Der Schwur der Barbaren -
oder: Ist Algerien schon tot?

Algerien ist schon seit langer Zeit kein empfehlenswertes Reiseziel. Das sagt das Auswärtige Amt, und das belegen die spärlichen Nachrichten, die von dort zu uns herdringen. Auch die große Weltpolitik zeigt derzeit kein gesteigertes Interesse an diesem Land, und deshalb bleibt vieles für uns im Dunkeln. Zum Glück gibt es hin und wieder ein Buch, das eine ganze Reise und obendrein die neunmalklugen Analysen eines halben Dutzend Journalisten ersetzt. Wie dieser Roman, der mehr über die Zustände im Algerien von heute und im Algerien der vergangenen vier Jahrzehnte verrät, als man in diesen und vielen Jahren mehr vernehmen konnte. Es ist eine großartige Lektüre, wenn auch beileibe keine angenehme: Der altgediente Polizeikommissar Larbi stolpert in einem Mordfall über so viel Ungereimtes, dass sich daran der katastrophale Zustand einer ganzen Nation entfaltet. Und an diesem Zustand lässt der Roman kein gutes Haar: „Algerien ist längst unter der Lüge gestorben; doch das ist nur die Wahrheit der Unglücklichen, die Lügner leben königlich von seinen sterblichen Überresten.“

Boualem Sansal, der Autor, muss ein mutiger Mann sein. Er arbeitet als Ministerialbeamter in Algier und schreibt diesen spannenden Polit-Krimi mit einer so schonungslosen Offenheit, dass sich die freie Presse hierzulande bei ihm ein wenig Nachhilfe in kritischer Berichterstattung holen könnte. Seine bissigen Ausführungen machen vor nichts und niemandem halt: „Dieses Land ist kein heiteres Land; ein böser Fluch hält es in den Niederungen des Lebens gefangen, und sein Volk, an seine Ketten geschmiedet, schleicht umher wie ein Gespenst durch sein Revier.“ Aber Sansal ist nicht nur mutig und kritisch, er ist auch ein großartiger, sprachgewaltiger Schriftsteller, der für sein Werk in Frankreich zahlreiche Literaturpreise erhalten hat. Fazit: ein fabelhafter Kriminalroman über die grauenhaften Zustände in einem Land, das nur scheinbar so fern von uns liegt.

vm@saw

Boualem Sansal: Der Schwur der Barbaren. Roman. Merlin Verlag 2003. ISBN 3-87536-229-2, 468 Seiten, 23,00 Euro.

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