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Gundermann, Giersch und Co.
Eine Kräuterreise ins Tölzer Land

Text und Fotos: Ulrich Traub

Er gibt der Landschaft im Frühling ihr Gesicht: der Löwenzahn. Gelbe Farbtupfer, so weit das Auge reicht. Wer hier durch die Wiesen spaziert, könnte glatt der Gelbsucht zum Opfer fallen. Aber keine Sorge, es gibt bestimmt ein Kraut, das dagegen hilft.

Tölzer Land - Radlerziel: Bad Tölz und die Marktstraße, die schon oft als Filmkulisse diente
Bad Tölz und die Marktstraße, die schon oft als Filmkulisse diente

Das Tölzer Land, die Region zwischen Isar und Loisach, zu Füßen des Karwendelgebirges, ist als Urlaubsziel bestens eingeführt. Doch seit ein paar Jahren hat der schöne Landstrich einen Schatz entdeckt, an dem man bislang meist achtlos vorbei spaziert ist: die heimischen Wildkräuter. Und weil alle Welt von Nachhaltigkeit redet, hat man rund um Bad Tölz (1) gehandelt und eine Maßnahme gestartet, die Frauen aus der Landwirtschaft ein zweites Standbein verschaffen soll. Sie werden zu staatlich zertifizierten Kräuterpädagoginnen ausgebildet. Und was hat das mit dem Löwenzahn zu tun? Nun, der gelbe Stimmungsaufheller ist vielleicht der bekannteste Vertreter der vermeintlichen Unkräuter, deren Qualitäten man gerade (wieder-) entdeckt.

Tölzer Land - Wellness auf oberbayerisch: Mountainbiken und Wandern auf den Löwenzahnwiesen
Wellness auf oberbayerisch: Mountainbiken und
Wandern auf den Löwenzahnwiesen

Erika Ledermüller, natürlich im Dirndl gewandet, sammelt gerade die Zutaten für eine Brotzeit. „Unser so genanntes Unkraut kann eine Delikatesse sein“, ruft sie den staunenden Kräuter-Laien zu. „Kennen Sie das hier?“ Allgemeines Kopfschütteln. „Das ist eine gelbe Taubnessel, die schmeckt sehr süß. Und das hier ist unser Gundermann, ein aromatisches Würzkraut, genauso wie der Spitzwegerich.“ Auch dessen Blätter könne man verwenden. In den Schuh gelegt, sollen sie bei Blasen helfen.
Die Kräuterexpertin betont: „Unser Augenmerk richtet sich weniger auf die Heilkunde, sondern auf die Bedeutung der Kräuter für die Ernährung.“ Das Wissen von den Wildkräutern, die in Notzeiten ein wichtiges Nahrungsmittel waren, sei für lange Zeit komplett vergessen worden. Während sie erklärt, zupft und rupft sie am Wiesenrand. Fast alles, was dort eine bunte Blüte trägt, scheint genießbar zu sein. Erika Ledermüller rät: „Aber reißen Sie die Pflänzchen nicht mit der Wurzel aus.“ Vor allem betont sie, wie schmackhaft die Wildkräuter seien. „Das ist Biokost ohne Siegel und Zertifikat.“ Da wird man richtig neugierig auf eine Kostprobe.

Tölzer Land - Kräuterpädagogin Erika Ledermüller auf der Suche nach den Zutaten für einen Imbiss
Kräuterpädagogin Erika Ledermüller auf der
Suche nach den Zutaten für einen Imbiss

Der „Supermarkt“ der Kräuterpädagogin liegt am Kloster Benediktbeuern (2), wo der etwas dumpfe, leicht stechende und sehr dominante Duft des Bärlauchs, der hier Rams heißt, über die Wiesen weht, auf denen rund 20 essbare Wildkräuter zuhause sind. In Benediktbeuern, wo im berühmten Klosterrezeptar aus dem 13. Jahrhundert schon die Wirkung der Kräuter sozusagen aktenkundig geworden ist, hat das Kräuterzentrum den richtigen Ort gefunden. Hier werden Workshops, Führungen in die Natur und jede Menge Produkte aus heimischen Kräutern angeboten, die die Kräuterexpertinnen oft auch selber herstellen.

