Text und Fotos: Ferdinand Dupuis-Panther
Wer in Sundsvall (1) beginnt, vor dem liegen einige Hundert Kilometer, ehe Trondheim und der Nidaros-Dom erreicht sind, wo Olav Haraldsson nach der legendären Schlacht von Stiklestad seine letzte Ruhe fand. Der Weg folgt dabei dem, den der spätere heilige Olav mit seinem Heer genommen hat, als er, einer Vision folgend, sein russisches Exil verließ, um Norwegens Klans unter seiner Herrschaft zu vereinen. Möglicherweise hat Olav Haraldsson, der in verschiedenen Heeren in Europa gekämpft hatte und wohl auch an Raubzügen der Wikinger beteiligt war, Schiffe teilweise über Land ziehen lassen, um dann über den Ljungan und Indalsälven seinen Vormarsch gen Westen zu Wasser fortsetzen zu können. Wenig ist davon historisch durch Quellen belegt. Vielfach ranken sich Legenden um diese Gestalt der frühen norwegischen Geschichte – und diesen werden wir unterwegs immer wieder begegnen.
Olav Haraldson Heldenverehrung in Stiklestad
Die Szenerie im Juli 1030 war anders. Die Küstenlinie verlief nicht wie heute, sondern die Wellen der Ostsee waren deutlich zu vernehmen, unweit der heutigen Kirchenruine von Selånger. Mit wie vielen Männern landete der Sohn eines Klanfürsten aus dem südlichen Norwegen am Gestade der Ostsee? Wie waren sie ausgerüstet? Gab es irgendwelchen Widerstand gegen die Eindringlinge, die unter dem Kreuz des Christentums eine Mission zu erfüllen glaubten? Wir wissen es nicht. Das, was als historische „Fakten“ überliefert sind, entstammt der Feder des Dichters Snorre Sturlasson, der allerdings kein Zeitgenosse Olavs war. Kein Wunder also, dass sich um Olav Haraldsson Legenden ranken.
Neben der Kirchenruine fällt uns noch ein Gedenkstein auf, der an König Karl XII. erinnert. Dessen Expansionspolitik fand Eingang in die schwedischen Geschichtsbücher: Der Versuch den dänischen Vasallenstaat von Norden und Süden her anzugreifen, scheiterte, denn der König fiel vor der Festung Frediksten.
Ob man zu Fuß oder auf dem Rad einen Teil des Olavsleden bewältigt, ihn in Etappen angeht und auch auf Bus und Bahn zurückgreift, um nach Trondheim zu gelangen, ist jedem selbst überlassen. Beweggründe auf einem Pilgerweg zu wandern, mögen vielfältig sein. Religiös muss man jedoch nicht sein. Ruhe findet man auf dem schwedischen Olavsleden auf alle Fälle, ganz im Gegensatz zu dem überaus populären Pilgerweg nach Santiago de Compostela.
Frisches Nass nicht nur der Olavquelle
Matfors (2), dicht an der E14 gelegen, ist eines unserer ersten Ziele. Hier findet man unterhalb des kleinen Freilichtmuseums eine der zahlreichen Olafsquellen auf dem Weg nach Trondheim. Glasklar und kalt ist das Wasser, das wir mit einer Kelle aus Birkenholz und Birkenrinde aus der Quelle schöpfen. Unser erster Durst kann gelöscht werden. Nun gilt es, die Trinkflaschen zu füllen. Halt, zur Quelle gibt es natürlich noch eine Geschichte zu berichten. Gefunden habe Olav diese, als er und seine Männer Rast einlegten. Mit seiner Lanze habe er auf den Felsboden geschlagen und siehe da, es öffnete sich der Boden und eine sprudelnde Quelle kam zum Vorschein.
Wasser ist auf dem Olafsweg allgegenwärtig
Am Ufer des lang gestreckten Stödesjön setzen wir unsere Tour fort und erblicken beim Übergang nach Stöde mitten im Wasser die Statue eines Flößers, Hinweis darauf, wovon die Menschen hier einst ihren Lebensunterhalt bestritten. Zugleich erhaschen wir den ersten Blick auf die weiß geschlemmte Kirche von Stöde (3). Nehmen wir vielleicht noch ein Bad, bevor wir die Kirche besuchen? Das Wetter ist ganz nach unserem Geschmack. Es ist angenehm warm und ein Sprung ins erfrischende Nass ist sehr willkommen. Weiter geht es nach Torpshammar (4). Nicht zu übersehen ist der in zartem Gelb erstrahlende Gutshof im Ort, der müde Wanderer gerne aufnimmt.
