Turkmenistan im Überblick

Zumeist waren es Berichte über die bizarren Allüren der Machthaber, dann und wann auch imponierende Zahlen aus dem Erdgasgeschäft, die uns erreichten, doch vom Land selbst blieben nur nebelhafte Umrisse. Und das war durchaus gewollt, betreibt das Regime doch seit Jahren systematisch die Abschottung seiner Bevölkerung von auswärtigen Einflüssen. Kontakte mit Fremden unterliegen strenger Kontrolle und so wird es auch den wenigen Besuchern zwischen Kaspischem Meer und Amudarja nicht gerade leicht gemacht.

Turkmenistan, Am Unabhängigkeitsdenkmal

Am Unabhängigkeitsdenkmal
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Dabei hat das Land an der historischen Seidenstraße eine Fülle hinreißender Landschaften zu bieten und es gibt Welterbestätten, hochinteressante archäologische Ausgrabungen, prächtige Bauwerke und Stadtanlagen zu erkunden und die Spuren der Großen ihrer Zeit zu entdecken – von Makedonen-König Alexander und Mongolen-Herrscher Dschingis Khan bis zum Reichsgründer Timur, der den Islam brachte.

Doch auch die – nach eigener Einschätzung – Großen unserer Zeit, Saparmurat Nijasow, der sich zum Führer aller Turkmenen der Welt, zum „Türkmenbaşi“, ausrief, und sein nicht minder prahlerischer Nachfolger Gurbanguly Berdimuhamedow haben sich nachhaltig verewigt. Nirgendwo fällt das mehr ins Auge als in der Hauptstadt Aşgabat, wo vermeintlich Identifikation stiftende Bauten und hemmungsloser Personenkult ein Stadtbild entstehen ließen, das ein konsternierter Besucher „irgendwo zwischen Las Vegas und Pjöngjang“ einzuordnen versuchte. Astana, Kasachstans in die Steppe gestellte Glitzermetropole, könnte Vorbild gewesen sein und gewiss hat man auch ein Auge auf Dubai geworfen. Es ist ein größenwahnsinniges Hin und Her zwischen kalter, schöner Pracht und traditionellen architektonischen Motiven, zwischen wuchtigen, fast schon brutalen Mausoleen und vergoldeten Statuen, schneeweißen Marmorfassaden und ausgedehnten Grünflächen, leeren Boulevards und aufwändig bewegten Wasserspielen. Eine Stadtrundfahrt berührt die wichtigsten Bauten, darunter auch ein Denkmal für Nijazows literarisches Werk „Ruhnama“ und Buchhandlungen, vollgestopft mit Werken des „Türkmenbaşi“. Einen Besuch lohnt das Nationalmuseum für Geschichte mit einer Vielzahl archäologischer, geologischer und ethnologischer Exponate, darunter Vasen, Teppiche, Trachten, Waffen, Haushaltsgegenstände, Dokumente, Gemälde etc. und das Nationale Teppichmuseum zeigt alle Arten und Größen der berühmten turkmenischen Teppichproduktion vom Mittelalter bis in unsere Zeit. Interessant auch das Earthquake Museum, das zum Andenken an die mehr als 100.000 Opfer errichtet wurde, die 1948 ein Erdbeben der Stärke neun forderte. Die Stadt wurde damals dem Erdboden gleich gemacht. Sie war erst 1881 als russischer Militärstützpunkt errichtet worden und diente bis 1918 als Verwaltungszentrum der Transkaspischen Region Russlands. Nach dem verheerenden Erdbeben wurde sie im „stalinistischen“ Stil wieder aufgebaut.

