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Skopelos

Die griechische Insel Skopelos
entspricht nicht dem Bild der kargen Ägäis

Text und Fotos: Ulla Ackermann

Ägäisinseln sind felsig, grau und trocken und ihre Kargheit wird allenfalls durch niedriges Busch-werk kaschiert, das weiß jeder. Und bis hierher, entlang der meist unbewohnten Inseln der Nördlichen Sporaden, wurde dieser bekannte Lehrsatz griechischer Inseltopografie auch noch nicht wiederlegt. Aber dann taucht Skopelos auf und alles ist anders.

Schon von weitem stimmt die Farbe nicht, denn die Insel in der Nachbarschaft von Skiathos ist dichtbewaldet. Dort, wo auf den anderen griechischen Inseln blanke Felswände das Landschaftsbild beherrschen, dominieren Wälder den Anblick von Skopelos. Erst entlang ihrer Säume werden die Reihen der Pinien und Eukalyptus-Bäume lichter. Hier fegt das Meer seine weißen Gischtkronen hinauf und wäscht an den Wurzeln der Krüppelkiefern, die der ständige Wind von See gegen die Ufer gedrückt hat. Unterbrochen werden die grünen Flächen nur von einer Reihe weitläufiger Klosteranlagen, die Schwalbennestern gleich an den Berghängen zu kleben scheinen. Sie haben nur stellenweise ihren weißen Außenanstrich abbekommen. Um die Fenster herum, so weit der Arm eben reichte, auf Simsen und mannshohen Mauern, Stellen, die der Maler stehend erreichen konnte. Der Rest ist ockerbraun vom Lehmverputz.

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Die Farbe steingrau scheint auf Skopelos nicht zu existieren, denn selbst in Skopelos-Stadt ist alles weiß und bunt. Sogar die alten Dächer mit Schieferpfannen sind von Löwenzahn und Gräsern überwuchert. Blumen, Rosenstöcke und Hibiskus beherrschen auch die Vorderfronten der Häuser. Entlang enger Gassen und Treppen streben sie mit übereinandergeschachtelten, weißgetünchten Wänden den Berg hinauf, keines höher als die traditionellen drei Stockwerke und alle von einem Spitzdach bedeckt. Die Farben der Blüten, die der Fensterläden und Holztüren wirken wie Splitter aus einem Kaleidoskop. Wie als Ergänzung zu den kleinen Fischerbooten entlang der Mole ergibt. Wo hat denn diese Idylle bloß ihren Haken?

In dem Fahrverbot auf der Promenade vielleicht, das nur in der Theorie existiert? Nicht für die Skopeliten, denn von dem Beschluß, die Straße für den gesamten Kraftverkehr zu sperren, bis hin zur Umsetzung hat es noch kein Bürgermeister der Stadt gebracht. Wohlweislich, denn der, der diesen Schritt wagen sollte, wird seine Amtsperiode nicht vollenden. Das ist so sicher, wie die Jahrhunderte alte Tatsache, daß allein die Männer von Skopleos die Macht auf ihrer Insel haben und nicht etwa ein Bürgermeister. Daß ihre Frauen und Töchter gleicher Meinung sind, versteht sich und ist genauso sicher, wie die Gewohnheit der Männer von Skopelos, jeden Morgen zum Ouzo und zum Elinikos Kafes ins Café Nion zu kommen. Daß eine Frau diese Kneipe nicht betreten darf, ist auch ein ungeschriebenes Gesetz und wiederum so sicher wie die Macht der Männer von Skopelos.

Skopelos 6.jpg (16900 Byte)Heute morgen sitzen sie trotz des steifen Windes von See her in der ersten Frühlingssonne vor dem Café. Sie haben die Kragen ihrer Windjacken aufgestellt, die Schirme der Schlägerkappen mit dem Druckknopf hochgeklappt und aus der Stirn geschoben. Die Farbe ihrer Gesichter erinnert an das Holz knorriger Olivenbäume und daß der Winter gemütlich war, sieht man an den gutgenährten Kugelbäuchen. Es geht wieder einmal hoch her, denn der Herr der Munizipalität hat angedroht, im nächsten Frühjahr die Innenstadt zu sperren, um den Fußgängern das ständige Davonlaufen vor herumjagenden Autos und Mopeds zu ersparen. Die Männer sind fassungslos. "Wir sollen uns lächerlich machen," schreit Christo. "Wir würden aussehen wie die Frauen oder Esel oder Touristen!" Ein Grieche ohne Auto! Und ein Skopelite erst! Welch absurder Gedanke!