Die längste schwedische Holzbrücke und eine Rokokoperle
Wandern wir weiter, so kreuzt der Pilgerweg den Gimån, in dem Betonrinnen im Wasser liegen. Sie dienten einst dazu, das geflößte Holz zu „bündeln“. Auch dies ist ein Teil der Geschichte jenseits des legendären Olav Haraldsson. Nächste Sehenswürdigkeit unterwegs ist die Holzbrücke Vikbron. Sie wurde 1888 errichtet und ist mit 133 Metern die längste ihrer Art in Schweden. Unweit der Brücke stoßen wir zudem auf einen Bestattungsplatz aus der späten Eisenzeit.
Vikbron - die längste Holzbrücke am Olafsweg
Der dahinfließende Ljungan ist für eine Weile an unserer Seite, ehe wir Borgsjö (5) erreichen. Wer sich für Sakralarchitektur interessiert, kommt in diesem Örtchen gewiss auf seine Kosten. Die Kirche gilt als ein Meisterwerk des Spätbarock (Rokoko). Auffallend ist der neben der Kirche stehende hölzerne Glockenturm, dessen Dach mit schuppigen Holzschindeln bedeckt ist. Im Kircheninneren zieht die prächtige Orgel auf der Empore die Blicke auf sich. Nicht zu übersehen sind im Prospekt der Orgel die Initialen „G III“, ein Verweis auf den schwedischen König Gustav III., ohne den es 1786 nie zur Gründung von Östersund gekommen wäre. Gleich zwei Holzfiguren des hl. Olav finden wir in der Kirche. Der stehende Heilige ist deutlich jünger als der sitzende Heilige. Beide sind mit Königsinsignien ausgestattet. Der jüngere Olav ist in ein weißes Gewand gehüllt, der ältere mit güldenem Haar und Bart mit einem goldenen Gewand mit Umhang bekleidet.
Statue des heiligen Olaf in der Kirche von Borgsjö
Finnen kamen und blieben
Jeder, der zu Fuß unterwegs ist, wird auch Dinge wahrnehmen, die zumeist übersehen werden, rostbraune und dunkelbraune Pilze und sternförmige Moose auf dem Waldboden, sicherlich auch die zahlreichen Wegmarkierungen mit dem roten Olavkreuz, damit man nicht vom Weg abkommt, die ausgedehnten Wälder mit Nadelbäumen und hier und da auch Birken, Spinnengespinste zwischen den dunkelroten Blüten von Wildblumen, wippende Kornähren im Wind oder einen Gedenkstein, wie den in Borgsjö. Er verweist auf den Besuch des schwedischen Monarchen Karl XI. im Sommer 1686.
Schwedische Geschichte am
Wegesrand:
der Besuch Karls XI in der Gegend
Kurz schauen wir noch im Tourismusbüro von Ånge (6) vorbei, in dem sich ein kleines Museum befindet. Es befasst sich nicht nur damit, dass der Ort einst ein wichtiger schwedischer Eisenbahnknotenpunkt war, sondern auch das Zentrum der hiesigen Forst- und Holzwirtschaft. Arbeitskräfte kamen im 17. Jh. aus Finnland nach Mittelschweden. Ein Diorama zeigt, wie es in jener Zeit auf einer Farm der finnischen Migranten zugegangen ist, die einfache Rauchfanghäuser bewohnten.
In der Umgebung von Ånge stoßen wir mitten im Wald auf das einsam gelegene Haus der Familie Westberg und auf einen Gedenkstein an die 1849 durchgeführte Elchjagd eines Jämtländischen Höflings: Als Relief gearbeitet ist die Jagdszene, in der ein Jagdhund einem Elch an die Kehle springt.
Gerstensaft aus der Pilgerstadt
Die Tage vergehen wie im Flug. Keine Hektik und kein Stress kommen auf, im Gegenteil: „Entschleunigen“ steht auf dem Programm! Über Bräcke und Stavre sowie Revsund setzten wir unsere Tour fort. Pilgrimstad (7) liegt gleichfalls auf unserem Weg. Bierliebhaber kennen diesen Ort, in dem die ortsansässige Jämtlands-Brauerei ein fruchtiges Bier mit dem Namen „Hell“ ebenso braut wie das fein-malzige „Heaven“. Eine Mischung aus Karamell, Zitrusaroma, Malzduft und Fruchtnote verspricht das "Jämtlands Bärnstein". Dies sind nur drei von mehr als einem Dutzend Biere, die man in Pilgrimstad braut. Ist es da nicht Zeit, mal mit herrlichem Gerstensaft statt Quellwasser die trockene Kehle zu befeuchten?
