Geister lieben rote Fanta

Radeln in Thailand

Text und Fotos: Judith Weibrecht

 

Auf schmalen Wegen radeln wir hintereinander in der Schlange. Links ein bräunlich schlammiger Klong, Kanal, rechts eine Außenküche, Menschen. Ein Motorroller kommt uns entgegen, und ich versuche, mich einfach nur auf meinen Vordermann zu konzentrieren. Doch grüßen sollte ich außerdem, fällt mir ein. Das gehört sich so. Tatsache: Die Leute scheinen sich darüber sehr zu freuen, grüßen und lachen alle zurück. „Sawasdee kha!“ geht es in einer Tour. Männer hängen statt kha ein krap an. Beim Wort Danke ist es dasselbe. Männer sagen kop khun krap, Frauen kop khun kha. Das wissen wir, denn wir sind nach dem ersten Treffen gestern abend in Bangkok von unserem Guide Is gut vorbereitet.

Im Wat Phra Kaeo, dem Tempel des Königs im alten Königspalast in Bangkok, Thailand

Im Wat Phra Kaeo, dem Tempel des Königs im alten Königspalast in Bangkok

Einige Regeln gilt es zu beachten in dieser für uns fremden thailändischen Kultur. „Do the wâi!“, sagt Is, und meint damit, dass man die Handflächen gebetsartig vor dem Körper aneinander legt zum Gruß. Regel Nr. 2: Respektiere die Monarchie! Wahrscheinlich ist das die strengste Regel der Welt, sagt Is. Wenn man die königliche Familie beleidigt, sind 30 Jahre Gefängnis möglich. Dazu kommen noch einige Dos and Dont‘s: Die Fußsohlen sollten von Buddhastatuen und Menschen immer weg zeigen. Schuhe zieht man vor Häusern und Tempeln aus. Thais erledigen dies in einer eleganten, fließenden Bewegung. Auf andere Menschen zeigt man nicht mit dem Finger, und Zärtlichkeiten werden niemals in der Öffentlichkeit ausgetauscht.

Also los. Bangkok, von König Rama I. und von vielen Thai bis heute Krung Thep, die Stadt der Engel genannt, ist die City mit dem längsten Städtenamen der Welt – aus Platzgründen wird hier darauf verzichtet. Als Is ihn auswendig aufsagt, dauert es ungefähr eine halbe Minute. Eigentlich ist das passend, denn schließlich hat die Metropolregion Bangkok um die 15 Millionen Einwohner und umfasst rund 1.500 qkm. Beim Radeln durch die Gassen fühle ich mich eher wie in einem Dorf. Als es aber hinauf auf die große Brücke über den Fluss Chao Phaya geht, wird klar, wie lang sich die Stadt hinzieht.

Radeln in Thailand - Wat Suwannaram

Im Wat Suwannaram

Wir sind im Wat Suwannaram, einem buddhistischen Tempel, ziehen die Schuhe aus und machen den wai. 95% der Thai sind Buddhisten. Einige hier zünden Räucherstäbchen an und opfern. Die Wandmalereien sind prächtig, die riesige Buddha-Statue beeindruckend. Wie fast alle, so hat auch diese sehr lange Ohren. „Das bedeutet langes Leben!“, erklärt Is. Einer nach dem anderen rutschen wir auf Knien nach vorne und werden von einem Mönch mittels eines Reisigbesens mit Wasser besprengt und gesegnet. Er bindet uns ein "Sai Sin", ein Glücksbändchen um, in das er mehrere Knoten macht und bei jedem Segenswünsche murmelt. Im Land der tausend Tempel zieht es uns weiter zum über und über mit Mosaiken aus buntem chinesischem Porzellan und Muscheln verzierten Wat Arun, Tempel der Morgenröte, mit seinen hohen, schlanken Türmen. Mythologische Wesen, Dämonen und Götter zieren das Gebäude und tragen scheinbar die nächst höhere Ebene. Goldene Buddha-Statuen stehen vor bemalten Wänden. Ist man die steilen Treppen auf den höchsten Tempelturm hinauf gekrabbelt, bietet sich eine grandiose Aussicht über den Chao Phaya und die Stadt auf der anderen Seite des Flusses.

Geister und Buddhas

Radeln in Thailand - Wat Tum Sing Korn (Tempel und Höhle)

Wat Tum Sing Korn (Tempel und Höhle)

Ab in den Süden. Im bequemen Schlafwagen der thailändischen Bahn schlummern wir Surat Thani entgegen. Als ich erwache, sehe ich durch das Zugfenster Palmen und durch Wasser stakende Reiher. Beides werde ich noch öfter sehen auf unseren Touren über Land, von denen die erste zum Wat Tum Sing Korn führt, einer Art Höhlentempel. Drumherum ist Regenwald, und Is zeigt uns, wie man aus den Blättern die kleinen Pakete rollt, in die der Klebreis oft eingewickelt ist. „Der Wald“, sagt sie, „ist wie ein Supermarkt“. Auch an einer Palmölplantage stoppen wir und erfahren, dass das Öl aus den kleinen roten Samenkapseln gepresst wird. Nur ein paar Meter weiter treffen wir auf einen Kautschukbauern. „Die Bäume werden angeritzt und darunter hängt man ein Behältnis, in das die weiße, klebrige Masse rinnt,“ übersetzt Is seine Erläuterungen. An einem Dorfkiosk machen wir Pause und erstehen Eis und Fischmehlchips „to support the local community“.