Turkmenistan, Prachtboulevard

Prachtboulevard
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Nach Nisa und zum Kaspischen Meer

Ein paar Kilometer westlich der Hauptstadt liegt ein ausgedehntes Grabungsgelände mit den Überresten der antiken Stadt Nisa, einst Zentrum des iranischen Reitervolks der Parther. Sie kontrollierten den wichtigen West-Ost-Handel. Ihr Reich erstreckte sich zeitweise über ganz Iran und Mesopotamien. Da ihre Westgrenze am Euphrat römisches Interessengebiet berührte, kam es dort über viele Jahrzehnte zu heftigen Kämpfen mit den Legionen Roms. Freigelegt wurden Kasernen, Tempel und ein königlicher Palast sowie eine Festung mit meterdicken Wällen aus Stampflehm. Sie belegen das enge Zusammenwirken von kulturellen Einflüssen aus Zentralasien und der Welt am Mittelmeer. Nisa steht auf der Liste des Weltkulturerbes. Nahebei liegt das kleine Dorf Kiptschak/Gypjak, der Geburtsort des Saparmurat Nijasow. Turkmenistans erster Präsident ließ dort ein pompöses Familienmausoleum und eine noch gewaltigere Moschee, die größte in Zentralasien, errichten und auch ein Nijasow-Denkmal fehlt nicht.

Moschee und Mausoleum in Kiptschak
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Eine weitere nach ihm benannte Moschee als nicht zu übersehende Landmarke hinterließ der unermüdliche Selbstdarsteller und erste Präsident in Geok Tepe zur Erinnerung an die 1881 gefallenen Verteidiger der örtlichen Festung.

Entlang der mit Trockenwald bestandenen Bergzüge des Kopet Dag, der bekannt ist für seine starken seismischen Aktivitäten und seine enorme Pflanzenvielfalt – allein 332 endemische Pflanzen wachsen hier – und als Rückzugsgebiet vom Aussterben bedrohter Tiere wie Leopard, Indisches Stachelschwein, Turkmenische Wildziege geht die Fahrt nun weiter nach Dehistan, einer einst bedeutenden Stadt an der Karawanenroute vom persischen Gorgan in die Khorezm-Region südlich des Aral-Sees. Ihre große Zeit war zwischen dem 10. und 14. Jahrhundert, im 15. wurde sie von den Einwohnern verlassen. Zeugen ihrer Blütezeit sind die Ruinen von Minaretten und Moscheen, die Doppelreihe ihrer Stadtwälle.

Balkanabat am Fuß der kahlen Felsen der Balkan-Berge ist der Hauptort der Provinz Balkan im äußersten Westen Turkmenistans. Von hier gibt es eine direkte Verbindung an die Küste des Kaspischen Meeres nach Krasnovodsk, wie die Stadt zu Sowjetzeiten hieß, ehe der große Steuermann Nijasow ihr seinen Ehrentitel „Türkmenbaşi“ aufdrängte.

Türkmenbaşi mit rund 100.000 Einwohnern ist Turkmenistans einzige große Hafenstadt am Kaspischen Meer. Hier beginnt die Transkaspische Eisenbahn, die den Süden des Landes von West nach Ost durchquert und im usbekischen Buchara endet. Der Hafen hat große Bedeutung für den Warenverkehr und Personentransport. Fährschiffe fahren hinüber ins aserbaidschanische Baku und in die südrussische Stadt Astrachan im Wolgadelta. Der Hafen wird zur Zeit erheblich erweitert und modernisiert (2017 soll alles fertig sein) und zugleich wird an dem Prestigeprojekt „Avaza National Tourist Zone“ weiter gebaut. Das von Nijasow – wer kann es anders sein – initiierte Vorhaben etwa 12 km westlich der Stadt soll einmal ein florierendes Touristenzentrum werden. Unabhängige Experten freilich haben so ihre Zweifel, ob „Avaza“ das erhoffte Erfolgsmodell sein wird. Bisher jedenfalls glänzt es mit niedrigen Belegungsquoten und dem Ausbleiben devisenträchtiger ausländischer Touristen. Warum sollten sie auch auf umständlichen Wegen unbedingt hierher kommen, dafür Visazwänge, eingeschränkte Bewegungsfreiheit und andere Unannehmlichkeiten in Kauf nehmen? Für einheimische Urlauber ist das Resort viel zu teuer – abgesehen von ein paar Gutbetuchten. Man rettet sich derzeit mit Konferenzen, Festivals und Business-Foren über die Runden.