Tölzer Land - Wildkräuterzentrum: Benediktbeuern und sein Kloster
Wildkräuterzentrum: Benediktbeuern und sein Kloster

Zum Probieren gibt es Aufstriche aus Wildkräutern, einen bunten Salat mit dicken Löwenzahnblüten und Kräuterbrot, dazu Käse und Schinken mit Kräuterrand. Eine Schorle, für die man die Vitamin C-reichen Blätter des Gierschs über Nacht in Apfelsaft eingelegt hat, gibt es als Erfrischungsgetränk. Wer hätte geahnt, dass „Unkraut“ so schmackhaft sein kann.
Man sieht die Natur mit anderen Augen, wenn man den Ausführungen der Päda-goginnen aufmerksam gelauscht hat und deren Produkte probiert hat. Von einer „Kur in der Natur“ spricht Annemarie Baumgartner und meint damit ein bewusstes Sich-Bewegen in der heimischen Landschaft. Auch sie ist Kräuterpädagogin aus Leidenschaft. „Es ist eine tolle Aufgabe, Menschen unsere Natur nahe zu bringen“, freut sich die engagierte Frau, die über alle der über 400 Pflanzen im Bad Heilbrunner (3) Kräuterpark informativ und kurzweilig erzählen kann.

Tölzer Land - Ein paar der über 400 Kräuterpflanzen im Blick: Besucher im Kräuterpark von Bad Heilbrunn
Ein paar der über 400 Kräuterpflanzen im Blick:
Besucher im Kräuterpark von Bad Heilbrunn

Den Huflattich lernt man als „Safran des armen Mannes“ kennen. Bärlauch sei ein „Jungbrunnen“ und „ganz was G’sundes“. Weinraute und Ysop enthielten wichtige Bitterstoffe. „Unsere Nahrung heute ist nämlich viel zu süß“, weiß Annemarie Baumgartner. Da sei es nicht schlecht, dass mittlerweile auch die Gasthäuser ihre Küchen für die heimischen Kräuter geöffnet hätten.

Tözer Land - Ganz was G’sundes: Annemarie Baumgartner bei einer ihrer kurzweiligen Führungen im Kräuterpark in Bad Heilbrunn
Ganz was G’sundes: Annemarie Baumgartner bei einer ihrer
kurzweiligen Führungen im Kräuterpark in Bad Heilbrunn

Bei den Tafernwirten, einem Zusammenschluss von Wirten aus dem Tölzer Land, die sich regionaler Küche verpflichtet fühlen, gehört ein Wildkräutersalat schon zum Standard. „Für alles Weitere gehen wir noch bei den Damen von der Kräuterpädagogik in die Lehre“, erzählt Rudolf Rohrmoser von der „Reindlschmiede“ in Bad Heilbrunn.

Die vor allem in Biologie und Pflanzenkunde ausgebildeten Kräuterpädagoginnen – längst nicht mehr nur Bäuerinnen – sind engagierte Mittlerinnen, die auch in Schulen und Kindergärten im Einsatz sind. „Wer Kräuter sammelt, tut was für sich“, meint Annemarie Baumgartner. „Hier im Tölzer Land ist so was wie eine Gegenbewegung zum Action Entertainment entstanden.“ Statt der Kurgäste kommen nun Urlauber nach Tölz und Heilbrunn, die entschleunigen wollen. Kräuter-Wellness – ob in freier Wildbahn oder in Form von Bädern und Massagen im Hotel – passt da bestens ins Programm.

Tölzer Land - Das Gesicht der Landschaft im Frühling. Blühende Löwenzahnwiese bei Wackersberg mit Blick auf das Karwendelgebirge
Das Gesicht der Landschaft im Frühling. Blühende Löwenzahnwiese
bei Wackersberg mit Blick auf das Karwendelgebirge

Wer bislang geglaubt hat, dass Löwenzahn nur eine schöne gelbe Blüte hat, muss umdenken. Wenn man etwa vom Heilbrunner Kräuterpark aus durch die Wiesen in Richtung Ramsau (wer aufmerksam gelesen hat, kann sich denken, woher der Ort seinen Namen hat) oder in Wackersberg auf dem Richard von Weizsäcker-Weg mit dem Karwendel-Massiv als Kulisse wandert, könnte man eigentlich die Zutaten für einen Salat gleich mitnehmen. Nur sollte man den Kräuterpädagoginnen gut zugehört haben. Eigentlich nicht verwunderlich, dass das, was in dieser scheinbar noch intakten Landschaft wächst, auch gut schmecken muss.

Tölzer Land - Alles so schön bunt hier: Salat mit Wildkräutern
Alles so schön bunt hier: Salat mit Wildkräutern

Reiseinformationen

Informationen

Tölzer Land Tourismus: 08041/505206, www.toelzer-land.de

www.kraeuter-erlebnis-region.de (Hier findet man Kräuter-Gastgeber und Pauschalen)

Bad Heilbrunn: 08046/323, www.bad-heilbrunn.de

Kräuter-Erlebnis-Laden in Benediktbeuern (Führungen und Kurse): 08857/88734

Zentrum für Umwelt und Kultur Benediktbeuern: 08857/88777, www.zuk-bb.de

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