Auf dem Paralia Skopelou, dem Dorfplatz, treffen sich unterdessen die Frauen des Städtchens. Zufällig, denn sie warten auf den Gemüsehändler aus dem 30 Kilometer entfernten Elios, der jeden zweiten Tag mit frischer Ware vorfährt. Zwei Männer aus dem Café Nion kommen vorbei und dabei entdeckt einer seine Frau und seine Schwester. Barsch ruft er ihnen zu, nach Hause zu gehen und zu kochen. Ohne ein Wort verschwinden beide im Gewirr der Gassen.

Ist also das unbedingte Patriarchat die Achillesferse der Idylle? Dabei müssen die Männer von Skopelos-Stadt noch fortschrittlich genannt werden, vergleicht man ihren Habitus mit den streng-archaischen Sitten im Norden der Insel, in Glossa. Dort bestimmen noch immer die Väter ihren dreizehn-, vierzehnjährigen Töchtern die Ehemänner, und das geschieht nicht etwa heimlich. Was geschah mit der Kleinen, die unehelich schwanger geworden war und daraufhin verschwand? In Skopelos-Stadt spottet man lediglich über die Hinterwäldler im Norden. Dieser "Hinterwald" ist aber nur knappe 60 Kilometer entfernt und bei allen Verunglimpfungen gegen "die aus Glossa" schwingt die Angst mit, daß das malerisch in die Felsen gebaute Glossa vielleicht als zukünftige Touristenattraktion der Stadt im Süden den Rang ablaufen könnte. Denn der Tourismus ist die größte Einnahmequelle der Insel, wenngleich das mit dem Fremdenverkehr auf Skopelos eher kurios zugeht. Der findet nämlich im wesentlichen von Mitte Juli bis Mitte September statt, während der griechischen Sommerferien, und dann gleicht Skopelos einem Jahrmarkt. Mit 50.000 Besuchern, zehnmal mehr Menschen als die Insel Einheimische hat. Die Skopeliten stöhnen, wenn sie an diese Zeit denken, doch gibt es sicher härtere Schicksale, als einmal im Jahr zwei, drei Monate arbeiten zu müssen.

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Im übrigen ist bis dahin einmal mehr viel Zeit, Zeit, in der sich kaum ein Fremder hierher verirrt. So ist das Labyrinth von unbefestigten Straßen, die von der einzigen Hauptverkehrsstraße abzweigen und auch während der Winterzeit perfekte Wanderwege sind, verwaist. Zwischen Kumarissträuchern und Pistazienbäumen windet sich der Weg gemächlich nach oben und mündet auf Delphi. Nicht auf dem orakelbehafteten des Festlandes, sondern auf dem Gipfelpunkt der Insel, der sechshundertachtzig Meter hoch ist. Von hier ist der Rundblick über die Insel so total wie die Aussicht grandios. Überall blitzen blaue, ockerfarbige oder weiße, winzige Häuschen hervor, die, Kalivia genannt, früher den Erntearbeitern als Unterkunft dienten. Heute sind sie zu Landhäusern ausgebaut. Einige ganz protzig mit Säulengängen sogar.

Nur wenige Kilometer auseinander sprudeln immer wieder neue Quellen hervor. Dort, wo sich das glasklare Wasser fängt, sind die Tümpelränder mit Wasserkresse bewachsen. Und dies poröse Felsgestein und ein unterirdisches Netzwerk verschachtelter Kammern, in denen sich das Regenwasser bis zum Überlaufen sammelt, sie sind das Geheimnis des immergrünen Skopelos.

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