist mit Ausschnitten aus der Adalbertlegende, die linke mit Szenen aus der Wenzelslegende illustriert. Ein riesiges Rosettenfenster, 10,4 m im Durchmesser, stellt die Erschaffung der Welt dar (1921).

Die Südseite bietet die prachtvollste Fassade des Gotteshauses. Hier wächst der Südturm empor, der bis zu den Arkaden hinauf noch das Werk der Hochgotik ist. Mit der 18 t schweren Sigismund-Glocke verfügt er über die mächtigste ihrer Art in ganz Böhmen.

Die Goldene Pforte (1366/67), eine dreiteilige Vorhalle, zählt zu den herausragenden Arbeiten Peter Parlers. Durch sie zogen einst die böhmischen Könige zur Krönung in den Dom ein. Ihr Figurenschmuck ging leider verloren. Das 85 m² große Mosaik, von Karl IV. persönlich in Auftrag gegeben, stellt das Jüngste Gericht dar. Neben den Landespatronen wurden auch Karl IV. (kniend links unterhalb des Christus) und seine vierte Frau, Elisabeth von Pommern, in das Bild aufgenommen. Das Motiv des Jüngsten Gerichts wiederholte Max Svabinský 1934 auf dem großen Glasfenster über der Vorhalle.

Zahlreiche bunte Glasfenster erzeugen im Innern des hohen Kirchenraums ein geheimnisvolles Licht. Hohe Arkaden teilen ihn in drei Schiffe. Am eindrucksvollsten ist der Chor von Peter Parler mit dem grandiosen Netzgewölbe. Ein Besonderheit stellt der Chorumgang über den Arkaden dar, das Triforium. Vermutlich von Karl IV. selbst angeregt, wird es durch 21 steinerne Porträtbüsten zu einer Galerie umgedeutet. Der Kaiser stellte auf diese Weise sich und seine Vorgänger als Mittler zwischen die irdische und die himmnlische Sphäre, die durch die großen Fenster symbolisiert wird. Doch auch Büsten prominenter Zeitgenossen wie Peter Parler selbst und sein Vorgänger, Matthias von Arras, wurden hier aufgestellt. (Abgüsse von einigen Köpfen sind im Königssaal ausgestellt.) Ein etwas erhöht liegendes Außentriforium (von unten nicht erkennbar) mit Christus und Maria im Zentrum bilden das himmlische Pendant zu dieser Galerie.

Von den Seitenkapellen findet die St. Wenzelskapelle gleich neben dem Südportal die meiste Aufmerksamkeit. Peter Parler errichtete sie in den Jahren 1362-1367 an der Stelle, an der sich einst eine romanische Rotunde mit dem Grab des hl. Wenzel befunden hatte. Wandmalereien und über 1300 Halbedelsteine schmücken den unteren Teil der Wände. Ein Freskenzyklus aus dem 16. Jh. mit der Darstellung der Wenzelslegende bedeckt den oberen Teil. Die Wenzelsstatue (1373) stammt aus der Werkstatt Parlers, und auch das Grabmal des hl. Wenzel geht auf das 14. Jh. zurück. Eine schmale Pforte führt zu der über der Kapelle liegenden Kronkammer, in der die Krönungsinsignien aufbewahrt werden. Dazu gehören die mit Saphiren und Perlen geschmückte Wenzelskrone aus dem 14. Jh., goldenes Zepter und Reichsapfel, Krönungsmantel und Stola. Diese Schätze werden allerdings nur selten ausgestellt. Sieben Schlösser, deren Schlüssel an unterschiedlichen Orten aufbewahrt werden, sichern die Kleinodien.

Von der Heiligkreuzkapelle führt eine Treppe in die Königsgruft hinunter. Neben den Sarkophagen Karls IV., seiner Kinder und seiner vier Gattinnen stehen hier auch die Särge Wenzels IV., Georgs von Podebrad und Rudolfs II.