Die Kirche von Frösö
Uns steht anschließend nicht der Sinn nach Weiterwandern, daher besteigen wir den Zug nach Östersund, um dort die Nacht zu verbringen. Am nächsten Tag begeben wir uns dann nach Fröson (8). Dort steht eine mittelalterliche Kirche, die allerdings im 18. Jh. umgebaut wurde. Auch sie hat – das scheint für Kirchenbauten in Medelpad und Jämtland typisch zu sein – einen frei stehenden hölzernen Glockenturm. Zur kostbaren Kirchenausstattung gehören ein Taufbecken aus dem späten 17. Jh. und eine Kanzel im Rokokostil aus dem späten 18. Jahrhundert. Zumindest in Schweden ist die Kirche auch deshalb bekannt, weil auf ihrem Kirchhof der schwedische Komponist Wilhelm Peterson-Berger, ein Vertreter der nationalromantischen Musik, beerdigt wurde, der nahe der Kirche ein Sommerhaus besaß.
Die Elche und Rentiere von Glösa
Felsritzungen von Glösa
Glösa (9) dürfen wir als Nächstes nicht verpassen, finden sich hier doch einmalige Felsritzungen, die man sonst nirgendwo in Schweden findet. Ja, Felsritzungen mit Wikingerschiffen sieht man an vielen Orten Schwedens und einer der Fundorte bei Tanum ist sogar durch die UNESCO mit dem Titel Weltkulturerbe geadelt worden, doch Felsritzungen mit trächtigen Elchkühen und Rentieren sind schon eine Besonderheit – und dafür steht Glösa. Die mit rotem Ocker versehenen Felsritzungen – sie sind vermutlich vor etwa 6000 Jahren entstanden – zeigen die Jagd und zugleich den Mythos der Jagd.
Auch Mountain-Biker sind auf dem Olafsweg unterwegs
Mit Sieben-Meilen-Stiefeln nähern wir uns dann Åre (10), ein Mekka des Alpinskisports im Winter und für Downhill-Mountainbike-Fahrer im Sommer. Doch das interessiert uns nicht. Unser Weg führt zur alten Kirche des Ortes: Der Schlüssel zum Kircheninneren hängt neben dem Eingang an der romanischen Steinmauer. Die Kirche ist turmlos, sieht man von dem separat errichteten hölzernen Glockenturm einmal ab. Der Kirchenbau aus der Zeit um 1200 wurde im 18. Jh. erweitert. In jener Zeit entstanden auch der Glockenturm und die steinerne Einfriedung der Kirche. Zu den Kirchenschätzen zählen die reich bemalte Kanzel und das mit einem Pelikan gekrönte Taufbecken.
Die Kirche von Åre
Sehenswert, auch ohne Drahtseilakt
Nein, das dürfen wir uns nicht entgehen lassen, auch wenn wir dafür den Olavsleden verlassen müssen. Wir wollen ihn sehen, den breitesten Wasserfall Schwedens. Also geht es zum Tännforsen (11), der in einem Naturschutzgebiet liegt. Vom Tourismusbüro und Souvenirshop oberhalb des Wasserfalls aus führt ein Naturwanderweg mit Infotafeln zu den brodelnden Kaskaden. Entlang des Wegs findet man Siebenstern, der im Juni und Juli blüht, Acker-Schachtelhalm, der bis zu einem halben Meter in die Höhe schießt, und Sprossenden Bärlapp. Dass der Wasserfall in den 1950er Jahren für Schlagzeilen sorgte, ist nur zwei wagemutigen jungen Männern zu verdanken. Sie überquerten mit einem Rad auf einem Hochseil den Wasserfall!
