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Schweiz
Bad Ragaz

Bad Ragartz – Kunstorte in Bad Ragaz bis 30. Okt. 2024

Der Mensch im Mittelpunkt ist das Thema der diesjährigen Schweizerischen Triennale der Skulptur. Zum neunten Mal wird dieses „Skulpturenfestival“ veranstaltet, nicht nur in Bad Ragaz, sondern auch in der liechtensteinischen Landeshauptstadt Vaduz. Mehr als 80 Künstler aus aller Welt sind an dieser Kunstausstellung unter freiem Himmel beteiligt.

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Arbeit von „Feral“ Ramon Weibel /„Tanto“ Lex M. Powell

Ohne Esther und Rolf Hohmeister und deren Engagement gäbe es diese Ausstellung nicht, die vor mehr als zwei Jahrzehnten erstmals das Licht der Welt erblickte, so lesen wir es mit den Worten des Enkels der Triennale-Gründer in der zum Festival der Skulpturen entstandenen Broschüre. Sie enthält zwar die Namen aller Künstler, die Namen der gezeigten Kunstwerke, ohne den jeweiligen Ausstellungsort anzugeben, sowie die Verkaufspreise für die gezeigten Kunstwerke, aber keine Werksinterpretation, nicht einmal in Kurzfassung. So bleibt der Besucher mit den Kunstwerken konfrontiert, über die er sich selbst eine Meinung bilden kann.

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Aturo di Maria "Gold und Geist

Nun ja eine pädagogisch-didaktische Herangehensweise ist das nicht, auch nicht im Sinne musealer Heranführung an Kunst, aber die Ausstellung findet ja auch nicht in der Bildungseinrichtung Museum statt. Zudem sei an dieser Stelle angemerkt, dass beispielsweise die auf der Insel Hombroich/Neuss präsentierte Kunst auch gänzlich ohne Angabe zu den „Schöpfern“ auskommt und auch keine Werkstitel geliefert werden. Übrigens, der einzuscannende jeweilige QR-Code in der Broschüre „Bad Ragartz – Kunstorte - gibt lediglich biographische Details der Künstler nebst einem O-Ton zur eigenen künstlerischen Arbeit „preis“.

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Karin Hofer befasst sich in ihren Holsskulpturen mit der "Erdlast"

Nachstehend wird ein Rundgang skizziert, der sich mehr oder minder zufällig ergeben hat und keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Am Bahnhof von Bad Ragaz beginnt dieser Rundgang. Gleich zweimal begegnen wir dabei Carin Grudda mit ihren Skulpturen „Zebra - Allein auf weiter Flur.“ Dabei sind die beinahe volumenlosen Skulpturen unterschiedlich groß und eine auf einer Grünfläche schräg gegenüber des Bahnhofs ist in grün gehalten, die direkt vor dem Bahnhof stehende wohl eine pure Bronze, ohne Patina. Wegen der fehlenden Fellzeichnung kommt der Betrachter nicht unbedingt auf den Titel. Man könnte auch an einen Esel denken, betrachtet man die Skulturen mit den hochstehenden einzelnen Mähnenhaaren auf dem Rücken. Aus dem „Labor für junge Kunst“ stammt ein verlassenes, umgestaltetes Auto, dessen mit Isofolie verklebte Scheiben den Blick ins Innere verwehren. Hat dieses Auto gar Stoßstangen aus Beton und warum? Man hat den Eindruck, die Künstler wollten uns vor Augen führen, dass Autos in unserer Gesellschaft motorisierte Kampfmaschinen sind. Geschaffen haben dieses „Kunstwerk“ aus dem Schrotthof eines Autoverwerters, so könnte man meinen, „Feral“ Ramon Weibel /„Tanto“ Lex M. Powell. 35000 Franken möchten die Künstler für ihr „Autowrack“ haben. Vor Ort ist der zweite Künstlername getilgt worden, was Fragen offen lässt.

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David Černý zeichnet für diese "martialische Kunst" verantwortlich