Zahlreiche sehenswerte Kunstschätze bergen die Kapellen rund um den Chor. Das Königliche (Vladislavsche) Oratorium etwa beeindruckt mit spätgotischen Astwerkformen im Gewölbe. Der aus Silber getriebene Reliquienaltar des hl. Johannes von Nepomuk wurde zu Ehren des Priesters kurz nach dessen Heiligsprechung im Jahr 1729 errichtet. Die Statue des knienden Kardinals Schwarzenberg ist ein Werk J.V.Myslbeks aus dem 19. Jh. Gleich daneben schildert ein Holzrelief die "Flucht des Winterkönigs" (1630) Friedirch von der Pfalz und zeigt im Hintergrund die Ansicht Prags im 17. Jh.

In der Mitte des Chors stößt man auf das so genannte Habsburger-Mausoleum aus der 2. Hälfte des 16. Jhs. mit den sterblichen Überresten Kaiser Ferdinands I., seiner Frau Anna und Kaiser Maximilians II. Die drei sind als liegende Figuren auf dem Grabmal dargestellt.

An den Westturm des Doms schließt sich die Alte Propstei an, die auf den Grundmauern einer romanischen Bischofspfalz steht. Ein 18 m hoher Granitmonolit erinnert an die Opfer des 1. Weltkriegs. Das Reiterstandbild des hl. Georg im Kampf mit dem Drachen gleich daneben wirkt dagegen fast zierlich. Es stammt in seiner ursprünglichen Form aus dem 14. Jh. und wurde nach Beschädigungen im 16. Jh. teilweise umgegossen.

Der Königspalast diente vom 12. bis zum Ende des 16. Jhs. als Herrschersitz. Vom ersten romanischen Bau sind noch Reste sichtbar, Um- und Anbauten erfolgten in allen nachfolgenden Jahrhunderten. Glanzstück sind die spätgotischen Räume aus der Zeit König Vladislav II. (1471-1516) im oberen Geschoß, vor allem der riesige Vladislavsaal. Der von Benedikt Ried von 1493-1502 für König Vladislav Jagiello errichtete Saal erstaunt zunächst durch seine Ausmaße: Mit 62 m Länge, 16 m Breite und 13 m Höhe war er damals der größte weltliche Raum Prags. Er war Schauplatz für Versammlungen und Festlichkeiten; wie alte Stiche zeigen, ließen sich hier aber auch Händler mit ihren Ständen nieder. Das Faszinierendste an diesem Saal ist jedoch das gewaltige Gewölbe, das ohne eine einzige Stütze den gesamaten Raum überspannt. Die vielfach verschlungenen Gewölberippen mildern die Wucht und verleihen ihm besondere Lebendigkeit. Tief im Burgfelsen verankerte massive Strebepfeiler sichern die Statik der kühnen Konstruktion.

Im Südwesten schließt sich der so genannte Ludwigstraktan, ein Anfang des 16. Jhs. ebenfalls von Benedikt Ried angebauter Seitentrakt, der die Wohngemächer des nur zeitweilig in Prag lebenden Vladislav Jagiello beherbergen sollte. Nach einem großen Brand im Jahr 1541 und der anschließenden Restaurierung zog in den ersten Stock die Böhmische Kanzlei ein, Amtssitz der habsburgischen Statthalter in Böhmen. Der berühmteste Raum dieses Trakts ist der Statthaltersaal, Schauplatz des Zweiten Prager Fenstersturzes am 23. Mai 1618. Obwohl bereits Rudolf II. den Ständen die volle Glaubensfreiheit zugesichert hatte, sahen sie sich unter Matthias I. in ihren Freiheiten immer weiter eingeschränkt. Als eine Gruppe von Beschwerdeführern am 23. Mai 1618 von den Ratsherren abgewiesen wurde, drangen sie in die Räume der Kanzlei ein und warfen kurzerhand die beiden kaiserlichen Statthalter Vilém Slawata und Jaroslav Martinitz samt ihrem Schreiber Philip Fabricius aus dem Fenster 16 m tief in den Burggraben. Alle drei überlebten den Sturz im unten angesammelten Müll. Doch das Signal zum Aufstand gegen die Habsburger war gegeben. Er endete erst mit der Niederlage gegen das katholische Heer am Weißen Berg 1620. Im zweiten Stock des Ludwigstraktes liegt die Reichshofkanzlei aus der Zeit Rudolfs II. mit Möbeln und Bildern aus dem 16.-18. Jh. Hier wurden einst die Staatsangelegenheiten des gesamten Römischen Reiches Deutscher Nation geregelt.