In Kunya-Urgench

Gut eine Stunde dauert der Flug von Türkmenbaşi in den nördlichsten Winkel des Landes, nach Daşoguz. Dank der Nähe zum Amudarja-Fluss gedeiht im Umfeld der Stadt Baumwolle und Jute. Für Besucher ist die Provinzmetropole ein geeigneter Ausgangspunkt für eine Tour nach Kunya-Urgench, einem bedeutenden mittelalterlichen Handelszentrum an der Seidenstraße, dessen Ruinen noch heute beeindrucken. Dazu gehören Moscheen, die Tore einer Karawanserei, Befestigungen, prachtvolle Mausoleen und ein 64 m hohes Minarett vom Anfang des 14. Jahrhunderts. Bautechniken und Ausschmückungen der islamischen Architektur Zentralasiens sind hier beispielhaft vertreten. Ihr Einfluss reichte bis in den Iran und nach Afghanistan und spiegelte sich auch in der Architektur des Mogul-Reiches im Indien des 16. Jahrhunderts wider. Kunja-Urgench wurde 2005 in die Liste des Weltkulturerbes aufgenommen.

Turkmenistan, Transkaspisches Bergschaf

Transkaspisches Bergschaf
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Am Amudarja und bei den Dinosauriern

In die Provinz Lebap und ihre Hauptstadt Türkmenabat schafft es die Maschine der turkmenischen Airline von Daşoguz in 55 Minuten. Die Stadt auf den Ufern des Amudarja hatte eine Vorgängerin namens Amul, die am Handel der Seidenstraße Teil hatte, von Dschingis Khan 1221 zerstört wurde und erst viele Jahrhunderte später unter dem Zarenregime wiedergeboren wurde. Seit 1999 heißt sie Türkmenabat und seit 2009 fließt von hier durch eine Pipeline turkmenisches Erdgas nach China.

Die mehrstündige Anfahrt von Türkmenabat zum Koytendag Nature Reserve an der Grenze zu Usbekistan folgt dem breiten Flussbett des Amudarja, der an seinen Ufern fruchtbaren Boden aufgespült hat, aber nur auf einem schmalen Streifen, jenseits flimmert zu beiden Seiten endlose Sandwüste. Am Weg liegt das Astana-Baba Mausoleum, das an einen Mann erinnert, von dem niemand weiß, wer er war. Der im 11. und 12. Jahrhundert entstandene Gebäudekomplex aus Moschee und Grabbauten gilt als heiliger Ort. Jedes Jahr zieht es Tausende kranke Menschen hierher in der Hoffnung auf Heilung. Die Legende erzählt, man habe Ton und Wasser aus Mekka herbeigeholt und mit dem Sand der Gegend vermischt und dann die Gebäude errichtet.

Das Naturschutzgebiet Koytendag wurde eingerichtet, um der größten Population der langhörnigen Bezoar-Ziege in Zentralasien und den nicht minder gefährdeten Bergschafen ein Terrain zu sichern. Sie bewohnen die tief eingeschnittenen Canyons und die mit Blumen übersäten Tallagen des Koytendag-Gebirges mit Turkmenistans höchster Erhebung (3.139 m). Es gibt Wasserfälle zu bestaunen und eine Unzahl natürlicher Karsthöhlen, die sich zu einem der längsten Höhlensysteme der Welt vereinen. Einen Namen gemacht hat sich auch das „Dinosaurier-Plateau“, Turkmenistans „Jurassic Park“, mit Hunderten versteinerten Dinosaurier-Fußabdrücken. In der Jurazeit vor 150 Mio. Jahren lagen hier Seen und Marschland, das schnell versandete und die Spuren bewahrte. So viele Abdrücke wie auf dieser Hochebene wurden noch nirgendwo sonst auf dem Planeten entdeckt.