Nachfolgend begeben wir uns ans Ufer der Tamina, einem Nebenfluss des Rheins, an dem Bad Ragaz ebenso liegt. Karin Hofer konfrontiert uns auf dem Weg entlang des Gebirgsflusses Tamina mit ihren Holzskulpturen, darunter auch „Erdträger“ und „Erdglobus“. Schwere Last ist die Erde, mal hinter dem Rücken getragen, mal kniend auf dem Kopf. Mal sind es männliche, mal weibliche Figuren, die ihre Last mit der Welt haben. Die Welt ist außerdem so schwer, dass sie einen Menschen flach zu Boden drückt, wie einer weiteren Holzskulptur zu entnehmen ist. Zuvor sind wir an einer „stelenförmigen“ Großplastik vorbeigekommen, die eine tektonische Oberfläche aufweist und die als ein Stehender zu deuten ist. Angaben zum Schöpfer der Skulptur vor Ort: Fehlanzeige. Hingegen erfahren wir bei der aus versetzten, golden schimmernden Edern komponierten Skulptur von Aturo di Maria, dass wir es hier mit der Abstraktion von „Gold und Geist“ zu tun haben. Diese Arbeit stammt von vorherigen „Skulpturalen“, so muss angesichts der Jahresangabe auf dem Infoschild annehmen. Eine Landmarke in Tintenblau und Silber ist das Werk von Günther Schmidt-Klör. Die „Blaue Stele“ datiert auf das Jahr 2010, wie wir der „Plakette“ am Kunstwerk entnehmen können.

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Natur im Container - auch das ist bei den Kunstorten in Bad Ragaz zu sehen:
Vionnet Nicola/Sibum Wouter: Nebenbei

Weiter am Fluss entlang haben drei Kuben von Stephan Siebers ihren Platz gefunden. Zwei dieser Kuben sind geteilt und verschoben worden. „Cube in 3 Pieces“ lautet denn auch naheliegender Weise der Titel. Nur Schritte entfernt hat sich auch James Licini dem Thema Kubus verschrieben, allerdings nicht 2024, sondern schon 2010. Was hängt denn da über der Tamina? Ein U-Boot, so scheint es zunächst. Doch beim Nähergehen sehen wir dann, dass es sich um ein moduliertes gelbes Surfbrett handelt.

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Aus einer dreiteiligen Arbeit von Beate Frommelt und Carla Hohmeitser namens "Der Stoff unserer Landschaft".

Neben der Brücke über die Tamina, die in den Ort führt, hockt eine geifernde Bulldogge vor einer Frau, die sich entblättert, so sieht es zunächst aus. Doch treten wir näher, stellen wir fest, dass die Bulldogge auf eine „Figurenscheibe“ blickt. Eine silbrig schimmernde überdimensionierte Faust verstellt den weiteren Weg. Bernard Bezzina zeichnet für die „Faust“ verantwortlich. Gegen wen ist sie eigentlich geballt? Eine weitere Arbeit von „Feral“ Ramon Weibel /„Tanto“ Lex M. Powell: Auf dem Vordach eines Hauses steht ein Sportflitzer, aus dessen Heck wohl Pyrotöpfe ragen. „Scfreaming Demon“, so lautet der Titel des Werks, das übrigens unverkäuflich ist.

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Aliens bevölkern den Kurpark von Bad Ragaz

Begeben wir uns also in die Stadtmitte von Bad Ragaz und zum ehemaligen Dorfbad mit Arkadenvorbau, dann erblicken wir einen besonderen Greif, bestehend aus den typischen Greiffüßen und -klauen, doch der Korpus ist ein Trommelrevolver. David Černý zeichnet dafür verantwortlich. Martialisch mutet das Kunstobjekt ohne Zweifel an. Schräg gegenüber an einer Ecke steht „Money makes the world go round“, geschaffen von Joel Scheebeli. Motiv für einen Maler ist die vornehme Dame nebst Kutscher, die gegenüber dem Dorfbad ihren Platz hat. Alexander Taratynov ergänzte das Ensemble um einen malenden Künstler, der durch einen Bilderrahmen aufs Motiv schaut, Palette und Pinsel in den Händen. Aus Schlagstöcken, die die Polizei zur Auflösung von Demonstrationen nutzt, indem sie diese auf die Beine, Köpfe und Rücken der Demoteilnehmer niedersausen lässt, besteht die zu einer Säule entwickelte Arbeit von Tatsuki Browne.

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Mehrteilige Arbeit in Stein und Bronze von Martin Wiese, u. a. Terra Madre, Neophile, Ramos, Bonifacio, Medusa und Aragon

Nur wenige Schritte entfernt steht eine Mollige in rot-weiß gepunkteter Badekleidung auf dem Sprungturm. Würde sie springen, wäre das tödlich, denn unter ihr gibt es kein gefülltes Schwimmbecken, sondern es sprudelt eine Fontäne aus dem Pflaster. Handelt es sich bei dieser Skulptur etwa um Stephan Schmidlins „Auf dem Sprung“? Treffender könnte der Titel nicht sein. Kehren wir anschließend nochmals zum Dorfbad zurück und gehen vor dem Dorfbad nach links ab, dann stehen wir vor dem „verletzten Herzen“, einem Werk von Daniel Drabeck. Den ehemaligen Milchhof des Klosters Pfäfers nutzen zwei Künstlerinnen Beate Frommelt und Carla Hohmeitser für ihre textilen Arbeiten namens „Der Stoff unserer Landschaft“.