Die Ostseite des Vladislavsaales, der erst 1598 ein dreiteiliges Renaissanceportal erhielt, grenzt an die Allerheiligenkapelle, einen Renaissancebau, der nach dem großen Brand von 1541 einen von Peter Parler errichteten Bau ersetzte. Das Allerheiligenbild am Hauptaltar wurde 1732 von Wenzel Lorenz Reiner gemalt, der zwölfteilige Gemäldezyklus mit Szenen aus dem Leben des hl. Prokop von Christian Dittmann von Lauenstein (1669).

Rechts vom Eingang zur Kapelle gewährt eine Aussichtsterrasse einen herrlichen Blick über die Stadt.

Gleich gegenüber geht es in die Alte Landrechtsstube, ursprünglich Teil des Palastes Karls IV. Mitte des 16. Jhs. schuf Bonifaz Wohlmut diesen repräsentativen Saal mit seinem kunstvollen Rippengewölbe, in dem die Ständeversammlung und später das Oberste Landesgericht tagten. Auf der reich geschmückten Renaissance-Tribüne nahm der Oberste Landesschreiber Platz. Das Mobiliar spiegelt in seiner Anordnung die Hierarchie der "Verneuerten Landesordnung" (1627) wider, in der der katholische Glaube als einzige anerkannte Religion festgeschrieben wurde und den Ständen zugunsten einer Machterweiterung des Königs Privilegien entzogen wurden. Rechts unterhalb des Königsthrons saß der Erzbischof, die hohe Geistlichkeit musste eine Stufe tiefer auf langen Bänken Platz nehmen. Die restlichen Bänke waren dem Adel vorbehalten. Die Vertreter der Stände durften dem Geschehen nur stehend auf einer kleinen Galerie beiwohnen, was durchaus Rückschlüsse auf ihr Mitspracherecht zulässt: Sie verfügten zusammen nur über eine einzige Stimme. Gleich neben der Alten Landrechtsstube führt eine Treppe in die Kanzleien der Neuen Landtafeln, in denen die Grundbücher, Gerichtsurteile und Landtagsbeschlüsse aufbewahrt wurden.

Wenn zu besonderen Festlichkeiten im Vladislavsaal auch Reiterturniere stattfanden, konnten die Teilnehmer über die Reitertreppe (um 1500) hoch zu Roß in den Festsaal einziehen. Von künstlerischem Interesse ist vor allem ihr spätgotisches Gewölbe. Bei einem Rundgang geht man auf ihr heute hinunter in den ältesten Teil des Palastes, den Karlssaal mit Resten romanischer Vorgängerbauten, sowie in den Säulensaal Wenzels IV. Neben sehenswerten Modellen der Burg aus dem 11. bis ins 15. Jh. finden Sie hier einige Abgüsse der Parlerschen Büsten vom Triforium des Veitsdomes.

Der Mikulka-Turm an der Nordseite des Palastes zählt zu den Befestigungsanlagen des 15. Jhs. Eine Ausstellung informiert über Handwerk, Astrologie und Alchemie am Hofe Rudolfs II.

