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Schweiz
Chur
Bündner Kunstmuseum

Otto Dix und die Schweiz

bis 27.10.2024


Otto Dix (1891-1969), der nicht allein immer wieder sich und seine Familie porträtierte, sondern auch einen kritischen Blick auf die Zeit nach dem Ersten Weltkrieg mit seinen Kriegsgewinnlern sowie den sogenannten Goldenen Zwanzigern warf, gilt als einer der bedeutendsten deutschen Künstler des 20. Jahrhunderts. Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde er zum verfemten Künstler erklärt, galt seine Kunst als „entartet“. Zwangsläufig verlor er 1933 seine Professur an der Dresdner Kunstakademie. Nachfolgend zog er sich an den Bodensee in die „innere Emigration“ zurück, änderte seine Sujets und seinen Malstil, der allgemein als altmeisterlich charakterisiert wird. Nicht das schrille urbane Nachtleben mit Luden, Freiern, Nutten und Nackttänzerinnen stand hinfort im Fokus seines Schaffens, sondern Landschaftsgemälde, die Idylle suggerieren. Im Zentrum der aktuellen Ausstellung stehen die Werke von Otto Dix, die Ende der 1930er-Jahre entstanden sind, als sich der Künstler längere Zeit zur Kur im Engadin aufhielt, und die bisher noch nie zusammen gezeigt wurden. Das Gemälde „San Gian im Winter“ aus der Sammlung des Bündner Kunstmuseums kann so erstmals in einem größeren Kontext von weiteren Ölbildern und einer Reihe überaus feiner Zeichnungen gezeigt werden.

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Otto Dix Gletscher im Engadin (Bernina Gletscher) 1938

Faszinierend sind die Winterbilder aus Graubünden, die Dix überwiegend 1938 gemalt hat. Stimmungsvoll sind die Ansichten. Zu sehen ist aufgebrochenes rissiges Eis, dunkel-verhangen ist der Himmel. Hoch-aufragend ist der Kirchturm, der das Ortsbild bestimmt. Rötlich-gelblicher Lichtschein breitet sich über der Stadt aus. Woher allerdings das Licht seine Quelle hat ist angesichts einer dichten Wolkendecke ein Rätsel.

Dix malte auch eine herbstliche Tallandschaft im Engadin. Die Talmulde wird dabei von bläulich-weißen Berggipfeln gerahmt. Rötlich-braun verfärbt sind die Lärchen, die wir sehen. Angesichts des Lichts fragt man sich, ob Dix dieses Tal bei Sonnenuntergang in Öl festgehalten hat. Zwischen Samedan und St. Moritz sind es die schneebedeckten Berge, die Dix faszinierten. Auch in diesem Gemälde nimmt man die rötlich-bräunlichen Lärchen wahr, die unterhalb der Baumgrenze im Engadin typisch sind, so der Eindruck bei der Bildbetrachtung. In dem 1938 entstandenen Werk „Bernina Landschaft“ schlängelt sich ein grünlich-bläuliches Flüsschen durch die Landschaft. Nicht zu übersehen ist der Vollmond in der oberen linken Gemäldehälfte. Die Sonne geht zudem langsam über einer Bergnase auf. In Gelbgrün und Roströtlich ist im Übrigen die herbstliche Landschaft getaucht.

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Otto Dix San Gian im Winter 1938

San Gian im Winter“ ist sicherlich eine zentrale Arbeit aus dieser „Schweizer Schaffensphase“ von Dix. Im Vordergrund haben Eis und Schnee die Landschaft fest im Griff. Nebelschwaden ziehen durchs Tal, durch das ein Fluss mäandert. Pyramidal und buckelig erscheinen die Berge. Und zum Ortsbild, das Dix erfasste, gehört selbstverständlich ein Kirchturm, allerdings ohne den typischen Turm-Helm. Auch die Gletscher im Engadin entgingen dem genauen Blick des Künstlers nicht. Wir sehen einen gebrochenen Felsring, der eine prominente Lärche mit schuppigem Stamm gleichsam einfasst. Aufgewirbelte weiß-graue Wolken schweben am Himmel.

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Otto Dix Tal im Engadin (Blick auf Samaden) 1938

Neben den Arbeiten in Öl gibt es auch solche in Bleistift zu sehen, die eher skizzenhaft und kaum im Detail auszumachen sind. Das gilt auch für eine Arbeit zum Engadin auf grundiertem Karton. Zu sehen ist außerdem die Zeichnung von der Kirche Sankt-Peter in Samedan sowie „Landschaft im Engadin (Magna-Gruppe)“. Mit Sepia und schwarzer Tusche hielt Dix „Tal im Engadin (Blick auf Samedan)“ für die Nachwelt fest. Knorrige, vom Wind gepeitschte Bäume sind es, die in unseren Blick fallen. Dabei klammern sich die Bäume an ein Felsplateau. Rechts unterhalb dessen sieht man Samedan.

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Otto Dix Ausstellungsplakat «Sonderausstellung Otto Dix»,
Kunstsalon Wolfsberg, 1938

In der Tradition der romantischen Maler wie Caspar David Friedrich und Carl Gustav Carus schuf Dix „Tote Lärche“, einen landschaftlichen Solitär in Nahsicht. Und zum Schluss sei nochmals auf eine Winterlandschaft aus Samedan hingewiesen. Wir sehen in der sorgsam gehängten Ausstellung Berghänge, die Dix in Tintenblau getaucht hat. Und gleich drei Kirchtürme bestimmen die Ortssilhouette, die Dix uns zeigt. Fazit: Das Schweizer Werk von Otto Dix ist überschaubar, aber eben auch sehr eindrücklich.

© text ferdinand dupuis-panther / Alle Werke: © 2024, Pro Litteris Zürich

Informationen

https://kunstmuseum.gr.ch/


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