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Als Texas noch in der Heide lag
Ein Besuch im Deutschen Erdölmuseum in der Lüneburger Heide

Text: Dagmar Krappe
Fotos: Axel Baumann

„Es steht ein schwarzes Gespenst im Moor, das ragt über Büsche und Bäume empor. Es steht da groß und steif und stumm...“, so beschrieb der Heide-Dichter Hermann Löns um 1910 in seiner Ballade „Der Bohrturm“ die Gegend um Wietze in der Lüneburger Heide.

Wietze - Erdölmuseum - Wahrzeichen des Museums: Der 54 Meter hohe Bohrturm von 1961
Wahrzeichen des Museums: der 54 Meter
hohe Bohrturm von 1961

Dass es unterm Wüstensand ölig ist und die schwarze Masse vielen Scheichs zu immensem Reichtum verhalf, ist bekannt. Aber dass auch unter niedersächsischem Heidekraut einst das schwarze Gold sprudelte, verwundert doch so manchen Besucher des Deutschen Erdölmuseums. Bereits 1652 haben Bauern in der Südheide um Wietze Ölsand abgebaut. Sie wuschen das Öl aus und schmierten damit Achsen und Deichseln.

Wietze - Erdölmuseum - das Öl sprudelt immer noch
Das Öl sprudelt immer noch

„Als der Hamburger Jungfernstieg 1838 als erste deutsche Straße asphaltiert wurde, kam der Teer dafür aus der Heide“, erzählt Museumsleiter Dr. Martin Salesch. Zwanzig Jahre später führte der Naturwissenschaftler Georg Christian Konrad Hunäus im Auftrag des damaligen Königreichs Hannover Erkundungen nach Rohstoffen durch. Er suchte nach Braunkohle und fand Erdöl. Die erste Bohrung in Wietze erfolgte ein Jahr früher als in Titusville in Pennsylvania, auch wenn die Bohrung von Edwin L. Drake am 27. August 1859 als Beginn des Erdölzeitalters gilt.

Die industrielle Erdölförderung begann zunächst nicht in Wietze, sondern nördlich von Peine. In „Ölheim“, heute ein Ortsteil der Gemeinde Edemissen, entwickelte sich in der Hoffnung auf das große Geld eine wilde Bohrtätigkeit. Um die 50 Firmen und Spekulanten versuchten ihr Glück. Doch schlechte Maschinen und Geräte führten zu einer schnellen Verwässerung und Versalzung der Region. Die Arbeiten mussten größtenteils eingestellt werden. Für viele Geldanleger folgte dem Ruhm der Ruin. Besorgt berichtete auch Hermann Löns über die Umweltschäden, die durch zum Teil ungezügelte Bohraktivitäten entstanden. „Fettlöcher“ nannte er die Teerkuhlen, in denen sich das Öl als bunt schillernde Schicht sammelte.

Wietze - Erdölmuseum - Waschtrog zum Auswaschen von Öl aus Ölsand und Handpumpe um 1900
Waschtrog zum Auswaschen von Öl aus Ölsand und Handpumpe um 1900

„In Wietze war die produktivste Phase von 1900 bis 1920“, sagt Dr. Martin Salesch: „Die Jahresproduktion lag damals zwischen 20.000 und 100.000 Tonnen. 1918 erschloss die Deutsche Erdöl Aktiengesellschaft (DEA) mit einem Schachtbetrieb sogar die bergmännische Förderung von Ölsand und Sickeröl aus einer Tiefe von 300 Metern.“ Auf 95 Meter belief sich die Strecke unter Tage. Das Bauerndorf in der Heide wuchs zu einem Industriestandort heran.

Wietze - Erdölmuseum - Öltank und Leiterwagen mit Holzölfässern von 1905
Öltank und Leiterwagen mit Holzölfässern von 1905

Gebildet haben sich Erdöl und Erdgas während der letzten Eiszeit, als die heutige Heideregion noch ein Meer war. „Das Erdöl entstand aus Plankton, das sehr reich an Kohlenstoff war, da es viele Millionen Jahre unter hohem Druck und hoher Temperatur in mehr als 1.000 Metern Tiefe lagerte“, erklärt der Museumsleiter: „Ein völliger Sauerstoffabschluss hat ein Verwesen der organischen Substanz verhindert und eine Umwandlung des Faulschlamms in die Kohlenwasserstoffbestandteile des Erdöls ermöglicht.“