Radeln in Thailand - Geisterhäuschen, San Phra Phum, werden errichtet, da jedes Stück Land von einem Geist bewohnt wird. Wenn man darauf bauen will, nimmt man dem Geist seine Heimstatt weg und baut ihm besser eine neue!

Geisterhäuschen werden errichtet, da jedes Stück Land von einem Geist bewohnt wird. Wenn man darauf bauen will, nimmt man dem Geist seine Heimstatt weg und baut ihm besser eine neue!

Links steht eines der vielen Geisterhäuschen, die wir immer wieder am Wegesrand entdecken. Sie sollen den Erdgeist Phra Phum gütig stimmen und ihm eine neue Heimstatt bieten, denn beim Hausbau vertrieb man ihm von seinem Grund. Viele Räucherstäbchen brennen als Opfergabe davor, um ihn gnädig zu stimmen. Besonders gern hat er rote Fanta. Wir zählen über zehn Flaschen.

Radeln in Thailand - Fanta

Fanta-Flaschen am Wegesrand

Wir radeln auf Nebenstraßen durch grüne Landschaften mit Palmen und undurchdringlichen Dschungel, auf denen es so einiges zu entdecken gibt. Eine Überraschung ist der Radweg Richtung Ratchaprapha Damm. „Welcome to Guilin Thailand“ bedeutet ein Schild, das schmunzeln macht, denn man sieht sich hier in Konkurrenz zu den chinesischen Karstformationen, die viel größer sind. Die Landschaft sieht aus wie gemalt, eine Aquarellzeichnung in zarten Farben, davor die Felsformationen.

Auf der Radroute durch den Süden Thailands

Schild auf der Radroute durch den Süden Thailands

Es ist nicht mehr weit in den Nationalpark Khao Sok mit einem der ältesten Regenwälder der Welt. Wilde Elefanten, Tapire, Tiger und Rafflesia kerrii, die größte Blüte der Welt, sind hier beheimatet. Auf der Suche nach ihr wandern wir steil den Berg hoch durch Dunst. Seltsame Geräusche von Vögeln, Zikaden und Affen begleiten uns. Das klingt malerisch, doch bereits am Morgen hat es 32 Grad und die Luftfeuchtigkeit ist hoch. Die Rafflesia zeigt sich uns nicht in ihrer Blüte. Wir finden nur verblühte Exemplare, oder solche, die erst erblühen werden.

Ein Elefant! Is hat ihn natürlich zuerst entdeckt. Doch beim Näherkommen stellt sich heraus: Thailands Nationaltier ist am Straßenrand angekettet. „Intrepid unterstützt nicht Elefantenreiten und diese Tricks, wo einer postiert wird wie dieser hier, um Touris anzulocken, die dann stehen bleiben und zu einem Ritt überredet werden“, so Is. Schon immer wurden Elefanten in Thailand verehrt wegen ihrer Stärke, Intelligenz und Ausdauer. Mit ihren Mahouts arbeiteten sie in den Teakwäldern und dienten sogar in der thailändischen Armee. Heute sind viele von ihnen „arbeitslos“ und werden in der Tourismusindustrie benutzt. Elefantenritte sind aber schädlich für die großen Tiere.

Radeln durch Thailand - Is zeigt Betelnüsse

Is zeigt Betelnüsse

Das traditionelle Thaihaus steht auf Stelzen. Davon sehen wir viele und halten an einem an, um einen kurzen Plausch mit der Hausherrin zu führen. „Betelnüsse und Auberginen baue ich an“, sagt sie stolz, und dass in solch einem Haus drei Generationen leben.

Am Ao Thong Beach schwimmen wir in der Andamanensee und genießen einen freien Tag am Traumstrand. Doch die Freude ist getrübt: Hier war es, wo der Tsunami am 26.12.2004 durch ein 500 km entfernt stattfindendes Erdbeben im Indischen Ozean seine tödlichen Flutwellen bis an Land schickte. 250.000 Menschen starben. Khao Lak traf es am schlimmsten. Im Tsunami Memorial Park in Nam Khem besichtigen wir das Polizeiboot 813, das durch die Wucht ganze zwei Kilometer ins Inland gespült worden war, dorthin, wo es heute steht. In der angeschlossenen Ausstellung ist erklärt, wie das alles passieren konnte. An den Wänden entdecke ich das Foto einer Familie aus meiner Stadt. „Wir werden euch nie vergessen!“ steht darunter.

Radeln durch Thailand - Am Strand von Khao Lak

Am Strand von Khao Lak

Die Straße Richtung Phang Na ist stark befahren, doch plötzlich hält auch sie wieder die Überraschung eines breiten Radwegs am Rand bereit. Wir radeln auf Specialized-Trekkingbikes, leider ohne Gepäckträger, denn bei der Hitze macht es keinen Spaß, die dicke Spiegelreflexkamera im Rucksack auf dem Rücken zu transportieren.

