Reiseführer Prag Tour 13: Auf dem Vyšehrad



Von dem legendären Sitz der ersten tschechischen Herrscher lässt sich heute ein schöner Rundblick auf Prag und die Moldau genießen. Der künstlerisch aufwändig gestaltete Friedhof des Vyšehrad dient namhaften tschechischen Persönlichkeiten wie Mucha, Smetana und Neruda als letzte Ruhestätte.

Bereits Libussa, die legendäre Begründerin des Herrschergeschlechts der Přemysliden, die bis ins 13. Jh. hinein in ununterbrochener Folge Fürsten und Könige des Landes stellten, soll auf dem Vyšehrad ihren Sitz gehabt haben. Tatsächlich wurde an dieser strategisch günstigen Stelle hoch über der Moldau wohl bereits im 10. Jh. eine altslawische Burg errichtet, Fürst Vratislav II. (1061-1092) baute sie zum Fürstensitz aus und verlegte seine Residenz von der Prager Burg hierher. Um den Herrscherpalast entstand ein religiöses Zentrum, das vor allem im 11. und 12. Jh. zu einem wichtigen Bildungszentrum Böhmens wurde.

Nach 1140 bevorzugten die Přemyslidenherrscher wieder den Hradschin, und der Vyšehrad verlor immer mehr an Bedeutung. Erst Karl IV. konnte diese Entwicklung aufhalten. Er sah sich als Erbe der Přemysliden und wollte von ihrem Ruhm profitieren. So ließ er den Königspalast erneuern und verband das Terrain mit den Befestigungsanlagen der Neustadt. Doch im 15. Jh. fielen fast sämtliche Bauten den Hussitenkriegen zum Opfer. Im 17. Jh. wurde die Anlage noch einmal zu einer Barockfestung mit einer aus Backsteinen gemauerten Verteidigungsanlage ausgebaut, 1866 schließlich schleifte man die Zitadelle entgültig.

Das frühbarocke Tábor-Tor (Táborská brána) aus dem Jahr 1655 ist der Zugang zu den vorgeschobenen Festungsanlagen im Süden. Kurz dahinter kann man noch Teile der alten Festungsanlage erkennen, darunter auch die Überreste des gotischen Špička-Tors. Das Leopold-Tor (Leopoldova brána) von 1678 gehört bereits zur barocken Zitadelle. Kurz danach erhebt sich rechts des Weges mit der St. Martinsrotunde (Rotunda sv. Martina) aus der zweiten Hälfte des 11. Jhs. das älteste Gebäude der Anlage. Die Kirche St. Peter und Paul (Kostel sv. Petra a Pavla) erhebt sich über den Resten einer romanischen Basilika aus dem 11. Jh. und wurde im Laufe der Jahrhunderte mehrfach erneuert, zuletzt Ende des 19. / Anfang des 20. Jhs. Damals entstanden auch die beiden neogotischen Türme, die die Silhouette des Vyšehrad nachhaltig prägen. Von Interesse im Inneren sind ein gotisches Tafelbild aus der zweiten Hälfte des 14. Jhs. (dritte Kapelle im südlichen Seitenschiff), die so genannte "Regenmadonna", die bei lang anhaltender Trockenheit angefleht wurde, sowie ein Steinsarkophag aus der ersten Hälfte des 12. Jhs., in dem einer der Přemyslidenherrscher beigesetzt sein soll (erste Kapelle des südlichen Seitenschiffs).

Der an die Kirche anschließende Ehrenfriedhof dient nicht nur als letzte Ruhestätte zahlreicher namhafter Tschechen, viele der Grabstätten sind selbst kleine Kunstwerke. Die Liste berühmter Namen ist lang: Komponisten wie Antonín Dvořák, und Bedřich Smetana, Schriftsteller wie Božena Němcová, Karel Čapek, Jan Neruda, Svatopluk Čech und Vítěszlav Nezval oder Maler wie Mikoláš Aleš und Alfons Mucha gehören dazu. Am südöstlichen Ende des Friedhofs erhebt sich die monumentale Ehrengruft, der Slavín, in der herausragendne Personen der tschechischen Kulturgeschichte begraben liegen, darunter Alfons Mucha, Josef Václav Myslbek, Ladislav Šaloun, Jan Štursa, Jan Vrchlický und F.E.Burian. Zwie Frauenfiguren verkörpern die "Jubelnde" und die "Trauernde Heimat".

Ein Barockportal führt in die Vyšehrader Anlagen auf der anderen Seite der Kirche. Die vier Figurengruppen von Josef Myslbek, Gestalten aus der tschechischen Sagenwelt, darunter Libussa und Přemysl, zierten einst die Palacký-Brücke.

Vorbei an einer alten Brunnenanlage kommt man zu einem stark zerstörten Wachgebäude, im Volksmund Libussas Bad genannt. Hier soll die legendäre Seherin mit ihren "Gespielen" gebadet haben - um sie durch einen Felsspalt in die Moldau zu stoßen, wenn sie ihrer überdrüssig war. In schnöder Realität war der Vorsprung hoch über der Moldau wohl eher ein einfacher Ausguck. Außerdem wurden durch die Spalte Lebensmittel, die von Schiffen über die Moldau gebracht wurden, zur Burg hinaufgezogen. In einer Galerie gleich daneben wird zeitgenössische Malerei ausgestellt. Der südliche Teil der Verteidigungsanlage erlaubt einen weiten Blick auf die Moldau und große Teile Prags.

Eine kleine Ausstellung zur Geschichte der Festung findet man im Ziegeltor.

Liebhaber moderner Architektur des 20. Jhs. finden auf dem Rückweg unterhalb des Vyšehrad einige interessante Bauten. Das Eckhaus Přemyslova / Neklanova (Nr. 30) stammt von dem wohl radikalsten tschechischen Vertreter des Kubismus, Josef Chochol. Zur gleichen Zeit (1911-13) errichtete er ganz in der Nähe weitere kubistische Gebäude: In der Libušina Nr. 3 sowie, direkt an der Moldau, Rašínovo nabřeží Nr. 10 ein aus drei Häusern bestehendes Objekt mit einer Figurengruppe am Dach.


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