Salzburg im Advent

Mehr als nur die Stille Nacht

Text: Winfried Dulisch

Fotos: Salzburger Heimatwerk (4), Tourismus Salzburg (4), Winfried Dulisch (2)

 

Advent- und Weihnachtsmärkte gibt es überall. Aber wo ist noch besinnliche Einstimmung auf die kommenden Festtage möglich? – Winfried Dulisch fand eine Antwort in Salzburg.

Österreich - Sängerinnen vom Salzburger Volksliedchor beim SalzburgerAdventsingen, Foto Franz Neumayr

Foto © Franz Neumayr

Wolfgang Amadeus Mozart und der Jahrhundert-Dirigent Herbert von Karajan wurden hier geboren. Damit hat sich die Stadt als Austragungsort für das wohl weltweit prominenteste Musik- und Theater-Festival qualifiziert. Seit 1920 finden hier im Juli und August die Salzburger Festspiele statt. Deren Highlight ist alljährlich Hugo von Hofmannsthals Mysterienspiel-Bearbeitung des „Jedermann“, die den gesamten Platz vor der imposanten Marmorfassade des Doms bespielt.

Salzburger Christkindlmarkt am Domplatz mit Festungsblick, Foto G. Breitegger

Christkindlmarkt auf dem Salzburger Domplatz, Foto © Guenter Breitegger

An gleicher Stelle findet jedes Jahr im Dezember der Salzburger Christkindlmarkt statt. Dessen Wurzeln gehen zurück auf einen „Tandlmarkt“, der dort im späten 15. Jahrhundert abgehalten wurde. 200 Jahre später wurde daraus jener „Nikolaimarkt", der neben vergleichbaren Märkten in Paris, Wien, Amsterdam und Nürnberg den Maßstab für alle späteren Weihnachtsmärkte setzte.

Österreich - Salzburg im Advent, Foto Guenter Breitegger

In den Gassen von Salzburg vertreiben um den 5. Dezember herum „finstere“ Gestalten den Winter, Foto © Guenter Breitegger

Österreich - Salzburg im Advent - Perchten

Foto © Winfried Dulisch

Doch so richtig zur Top-Destination für Advents- und Weihnachts-Touristen wurde die Stadt am 11. Dezember 1792, dem Geburtstag des Landpfarrers Joseph Mohr. Er ist bekannt als Autor eines Liedes, das immer noch öfter gesungen wird als Lennon/McCartneys „Yesterday“ oder irgendeine Nationalhymne – und das, obwohl seine „Stille Nacht! Heilige Nacht!“ nur an wenigen Tagen des Jahres erklingt.

Der Song mit dem ursprünglichen Titel „Weyhnachts-Lied“ lieferte eines der vielen Argumente dafür, dass die Salzburger Altstadt seit 1997 zum UNESCO-Weltkulturerbe gezählt wird. Als Jospeh Mohrs Geburtshäuser konnten die Historiker bislang mindestens drei Salzburger Adressen ausfindig machen. Zwei davon liegen in der Steingasse.

Als Joseph Mohrs dritter Geburtsort kommt auch das ehemalige Armenhaus der Erzdiözese Salzburg in Frage. In dem Gebäude befindet sich heute das Hotel Weisse Taube. Um keine Scharen von „Stille Nacht“-Fans anzulocken, weist das 4-Sterne-Altstadthotel in seiner Selbstdarstellung betont zurückhaltend darauf hin, dass Joseph Mohr auch hier geboren worden sein könnte.

Stattdessen wirbt der kleine aber feine Beherbergungsbetrieb damit, dass die Hotelmanagerin Christine Gmachl eine ausgewogene Mischung von historischem Charme und zeitgemäßem Komfort verwirklichte, als sie 2014 das damals knapp 650 Jahre alte Haus übernahm. Außerdem rühmt sich das Hotel Weisse Taube der kurzen Fußwege zu sämtlichen Altstadt-Attraktionen. Dazu gehört auch das Große Festspielhaus.

Eröffnet wurde der Musentempel 1960 mit dem „Rosenkavalier“ von Richard Strauss. Leiter dieser Opern-Inszenierung war Herbert von Karajan, der das Festspielhaus seitdem als sein künstlerisches Wohnzimmer betrachtete – zumindest während der sommerlichen Festspiel-Saison. In der übrigen Zeit des Jahres hätte das Haus weitgehend ungenutzt vor sich hingeschlummert, wäre es nicht von dem Heimatkulturpfleger und Volksmusikanten Tobi Reiser (1907-1974) als Bühne für das Adventsingen genutzt worden.

Österreich - Salzburger Adventsingen im Großen Festspielhaus Salzburg Totale, Bühnenbild, alle Mitwirkenden Foto: Franz Neumayr

Das Ensemble des Salzburger Adventsingens auf der ausladend breiten Bühne des Salzburger Festspielhauses, Foto © Franz Neumayr

Tobi Reiser war Geschäftsführer des Salzburger Heimatwerks. Diese Kultureinrichtung widmet sich der Erhaltung und Dokumentation von regionalem Brauchtum und bodenständiger Volkskultur. Als Genossenschaft zur Pflege der Regionalkultur betreibt das Heimatwerk am Residenzplatz eine Verkaufsstelle für authentische Handwerks- Erzeugnisse aus dem Salzburger Land – vor allem Töpferei-Erzeugnisse, Holzschnitzereien und Textilien.

Österreich - Schneiderin in Salzburg

Foto © Winfried Dulisch

Die Schneiderwerkstatt des Salzburger Heimatwerks gilt heute als erste Adresse für Brautpaare, die in einer möglichst authentischen Salzburger Hochzeitstracht heiraten wollen. Bekannt sind auch die Heimatwerk-Publikationen zur Geschichte und Gegenwart der Salzburger Tracht.