Wietze - Erdölmuseum - Transportwagen für Petroleum
Transportwagen für Petroleum

Erdöldestillate wurden schon früh in der Medizin gegen offene Wunden, Glieder- und Zahnschmerzen eingesetzt. „75 Prozent des Öls verarbeitete man im 19. Jahrhundert zu Petroleum. Es löste die Waltranfunzel ab, da es eine wesentlich stärkere Leuchtkraft besaß“, so Salesch. Im 20. Jahrhundert ging eine verstärkte Erdölproduktion mit der stetigen Zunahme von Fahrzeugen, Straßenbau, Zentralheizungen und schließlich Kunststoff-, Pharma- und Kosmetikprodukten einher. Unzählige Medikamente und Kosmetika sind heute Derivate aus Erdöl oder Erdgas. Einige können ihre Herkunft nicht verhehlen. Sie riechen sogar nach Teer.

Wietze - Erdölmueum - Pumpe mit Förderturm von 1905
Pumpe mit Förderturm von 1905

1963 endete die Erdölgewinnung in Wietze. Die Schutzzölle für einheimische Mineralöle entfielen. Die Förderung wurde zu kostenintensiv. Seit 1970 können Besucher nun auf dem ehemaligen Gelände Original-Kehrradantriebe, Tiefpumpen und Fördertürme von 1905 bestaunen und größtenteils per Knopfdruck in Bewegung setzen, so dass es rattert und surrt, die Ölpumpen wieder vor sich hin nicken. 1.200 Pumpen gab es zu Spitzenzeiten auf dem Terrain. Jede förderte durchschnittlich 200 Liter Öl am Tag. Ein Geruch von Teer liegt selbst 50 Jahre nach Schließung der Anlage noch an verschiedenen Stellen in der Luft.

Wietze - Erdölmuseum - Vibrator-Fahrzeug
Vibrator-Fahrzeug

Das Wahrzeichen des zwei Hektar großen Außengeländes ist ein 54 Meter hoher Bohrturm, der von 1961 bis 1986 bei der Firma Wintershall für Bohrungen bis 6.000 Meter Tiefe im Einsatz war. Auch Vibrator-Fahrzeuge für seismische Untersuchungen, Leiterwagen mit Holzfässern aus der frühen Zeit der Förderung, Wachströge zum Auswaschen von Öl aus Sand, Öltanks oder ein Turbolift, der zum Druckausgleich dient, sind faszinierende Gegenstände aus der Welt des schwarzen Goldes. In der Ausstellungshalle kann man seine eingerosteten Chemiekenntnisse auffrischen. Hier werden die Entstehung, der Abbau und die Raffination von Erdöl und Erdgas an Schautafeln und Modellen erklärt.

Wietze - Erdölmuseum - Turbo-Lift zum Druckausgleich
Turbo-Lift zum Druckausgleich

Über 2000 Bohrungen erfolgten in Wietze. Bis zur Schließung wurden 3,2 Millionen Tonnen Erdöl gefördert. Im Vergleich zur derzeitigen Weltproduktion, die bei 4.000 Millionen Tonnen liegt, ein eher geringer Anteil. Ganz erschöpft ist die Ausbeutung in Deutschland auch heute noch nicht. Die meisten Erdölfelder befinden sich in Niedersachsen und Schleswig-Holstein.

Wietze - Erdölmueum - Bohrköpfe
Bohrköpfe

Die schwarzen Gespenster der Heide aber sind längst verschwunden. „In Rosenrot prangt das Heideland“, könnte Hermann Löns wieder dichten.

 Reiseinformationen

Anreise

Autobahn A7 Richtung Hannover, Abfahrt Schwarmstedt. Von dort 10 Kilometer auf der B 214 bis Wietze.

Deutsches Erdölmuseum
Schwarzer Weg 7 – 9
29323 Wietze (in der Südheide)
Tel. 05146 92340
www.erdoelmuseum.de
Öffnungszeiten:
1. März bis 30. November: Di bis So, 10 bis 17 Uhr
Juni bis August: Di bis So, 10 bis 18 Uhr
Juli und August: auch Mo, 10 - bis 18 Uhr

Auch mit dem Fahrrad ist Wietze gut zu erreichen. Es liegt am Aller-Radweg: www.allerradweg.de. Er führt über 328 Kilometer von der Weser (bei Verden) Richtung Elbe (bei Magdeburg). Auf 160 Kilometern zwischen dem Lugenstein in Verden und der alten Ratsmühle in Celle erstreckt sich die Energie-Route, die das Erdölmuseum einschließt und an insgesamt 42 Stationen über die Nutzung regenerativer Energien und Formen historischer Energiegewinnung informiert.

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