Reiseführer Prag Tour 12: Durch die untere Neustadt



Vorbei am Smetana-Theater und dem sehenswerten Jugenstil-Hauptbahnhof führt unser Weg zur Jubiläumssynagoge und zum Masaryk-Bahnhof. Nach einem Besuch des Museums der Stadt Prag und der Peterskirche endet der Spaziergang am Pulverturm.

Prag Tanzendes Haus Bild von Lenka Sevcikova auf Pixabay

Ausgangspunkt dieses Spaziergangs ist das untere Ende des Wenzelsplatzes. Jenseits der breiten Wilsonova erhebt sich das moderne, auf Stelzen stehende Gebäude des ehemaligen tschechoslowakischen Parlaments. Gleich daneben das Smetana-Theater (Státní Opera, ursprünglich "Neues Deutsches Theater"), ein Neorenaissancebau des ausgehenden 19. Jhs. Hier werden heute fast ausschließlich Opern aufgeführt. In der gegenüber liegenden Straße Politických věnzňů wird man mit dem Petschek-Palast, dem heutigen Ausßenhandelsministerium (Nr. 20), mit einem der durnkelsten Kapitel der deutschen Geschichte konfrontiert. Hier hatte während der Zeit der deutschen Besatzung 1939-45 die Gestapo ihren Sitz, hier fanden Verhöre statt, hier wurde gefoltert.

Der Hauptbahnhof (Hlavní nádraží, Wilson-Bahnhof), 1901-1909 nach einem Entwurd von Josef Fanta erbaut, gehört zu den sehenswertesten Jugendstilbauten Prags. Nach der eindrucksvollen verglasten Fassade, die von zwei mit Figuren geschmückten Türmen flankiert wird, verdient vor allem die von einer riesigen Kuppel überwölbte Bahnhofshalle Beachtung.

In der kleinen Jerusalémská erhebt sich die Jubiläumssynagoge (Velká synagoga), ein exotisch anmutendes Gebäude. Ihren Namen erhielt sie anlässlich des 50. Jubiläums der Thronbesteigung Kaiser Franz Josefs I. Die im Jahre 1905 errichtete Synagoge greift, ganz der verspielten Art des Jugendstils gemäß, maurische Bauformen auf.

Der Heinrichsturm, ein imposanter gotischer Glockenturm, wurde erst 125 Jahre nach der dazugehörigen Kirche, der St. Heinrichskirche (Kostel sv. Jindřicha) aus dem Jahr 1384 errichtet. Einst Hauptkirche der Neustadt, erlebte sie in den folgenden Jahrhunderten mehrere Umbauten.

Der ehemalige Heumarkt oder Heuwaagsplatz und spätere Gorki-Platz, heute Senovážné náměstí genannt, ist der dritte große Platz der Neustadt. Seine heutige Bebauung stammt aus der Zeit um 1900. Vor allem an seiner Nordseite sind sehenswerte Bauten erhalten geblieben, so der mächtige Neorenaissance-Bau der ehemligen Hypothekenbank (heute ein Postamt) oder ein Jugendstilgebäude (Nr. 11) mit zarten Malereien und kunstvollen schmiedeeisernen Arbeiten.

Vom Senovážné náměstí gelangt man über die Dlážděná zum traditionsreichen Café Arco an der Ecke Hybernská, das aber vor allem von seiner Vergangenheit lebt: Die Gästeliste weist die Namen fast aller Größen der Prager Literaturszene auf: Max Brod und Franz Werfel, Egon Erwin Kisch und Franz Kafka.

Ein kleiner Abstecher nach links in die Hybernská führt zunächst zum ehemaligen Kinsky-Palast (Lidový Dům), einen Frühbarockbau aus der Zeit um 1660 von Carlo Lurago, in dem im Jahr 1912 unter Leitung von W. I. Lenin die Prager Konferenz der Sozialdemokratischen Partei Russlands stattfand. Das ehemalige Hotel Central (Nr. 10) zählt mit seiner edlen Fassade zu den schönsten Jugendstilbauten der Stadt (Architekten Ohmann, Bendelmeyer und Dryak). Am klassizistischen Sweerts-Sporck-Palast (Nr. 3), errichtet zwischen 1780 und 1790, sind neben reichem Fassadenschmuck Plastiken aus der Werkstatt Ignaz Platzers d.J. von Interesse.

Der Masaryk-Bahnhof in der Havličkova, ein schönes spätklassizistisches Bauwerk aus der Zeit der beginnenden Industrialisierung Böhmens, war der erste Prager Bahnhof. Am 20. August 1845 fuhr hier der erste Zug ein.

Jenseits der Wilsonova, der großen Magistrale, kommen im Museum der Hauptstadt Prag diejenigen auf ihre Kosten, die sich für die Stadtentwicklung Prags interessieren. Neben dem Original-Kalendarium der Altstädter Uhr von Josef Mánes beeindruckt vor allem das "Langweilsche Modell", ein 20 m großes Modell der Stadt, anhand dessen man das Aussehen Prags zu Beginn des 19. Jhs. bis ins Detail nachvollziehen kann. Acht Jahre, von 1826-34 arbeitete der Lithograph A. Langweil an diesem Werk.

In der Straße Na poříčí fällt die rondokubistische Fassade der ehemaligen Legiobank (Nr. 24) ins Auge. Ihre plastisch-runden Formen prägten den "Legiobank-Stil". Ein Skulpturengruppe (Jan Stursa) und ein Krieger-Fries (Otto Gutfreund) erhöhen den repräsentativen Eindruck. Die Biskupská führt zum Petersplatz (Petrské náměstí). Schon im 11. Jh. hatten sich hier deutsche Kaufleute niedergelassen. Von der weit zurückreichenden Geschichte dieser Gegend zeugt die Kirche St. Peter am Poříčí (Kostel na Poříčí), deren älteste romanische Bauteile aus der Mitte des 12. Jhs. stammen. Die mehrfach umgebaute Kirche ist meist geschlossen, wer das Glück hat sie offen zu finden, kann am Hauptaltar ein Gemälde von Lorenz Wenzel Reiner aus dem Jahr 1730 bewundern: Der hl. Petrus mit Jesus Christus. Der freistehende Glockenturm wurde erst 1598 errichtet. Beachtung verdient auch das der Kirche gegenüberliegende Pfarrhaus (Architekt Antonín Wiehl, 1893) mit seinen Sgraffitiverzierungen.

Wer nicht über die Petrská und Truhlářská auf direktem Wege zum Endpunkt der Tour, dem Pulverturm gelangen möchte, dem sei ein kleiner Umweg zur St. Klemenskirche (Kostel sv. Klimenta) empfohlen. In der Umgebung dieser ursprünglich romanischen Kirche siedleten sich Mitte des 13. Jhs. Dominikaner an, bevor sie in die Altstadt überwechselten. Philatelisten werden im benachbarten Briefmarkenmuseum auf ihre Kosten kommen. Die Wandmalereien in dieser ehemaligen mittelalterlichen Mühle (auch Vávra-Haus genannt) stammen von Josef Navrátil (1847), einem bedeutenden Vertreter der tschechischen Genremalerei. Der Turm gegenüber war einst Bestandteil des Unteren Neustädter Wasserwerks und wurde bereits Anfang des 17. Jhs. errichtet. Über die breite Revoluční, die Grenze zwischen Alt- und Neustadt, gelangt man zum Platz der Republik.


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