Der Dritte Burghof geht in den Georgsplatz über, an dessen Ostseite sich mit der St. Georgsbasilika eines der ältesten Gotteshäuser der Burg erhebt. Anfang des 10. Jhs. von Fürst Vratislav gegründet, wurde die Kirche in den folgenden Jahrhunderten mehrmals im Stil der jeweiligen Zeit umgebaut und ergänzt. Ein Großteil des heutigen Baubestandes stammt jedoch aus der Zeit um 1142, als die Kirche nach einem Brand erneuert wurde. Nur die barocke Fassade spricht eine andere Sprache: Sie wurde erst sehr viel später errichtet. Das Innere aber zeigt die typischen romanischen Bauformen, gekennzeichnet durch Geradlinigkeit und Schwere. Hier befinden sich auch die Grabmäler der Fürsten Vratislav (gest. um 920) und Boleslav II. (967-999). Im östlichen Chor sind Wandmalereien aus der ersten Hälfte des 13. Jhs. mit der Darstellung des Himmlischen Jerusalem erhalten geblieben. Die im Süden anschließende Ludmila-Kapelle birgt den Steinsarkophag der hl. Ludmila, der Gattin des böhmischen Fürsten Borivoj I. Sie wurde im Jahre 925 auf Betreiben ihrer Schwiegertochter mit ihrem eigenen Schleier erwürgt. Obwohl diese Tat eher machtpolitische denn religiöse Motive hatte, wurde Ludmilla später als Märtyrerin heilig gesprochen und zur "Mutter des böhmischen Volkes" erklärt. Die Krypta unter dem Ostchor weist noch Gewölbe aus dem 12. Jh. auf, eindrucksvoll ist hier eine Statue, aus deren Körper Schlangen hervorzuquellen scheinen. Die Deckenfresken in der 1718-1722 an die Südmauer angefügten Johannes-Nepomuk-Kapelle - eine Apotheose des Heiligen - stammen von Wenzel Lorenz Reiner. Das Südportal im Stil der Frührenaissance wurde Anfang des 16. Jhs. hinzugefügt und stammt aus der Bauhütte Benedikt Rieds. Sehenswert ist das spätgotische St. Georgs-Relief (Kopie).

An die Kirche schließt sich das St. Georgskloster an. Mlada, die Schwester Boleslavs II., gründete 973 dieses Benediktinerinnenkloster als erstes Frauenkloster Böhmens. Von 1963 bis 1974 aufwändig rekonstruiert, ist es heute Ausstellungsraum der Nationalgalerie und zeigt böhmische Kunst von der Gotik bis zum Barock.

Die Georgsgasse führt in den östlichen Teil der Burg, vorbei am Ehemaligen Adligen Damenstift, von Maria Theresia 1755 für in Not geratene Damen des Adels gegründet, und dem Lobkowitz-Palast mit der Ausstellung "Denkmäler der tschechischen nationalen Vergangenheit", die die Zeit von der Slawenniederlassung bis zum Jahr 1848 dokumentiert. Im Oberstburggrafenamt hatte der Oberste Landesbeamte und Stellvertreter des Königs seinen Sitz.

Prag Burg Bild von FelixMittermeier auf Pixabay

Hoch in der Gunst der Besucher steht das Goldene Gässchen (Zlatá ulicka), in dem es an manchen Sommerwochenenden kaum ein Durchkommen gibt. Die Ende des 16. Jhs. für die Burgwächter errichteten winzigen Häuschen - heute Souvenirläden -, die später auch Handwerker beherbergten, regten schon bald die Phantasie an. In unzähligen Geschichten machte man die Gasse zum Wohnsitz der Alchimisten am Hofe Rudolfs II., die hier auf der Suche nach künstlichem Gold unermüdlich mit ihren Pülverchen hantierten. Anregend wirkte das Ambiente offensichtlich auch auf Franz Kafka, der eine Zeitlang das Haus Nr. 22 bewohnte. In einem Brief an seine Verlobte schrieb er: "Und das Leben dort: es ist etwas Besonderes, sein Haus zu haben, hinter der Welt nicht die Tür des Zimmers, nicht der Wohnung, sondern gleich des Hauses abzusperren; aus der Wohnungstür geradezu in den Schnee der stillen Gasse zu treten." In diesem Haus entstanden zahlreiche Prosastücke, darunter "Ein Landarzt" und "Bericht für eine Akademie".