Schwedens breitester Wasserfall Tännforsen
Ein verheerender Feldzug
Langsam aber sicher nähern wir uns der norwegisch-schwedischen Grenze. Hier begegnen wir auch wieder schwedischer sowie norwegisch-dänischer Geschichte: Truppen unter dem Befehl von Freiherr Carl Gustav Armfeldt zogen südlich des norwegischen Orts Sul gen Trondheim und belagerten die Stadt vergeblich. Als der General erfuhr, König Karl XII. sei bei dem Versuch, mit seinen Mannen von Süden her Norwegen zu erobern, gefallen, ließ er den Rückmarsch antreten. Unterdessen war es Winter geworden und viele der schwedischen Soldaten, nur in leichten Sommeruniformen unterwegs, bezahlten den Rückzug mit ihrem Leben.
Dank sei Carl Johan
Dass wir heute auf dem „Alten Weg“ fern der Europastraße 14 gen Norwegen unterwegs sein können, ist einem weiteren schwedischen Monarchen zu verdanken, nämlich Carl Johan. Dieser veranlasste den Straßenbau nach Norwegen, der 1835 vollendet war, wenn auch nicht zur vollen Zufriedenheit des Regenten, wie überliefert wird. Die Landschaft hat sich unterdessen gewandelt. Die Nadelwälder sind gewichen. Birkenhaine und ausgedehnte Hochmoore mit im Wind wippendem Wollgras sowie kleine Tümpel und Seen dominieren nun. Forschen Schritts kann man Kilometer um Kilometer auf einem breiten Schotterweg zurücklegen.
Ausgedehnte Moore links und rechts des Gamla Vägn
Genauso alt wie der Weg sind auch die zahlreichen Steinbrücken, die in Trockenbauweise errichtet wurden und bis heute halten. Rote Schneebeeren und dunkelblaue Krähenbeeren sind die Farbtupfer in der zartgrünen Natur des Hochfjells, auf dem hier und da Krüppelbirken gedeihen. Nur an Wasserläufen wie dem Kvilbekken stehen noch einzelne von Flechten überzogene Nadelbäume. Dass wir auf dem Weg die Grenze nach Norwegen passiert haben, wäre uns nicht aufgefallen, gäbe es da nicht einen aufgeschichteten Steinhaufen mit norwegischer Flagge am Wegesrand. In diesem Steinhaufen steht zudem obenauf ein Grenzstein von 1929.
Überqueren der schwedisch-norwegischen Grenze
Die Geburtsstunde einer Nation?
Vom Ort der legendären Schlacht von Stiklestad, in der ein hochgerüstetes Heer einer Bauernarmee unterlag, sind wir noch weit entfernt. Doch wir werden zu Fuß oder auch mit öffentlichen Verkehrsmitteln dorthin kommen, keine Frage.
Auf diesen Stein sank der tödlich
getroffene
Olav bei der Schlacht von Stiklestad
In Stiklestad (12), so sehen es viele Norweger, nahm Norwegen seinen Anfang. Als Held und Heiliger verehrt wird Olav Haraldsson, dessen Reiterstandbild oberhalb des Freilichttheaters von Stiklestad steht. Jedes Jahr kommen Zehntausende in diesen Ort, um bei den Olavspielen dabei zu sein. Dann, ja dann wird auch die Schlacht vom 29. Juli 1030 wieder lebendig. Olav bezahlte diese Schlacht mit dem Leben. Der Stein, auf dem sein Haupt niedersank und deshalb eine entsprechende Mulde aufweist, wird im Altarblock in der nahen Kirche aufbewahrt. Der Legende nach soll Olavs Gegner, selbst mit blutenden Wunden bedeckt, mit Blut besudelt gewesen sein, das aus Olavs Halsschlagader sprudelte. Nachdem Olavs Widersacher seinen Körper vom Blut gereinigt hatte, waren, so die Legende, alle eigenen Wunden verheilt.
Westfassade des Nidarosdoms in Trondheim am Ende des Olavswegs
Verlassen wir diesen Ort der Legenden und besuchen das an einem Fjord und dem Fluss Nid gelegene Trondheim (13), das Ziel des St. Olavsleden. Hier lohnt es sich mehrere Tage zu verweilen, in dem trendy Stadtteil Bakklandet das eine oder andere Café zu besuchen, sich auf die Spuren des mittelalterlichen Trondheim zu machen, einen Abstecher zum Ringve Museum zu unternehmen, wo Musik in einem hochherrschaftlichen Anwesen erklingt, und natürlich den gotischen Dom aufzusuchen, wo sich die Grablege Olav Harraldssons befindet. Carpe diem – Nutze den Tag!
Reiseveranstalter Schweden bei schwarzaufweiss
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