1946 organisierte Tobi Reiser eine vorweihnachtliche Gedenkfeier für die Opfer des Weltkrieges. Wegen der großen Nachfrage wiederholte er dieses Nachbarschaftstreffen im Jahr darauf. Ab 1952 prägte zusätzlich der Dorfschullehrer und Schriftsteller Karl Heinrich Waggerl mit seiner sanftmütig knorrigen Erzählstimme den Tonfall des Salzburger Adventsingens.

Tobi Reisers alpenländische Stubenmusik – Zither, Harfe, Hackbrett, Gitarre, Kontrabass – und Karl Heinrich Waggerls Mundartdichtung spiegelten das Lebensgefühl des Salzburger Landes wider. Das Duo legte den Grundstein für eine Veranstaltungsreihe, bei der inzwischen bis zu 150 Sänger und Musiker auf der Bühne des Festspielhauses mitwirken. Jedes Jahr kommen rund 36.000 Besucher zu dieser Veranstaltung, das macht seit 1946 mehr als zwei Millionen.

Als Tobi Reiser 1974 starb, übernahm sein Sohn Tobias die Leitung des Adventsingens. Tobias Reiser schaffte den Spagat zwischen Heimatverbundenheit und Weltoffenheit. Zwischen Volksmusik-Tradition und künstlerischem Wagemut. Zwischen Avantgarde und Nostalgie. Unter Tobias Reisers entwickelte sich das volkstümlich fromme Hirten- und Krippenspiel zum aufwändig inszenierten Vorweihnachts-Mysterienspiel.

Tobias Reiser hinterfragte die Repertoireauswahl seines Vaters und fügte Karl Heinrich Waggerls Geschichten auch Zeilen der jüdischen Lyrikerin Mascha Kaléko und andere nichtchristliche Texte hinzu. Einige wenige erzkonservative Volksmusik-Fans reagierten erbost auf diese „neuen Moden“. Gleichzeitig entdeckten die Liedermacher- und Folkmusic-Freunde der 1960er das Salzburger Adventsingen für sich.

Seinen besonderen Zauber verdankt das Salzburger Adventsingen vor allem dem Zusammenspiel von Profis und virtuosen Amateuren. Als Tobias Reiser kurz nach der Premiere seines letzten Projekts „Då håt vor dem Ståll der Äpfibam bliaht“ (Da hat vo dem Stall ein Apfelbaum geblüht) starb, wollten alle künstlerisch und organisatorisch Verantwortlichen die Arbeit in seinem Sinne unbedingt weiterführen.

Österreich - Cover Alpenländische Lieder und Weisen - Die dritten 25

Cover „Alpenländische Lieder und Weisen - Die dritten 25“

Seit 1999 trägt Hans Köhl die künstlerische Verantwortung. Die von ihm produzierten drei CDs der Serie „Alpenländische Lieder und Weisen“ zeigen, wie das Salzburger Adventsingen des 21. Jahrhunderts klingt. Einen guten Eindruck vom stilistischen Reichtum vermitteln „Die dritten 25“. Das Repertoire auf dieser CD reicht vom „Hirtenruf“ über Mozarts „Ave verum corpus“ und den meditativen „Andachtsjodler“ bis hin zu einem Gebet („Von guten Mächten“) des antifaschistischen Theologen Dietrich Bonhoeffer.

Der Erfolg des Salzburger Adventsingens hat auch dafür gesorgt, dass viele Musikanten im Salzburger Land sich auf ihre regionalen Wurzeln besinnen. Doch für Nicht-Salzburger ist oft kaum erkennbar, welche volksmusikalische Adventveranstaltung das Erbe von Tobi und Tobias Reiser bewahrt und behutsam weiterentwickelt. Wer auf Nummer sicher gehen will, informiert sich über die Festspielhaus-Veranstaltungen am besten direkt beim Salzburger Heimatwerk.

 

Informationen

Tourismus Salzburg
Auerspergstraße 6
A- 5020 Salzburg
www.salzburg.info

Salzburger Festspiele
www.salzburgerfestspiele.at

Altstadthotel Weisse Taube
Kaigasse 9
A 5020 Salzburg
Telefon +43 662 84 24 04
www.weissetaube.at

Ticketservice Salzburger Adventsingen
Salzburger Heimatwerk
Residenzplatz 9
A-5010 Salzburg
Telefon: +43 662 843 182
E-Mail: sbg.adventsingen@heimatwerk.at
www.salzburgeradventsingen.at

Inzwischen erobert die Mozart-Stadt eine weitere Kulturtouristen-Zielgruppe mit ihrem herbstlichen Festivalkonzept „Jazz in The City“. Musikfreunde, die im normalen Leben ihr Ohr niemals dem Free Jazz öffnen würden, lauschen aufmerksam diesen experimentellen Klängen in den mittelalterlichen und barocken Kirchen und Kellern von Salzburg.

Informationen über das „Jazz & The City“ sind zu erfragen bei:
Tourismusverband Salzburger Altstadt
www.salzburg-altstadt.at

Salzburg Card für
- freien Eintritt in alle Sehenswürdigkeiten und Museen der Stadt
- Rabatte auf viele Konzerte, Theaterbesuche und Ausflugsziele
- kostenlose Fahrten mit Transportmitteln des öffentlichen Nahverkehrs
www.salzburg.info/salzburg-card

Szene aus dem Salzburger Adventsingen: Hirten auf der Suche nach dem Stern von Bethlehem, Foto Richard

Szene aus dem Salzburger Adventsingen: Hirten auf der Suche nach dem Stern von Bethlehem, Foto © Richard

 

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