Alt-Merv – Potpourri der Völker

Die Verbindung von Türkmenabat über Merv nach Aşgabat durchquert den südöstlichen Teil der Karakum. Nach einer Stunde Wüstenfahrt erreicht man das Repetek Nature Reserve, das schon im frühen 20. Jahrhundert eingerichtet wurde, um mehr über das Verhalten von Flora und Fauna unter extremen Klimabedingungen zu erfahren. Die Region zählt zu den heißesten in ganz Zentralasien. Auffallend die Sanddünen, die 15 bis 20 m hoch und bis zu 8 und mehr Kilometer lang das Gelände prägen. Zwischen ihnen verlaufen talähnliche Senken. Auf festem Sandgrund hat sich weißer Saxaul zusammen mit Riedgras angesiedelt, schwarzer Saxaul gedeiht dagegen in den Senken. Das Repetek-Territorium ist eine der wenigen Wüstenregionen mit großen Beständen des Saxaul-Baums, einem widerstandsfähigen, nur in Zentralasien verbreiteten Wüstenbewohner. Für die Karakum-Wüste typische Vogelarten sind hier heimisch und Zugvögel, darunter vom Aussterben bedrohte wie Blauracke, Krauskopfpelikan, Kaiseradler oder Wachtelkönig machen hier Station. Auch eine größere Population der Kropfgazelle lebt im Repetek.

Turkmenistan, Kyz-Kala-Palast

Kyz-Kala-Palast
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Abseits der Straße, vielleicht 70 km nördlich von Bayramaly, liegt mitten in der Wüste eine bronzezeitliche Siedlung, die zu ihrer Blütezeit, ca. 2300 bis 1600 v. Chr., in eine Kulturlandschaft eingebettet war, die man sich heute kaum noch vorstellen kann. Es war das Wasser des Murghab-Flusses, das sich in diesem Gebiet zu einem gewaltigen Binnendelta auffächerte, und die Lebensgrundlagen für mindestens 21 Siedlungen schuf, von denen Gonur Depe die bedeutendste war. Neben bronzezeitlichen Siedlungen wurden auch Niederlassungen aus der Eisenzeit (1200 bis 300 v. Chr.) freigelegt und im frühen und späten Mittelalter entstanden neue Ortschaften, deren Ruinen in großer Zahl das Gelände bedecken. Über mehrere tausend Jahre lockte das fruchtbare Delta Völkerschaften aus allen Himmelsrichtungen an. Nach den bronzezeitlichen Siedlern folgten die der Eisenzeit, dann die persischen Achämeniden, die Seleukiden, Parther, Sassaniden, schließlich Araber und christliche Nestorianer, Seldschuken setzten sich fest, Mongolen unter Dschingis Khans Sohn kamen als Zerstörer wie auch Timurs plündernde Soldateska, Usbeken übernahmen die Macht, nach ihnen Perser und schließlich die Truppen des Zaren. Die Abfolge von städtischen Neugründungen, das urbane „Layout“, die Befestigungen und Kultbauten, Wohnhäuser und Werkstätten sind Zeugen der zivilisatorischen Entwicklung Zentralasiens durch die Jahrtausende. Der weiträumige Komplex mit den Hinterlassenschaften verschiedenster Kulturen zählt zum Weltkulturerbe und trägt den etwas umständlichen Titel „Historischer und kultureller Park Alt-Merv“.

Wieder zurück in Aşgabat, steht als besonderer Schlusspunkt der Rundreise eine Bahnfahrt durch die Karakum nach Ichoguz auf dem Programm. Vom Halt mitten in der Wüste geht es mit dem Jeep weiter zum Feuerkrater von Darwaza, für die Einheimischen das „Tor zu Hölle“. Eigentlich ein Naturphänomen, wobei der Mensch ein bisschen nachgeholfen hat. Seit 1971 brennt es aus der aufgerissenen Erde. Damals stürzte bei Sondierungsbohrungen ein Hohlraum ein, ausströmendes Gas wurde abgefackelt, in der Hoffnung, das sei eine Sache von Stunden, höchstens Tagen. Fachleute versuchten ihr bestes, doch es brennt noch heute und am schönsten ist der Anblick in der Nacht, wenn die Kraterumgebung in orangefarbenes Licht getaucht wird.

Eckart Fiene


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