Radeln durch Thailand - Überraschung auf dem Weg nach Phang Na: Ein Radweg!

Überraschung auf dem Weg nach Phang Na: Ein Radweg!

Am Ao Phang-Nga Nationalpark steigen wir vom Rad und ins Longtailboot. Der Name rührt daher, dass der Propeller am Ende einer langen Antriebswelle montiert ist, so dass es wirkt, als hätte das Schiff einen langen Schwanz. Wir fahren durch die türkisfarbene See und bizarre Traumlandschaften mit Kalkformationen, die aus dem Meer staken, in denen jeder das sieht, was er sehen will. „Eine Puppe!“ „Ein Kopf!“ „Ein Elefant!“ An einer der Inseln stoppen wir und bewundern vom Boot aus ca. 4.000 Jahre alte Felsmalereien: Elefanten, Krabben, Fledermäuse und Menschen. Berühmt ist der Nationalpark vor allem für den steil aus dem Wasser ragenden so genannten James-Bond-Felsen (Ko Ta Pu), wo Roger Moore als Geheimagent 007 in „Der Mann mit dem goldenen Colt“ anlandete. Von der gegenüber liegenden Insel Ko Phing Kan aus werden Selfies geschossen, was das Zeug hält.

Radeln durch Thailand - James-Bond-Felsen, Khao Phing Khan

James-Bond-Felsen, Khao Phing Khan

Frühstück mit Elefant

Nächster Halt: Ko Panyee, ein muslimisches Dorf auf Stelzen im smaragdgrünen Wasser mit Restaurants, Schule, Souvenirläden und sogar einem schwimmenden Fußballfeld. Der FC Panyee ist der erfolgreichste Jugend-Fußball-Club in Thailand! Bereits bei der ersten Teilnahme an den Thai School Championships schaffte man es bis ins Halbfinale. Da sie es so gewohnt waren, spielten die Jungs die zweite Halbzeit barfuß.

Radeln in Thailand - Koh Panyee ist komplett auf Stelzen im Wasser erbaute Insel, muslimische Community

Koh Panyee ist eine komplett auf Stelzen im Wasser erbaute Insel

Im Dunkeln erreichen wir die River View Lodge und bemerken erst am nächsten Morgen beim Frühstück im Freien den Elefanten, der im Fluss steht. Kurz nach der Biegung des Flusses treffen wir auf vier weitere, die gerade von ihren Mahouts gewaschen werden. Wir radeln an einer Art Highway und an Flüssen entlang nach Tha Klong Song Nam, einer Art Mangrovensumpf mit erhöhten Holzstegen, auf denen man durch den Dschungel laufen kann. Durch dichten Bewuchs glitzern einzelne Sonnenstrahlen, das Wasser schimmert unter unseren Füßen. Jugendliche springen juchzend ins glasklare Nass.

Radeln durch Thailand - Plötzlich sehen wir Elefanten am Wegesrand mit ihren Mahouts

Plötzlich sehen wir Elefanten am Wegesrand mit ihren Mahouts

In der Gruppe sind vier US-Amerikaner, zwei Norweger, drei Briten, zwei Australier, zwei Deutsche, zwei Südafrikaner und ein Belgier. Alle sechs Guides (drei in den Autos und drei auf Fahrrädern) sind Thai. Is, unser Haupt-Guide weiß viel zu erzählen über Land und Leute und führt uns durchs Hinterland. Ein unschätzbarer Vorteil. Jetzt am Ende der Reise werden wir nämlich erleben, wie Tourismus und seine Auswüchse in Thailand aussehen können: An den Strand von Krabi Town schwappt Plastikmüll, die Leiber liegen dicht gedrängt, ein leichter Fäkaliengeruch liegt in der Luft, da die Abwässer ungeklärt in den Ozean fließen. Longtail-Boote knattern eines hinter dem anderen durchs Meer und ziehen schwarze Rauchfahnen hinter sich her. Es geht zu wie auf der Autobahn. Dass es auch anders geht, hat uns die Reise mit Intrepid gezeigt: Gleich zu Anfang bekamen wir eine Baumwolltasche geschenkt, um die allgegenwärtigen Plastiktüten zu umgehen. Wir reisten durchs Hinterland, hatten Begegnungen mit Einheimischen und jede Menge Infos dazu. Unser Geld gaben wir dort an Kiosken und in kleinen landestypischen Restaurants aus. Last but not least wird ein Teil des Überschusses von Intrepid wieder in Projekte vor Ort investiert, und das Geld bleibt im Land.

 

Informationen

Thailändisches Fremdenverkehrsamt, www.thailandtourismus.de, info@thailandtourismus.de, Tel. 069/138139-0

Die beschriebene Radreise „Cycle Southern Thailand“ ist buchbar bei Intrepid www.intrepidtravel.de/thailand/cycle-southern-thailand, 9 Tage, 5 Fahrradtage, 200 km gesamt

Intrepid Foundation www.theintrepidfoundation.org

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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