Benedikt Ried erbaute Ende des 15. Jhs. die beiden Türme, die das Goldene Gässchen abschließen. Der Weiße Turm diente ab 1584 als Gefängnis, unter anderem für die Anführer des fehlgeschlagenen Aufstandes von 1618, die nach der Niederlage am Weißen Berg hier eingekerkert wurden. Der Daliborka-Turm erhielt seinen Namen nach einem seiner berühmtesten Gefangenen, dem Ritter Dalibor von Kozojedy. Dieser hatte Ende des 15. Jhs. aufständische Bauern unterstützt und musste daraufhin im Kerker schmachten. Mit Geigenspiel linderte er seine Einsamkeit und lockte dabei täglich Zuhörer an, die ihn mit Essen versorgten. Seiner Hinrichtung konnte er trotzdem nicht entgehen. Bedrich Smetanas Oper "Dalibor" setzte dem berühmten Gefangenen ein musikalisches Denkmal.

Gärten um die Prager Burg

Vom Hradschiner Platz her betritt man den Paradiesgarten, einen der beiden südlichen Burggärten. Im 16. Jh. angelegt, erlaubt er ebenso wie der anschließende Wallgarten aus der zweiten Hälfte des 19. Jhs. mit seinen zahlreichen Aussichtspunkten einen prächtigen Blick auf Stadt und Burg. Der Matthiaspavillon stammt noch aus der Zeit Kaiser Matthias' (1614), seine Wandmalereien sind späteren Datums. Zwei Obelisken im Wallgarten markieren die Stelle, an der die böhmischen Statthalter beim Zweiten Prager Fenstersturz auf den Boden trafen.

Vom Zweiten Burghof gelangt man zur ehemaligen Staubbrücke, von der aus man einen Blick in den Hirschgraben werfen kann. Einst war er Teil der Befestigungsanlage, später wurde hier Jagdwild gehalten, was dem Graben seinen Namen gab.

Die ehemalige Reitschule zeigt neben wechselnden Ausstellungen tschechische Kunst des 20. Jhs. Gleich gegenüber liegt der Eingang zum Königsgarten. Er wurde 1534 im Auftrag Ferdinands I. angelegt und von seinen Nachfolgern mehrfach umgestaltet. Schon damals erregte der Garten wegen seiner seltenen, zum Teil südländischen Pflanzen, die hier gezüchtet wurden, Aufsehen. Berühmt war er vor allem für seine Tulpen. Im Löwenhof hielt Rudolf II. neben Bären und Wölfen auch Löwen, die er besonders schätzte. Das im 16. Jh. errichtete Ballhaus ist mit sehenswerten Sgraffiti bedeckt, es dient heute wechselnden Ausstellungen. Die Darstellung der "Nacht", eine Statuengruppe Anton Brauns, stammt aus dem Jahre 1734.

Architektonischer Höhepunkt des Gartens ist das Belvedere, das Lustschloß der Königin Anna. Ferdinand I. ließ dieses herrliche Beispiel italienischer Renaissancebaukunst Mitte des 16. Jhs. für seine Gattin errichten. Das geschweifte Dach und der offene Arkadengang bedeuteten für das damals noch durchweg mittelalterliche Gesicht Prags eine architektonische Revolution. Die Leichtigkeit und Heiterkeit, die sie dem an sich massiven Bau verleihen, setzt sich in den Details fort, etwa in den fein gearbeiteten Reliefs zwischen den Arkadenbögen, auf denen mythologische und Jagdszenen dargestellt sind.

Der Singende Brunnen vor dem Belvedere stammt ebenfalls aus der Mitte des 16. Jhs. Die feinen Wasserstrahlen, die aus Tierköpfen und Masken herausspritzen, erzeugen beim Aufprall in die Schale einen feinen Ton, den man (leider nicht immer) hören kann, wenn man unterhalb des Wasserbeckens kniet.


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