VenuswurfRom um die Jahrtausendwende. Die Ermordung Caesars hat nicht den erhofften Frieden gebracht. Das Triumvirat bricht zusammen, Octavian wird nach dem erfolgreichen Krieg gegen Antonius und Cleopatra zuerst Konsul, dann Pontifex Maximus, sprich: Kaiser Augustus. Nicht mehr die Republik, sondern der Streit um die Vorherrschaft der Julier über die angeheiratete Familie der Claudier beherrscht die Gassen der Subura ebenso wie die edlen Familien auf dem Palatin. Mitten hinein in diese Intrigen aus Spionage und Gegenspionage gerät Tertia, als sie, eine Zwergin vom Lande, von ihren Eltern als Sklavin in die Stadt verkauft wird. Lycus erwirbt die drollige Missgeburt zunächst für sein Bordell, wo die Landpomeranze als Mädchen für alles ihre schnelle Auffassungsgabe schult. Arellius, einstmals hoch angesehener Maler der Tochter des Augustus und nach ihrer Verbannung in Ungnade gefallen, wird ihr väterlicher Freund, die Gauklertruppe des Lycus ihre Lehrer. Doch kurz währt die Ausbildung, denn ihr Herr braucht Fürbitter. Und diesen macht man nun einmal Geschenke. So landet die amüsante und spitzzüngige Kleinwüchsige bei Julilla, der Enkelin des Princeps. Und inmitten des gegenseitigen Belauerns zwischen ihr und der angeheirateten Großmutter Livia Drusilla, die ihren Sohn Tiberius statt der Julier auf dem Thron wissen will. Das Leben in einer Weltmacht zwischen Dekadenz und Elend zeigt Tanja Kinkel in ihrem neuen Roman aus dem Blickwinkel der „kleinen Leute“, denn körperliche Größe und Sklavenstatus bewirken, dass man unsichtbar, wertlos und leicht zu übersehen ist. Doch gerade das öffnet den Blick für Dinge, die manch anderem verborgen bleiben. Anschauliches römisches Leben und die wie Spinnenweben feinen Grenzen von Macht und Einfluss werden geschichtlich interessierte Leser ebenso fesseln wie die Freunde eines guten „Schmökers“. Wenngleich der erfolgreichen Autorin mit ihrem neuesten Werk nicht unbedingt der besagte Venuswurf gelungen ist, so bleibt die Geschichte doch trotz kleinerer Spannungsabfälle lesenswert, insbesondere, weil die Lesermeinung über die Protagonisten nicht von vorn herein feststeht, sondern im Verlaufe der Handlung durch variierende und widersprüchliche Impulse in Frage gestellt wird. Fazit: 494 wohl recherchierte Seiten Urlaubslektüre zum Versinken. hf@saw Tanja Kinkel: Venuswurf. Knaur-Verlag. ISBN 3426635062. 8,95 Euro. |