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U-Boot-Welt von Nikolaus Lehmann.

Weiter geht es auf unserer Tour Richtung Kurpark, wo vor dem Palais Royale die mit ihren Figuren aus Westfalen (Telgte/Wiedenbrück) bekannten Künstlerinnen Christel und Laura Lechner einen Ort gefunden haben, um eine Menschengruppe beim Boule zu platzieren. Ihre Figuren haben durchaus etwas von Alltagskarikatur. Doch zuvor zieht die Arbeit von Anke Eilergerhard die Blicke auf sich. „Hysterische Balance“ nannte sie ihre skulpturale Komposition von drei Eiswaffeln, die überdimensioniert den Rasen des Kurparks schmücken. Eingebunden und eingezwängt in einen „Gerüstkasten“ ist eine übergroße menschliche Figur, deren Muskulatur sehr stark herausgearbeitet wurde. Wer das tat ist Gertjan Evenhuis aus den Niederlanden. Und wieso blicken wir eigentlich beim Weitergehen auf den Rücken einer blauen männlichen Figur, die ihren Blick gen Buschwerk richtet?Das könnte uns nur Victor Mangeng beantworten, von dem „Escape the burden“ stammt. Einen Klangraum, ja im wahrsten Sinne, schuf Pius Morger mit „Levitation“. Beim Anblick meint man, man sehe überdimensionierte Teile von Kontrabässen, die da in einer Gruppen zusammenstehen. Oder sollen es stilisierte, überdimensionierte Bassschlüssel sein, die wir sehen?

Nachfolgend entdecken wir den riesigen Kopf eines Nashorns auf dem Vordach eines Hotelbaus. Stefano Bombardieri zeichnet dafür verantwortlich. Dass Balance nicht so einfach ist, unterstreicht Thomas Röthel mit seiner Stahlskulptur. Zwei lila Riesenhühner bevölkern den Kurpark außerdem. In Kleinformat sind diese auch als Souvenirs zu erwerben. Nun ja, kann man, muss man aber nicht.

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Etienne Krähenbühl: Bing Bang im Giessenpark

Nachfolgend sind wir auf der Marienfelderstrasse unterwegs. Dort sehen wir drei riesige Schokoküsse. Warum der Titel der Arbeit „Illusionary silence“ heißt, erschließt sich dem Betrachter keineswegs. Nein, Tony Cragg ist bei Bad Ragartz nicht vertreten, auch wenn uns Carlo Borer das glauben macht, hat er doch für seine Stalagmiten Anleihen an Cragg – man denke an „Dancing Column - genommen. Auf dem weiteren Weg sehen wir auch kinetische Kunst, die von Jörg Wiele stammt.

Abschließend durchqueren wir den Giessenpark. Am Ufer des Giessensee finden sich zahlreiche weitere Arbeiten. Gleich zu Beginn sehen wir die „Hommage an SOL“ von Christoph Koch. Es ist eine Form der Konzeptkunst, bei der Koch Baumstämme u.a. mit farbigen Rhomben bemalt hat. In luftiger Höhe hängt „La Caravella“ von Nikolaus Lehmann. Von ihm stammt auch das fliegende Unterseeboot, das wir nachfolgend entdecken. „All-Umfassend“ oder doch nicht, das fragt man sich im Angesicht von der Stahlkonstrukt von Peter Nutt. Mit „Treppe durchs Haus“ gibt es auch „Archiskulptur“ zu sehen, dank an Herbert Stehle. Einen Heuwender funktionierte Notta Catflisch ganz im Sinne von Duchamps „Ready Mades“ einfach um und montierte zahlreiche rote Basketball-Turnschuhe auf dieses Ackergerät. Und mit der blauen Katze von Sonja Knapp beenden wir unseren Kunstparcours unter freiem Himmel.

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Micha Aregger Neuer Fruchtkörper

Fazit: Die Vielzahl der Kunst ist beeindruckend, auch gewiss überfordernd. Der eine oder andere sollte dazu animiert sein, nochmals wieder zu kommen, um andere Teile der Ausstellung zu erkunden, auch jenseits angebotener Kunstführungen. Diese liefern unter Umständen die Informationen, die der oben genannten Broschüre zur Ausstellung fehlen.

© Fotos und Text ferdinand dupuis-panther / Für die Werke Rechte bei den Künstlern bzw. deren Rechtevertretern

Informationen
Schweizerische Triennale der Skulptur
https://heidiland.com/de/informieren/regionen-orte/bad-ragaz/bad-ragartz.html?

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