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Lecker Stöffche
Eine Genießerreise zum Apfelwein in den Odenwald

Text und Fotos: Ulrich Traub

Der Apfel ist als Symbol der Verführung in die Kulturgeschichte eingegangen. Soll er einst Anlass für die Vertreibung aus dem Garten Eden gewesen sein, so ist er in dem Landstrich, von dem nun die Rede sein soll, eher das Gegenteil: eine Einladung zu paradiesischen Genüssen.

Odenwald - Reine Handarbeit: Apfelernte auf einer Streuobstwiese
Reine Handarbeit: Apfelernte auf einer Streuobstwiese

Wir treffen Peter Merkel, den Professor des Apfelweins, in seiner kleinen Kelterei am Rande des Waldes, am Ende des Dorfes Annelsbach (1). Hier, mitten in den grünen Hügeln des Odenwaldes und umgeben von Streuobstwiesen, liegt es also: das Paradies für die Freunde des Apfelweins. Die Ruhe, die dieser ins Grün gebettete Weiler ausstrahlt, nimmt gleich gefangen. Entschleunigung ist angesagt – und eine Lektion in Apfelweinkunde.

Odenwald - Der Apfelwein-Professor bei der Arbeit: Peter Merkel füllt Äpfel in seine alte Pressmaschine
Der Apfelwein-Professor bei der Arbeit: Peter Merkel
füllt Äpfel in seine alte Pressmaschine

Das hessische Nationalgetränk erfreut sich immer größerer Beliebtheit, da will man doch wissen warum. „Vielfalt statt Standard ist unser Motto“, führt Peter Merkel ein. Der gelernte Koch ist Apfelweinwinzer aus Leidenschaft. „Um herausragende Weine erzeugen zu können, haben wir vor vielen Jahren angefangen, sortenrein zu keltern.“ Das führt dazu, dass wir bei der Verkostung erst einen Bohnapfel, dann den Brettacher Sämling und schließlich eine Goldrenette von Blenheim probieren. Äbbelwoi, den Liebhaber gerne ‚Stöffche’ nennen, muss nicht immer staubtrocken und extrem sauer schmecken. Das lernen wir schon beim ersten Schlückchen.

Odenwald - Lehrreich: Auf den Lehrpfaden erfährt man von Apfelsorten, die man in den Auslagen der Supermärkte vergeblich sucht
Lehrreich: Auf den Lehrpfaden erfährt man von
Apfelsorten, die man in den Auslagen der
Supermärkte vergeblich sucht

Das Obst, das im Familienbetrieb verarbeitet wird, kommt von den eigenen, uralten Streuobstwiesen. „Es ist gehaltvoller und natürlich unbehandelt.“ Darauf weist der Professor der Pomologie hin, der seinen Titel einem Landrat verdankt, der Merkel ob seiner Verdienste um den Apfel ausgezeichnet hat. „Mir liegen Erhalt und Pflege unserer Wiesen am Herzen, sie sind ein wichtiges Stück Landschaftskultur des Odenwaldes.“

Der Apfel spielt auch in der Küche des Restaurants eine tragende Rolle. Peter Merkel experimentiert eben gerne – beim Keltern wie beim Kochen. So kann der Gast sich an Maronensuppe mit glasierten Apfelstückchen, einem Apfelwein-Sauerbraten vom Wild und einer Apfelweintorte gütlich tun. Merkel ist auch bei den so genannten Wirtshauskelterern aktiv. Sie wollen den Äbbelwoi als Qualitätsprodukt stärken und auf ihren Speisenkarten das Regionale betonen.

Odenwald - Apfelwein-Experte Armin Treusch in seiner Pomothek in Reichelsheim
Apfelwein-Experte Armin Treusch in seiner Pomothek in Reichelsheim

„Wir bekennen uns zu unserer Heimat und stellen ihre hervorragenden Produkte in den Mittelpunkt.“ So drückt es Merkels Bruder im Geiste, Armin Treusch aus Reichelsheim (2), aus. Seine seitenlange Speisenkarte erklärt uns, wo Fisch und Fleisch, Gemüse und Käse herkommen: aus der Nachbarschaft. „Unsere Kräuter wachsen im eigenen Garten“, ergänzt Treusch. Vorbildlich. Bei der Äbbelwoi-Auswahl gilt es, unter 15 verschiedenen den Richtigen zu finden. Der Chef kommentiert unser Erstaunen: „Der Apfel hat ein größeres, nuancenreicheres Geschmacksspektrum als die Traube.“ Als Aperitif empfiehlt Armin Treusch, auch er ein gelernter Koch, aber einen Apfelschampus. „Den stellt mein Freund Dieter Walz nach der traditionellen Champagnermethode her, eine Odenwälder Spezialität.“

Schattenplatz: Pause unter einem Apfelbaum im Hügelland des Odenwalds
Schattenplatz: Pause unter einem Apfelbaum im Hügelland des Odenwalds

Doch vor dem Schlemmen hatten wir uns in der reizvollen Umgebung umgeschaut. Wanderwege mit dem Logo eines roten Apfels führen durch das hügelige Land, dessen höchste Erhebung auf den schönen Namen Katzenbuckel hört und gerade mal 626 Meter hoch ist. Etappenziele sind hübsche Dörfer wie Fränkisch-Crumbach (3) oder Schlierbach (4), wo das kleine Apfelweinmuseum davon erzählt, dass Keltern im Odenwald auf eine lange Geschichte zurückblickt. Auf dem Weg über Streuobstwiesen und Lehrpfade stoßen wir auf kleine, oft private Keltereien und traditionsreiche Gasthäuser wie die „Freiheit“ in Laudenau (5). Wir wären nicht im Odenwald, wenn hier kein Äbbelwoi ausgeschenkt würde.

Odenwald - Ausflugsziel: Markt in Michelstadt mit dem originellen Fachwerk-Rathaus aus dem 15. Jahrhundert
Ausflugsziel: Markt in Michelstadt mit dem originellen
Fachwerk-Rathaus aus dem 15. Jahrhundert

Highlights sind das romantische Michelstadt (6) mit Fachwerkgassen, Marktplatz, Burg und einem der letzten Beispiele karolingischer Architektur: der Einhardsbasilika. Sie wurde um 820 von Einhard, einem Hofgelehrten und Biografen Karls des Großen erbaut. Auch das benachbarte Erbach (7) mit Schloss, Barockgarten und Elfenbeinmuseum lohnt einen längeren Besuch. Wer jetzt annimmt, Elefanten würden sich im Odenwald zuhause fühlen, muss enttäuscht werden. Die Elfenbeinschnitzerei ging zurück auf den Spleen eines Grafen.

Odenwald - Ohne Apfelbaum: der Barockgarten in Erbach; im Hintergrund links das Schloss
Ohne Apfelbaum: der Barockgarten in Erbach;
im Hintergrund links das Schloss

Das Keltern von Apfelwein ist indes keine verrückte Idee gewesen, sondern hing mit dem durch Klimawandel bedingten Ende des Weinbaus vor ein paar Jahrhunderten zusammen. Die Rebstöcke wichen den robusten Apfelbäumen. Dass die Wiesen erhalten bleiben, dafür kämpfen und keltern die Apfelweinwinzer. „Odenwald und Äbbelwoi, das gehört zusammen“, meint Armin Treusch. In Frankfurt, der Apfelwein-Hauptstadt, habe man das Stöffche erst später entdeckt. Peter Merkel fügt selbstbewusst hinzu, dass man im dortigen Äbbelwoi-Stadtteil Sachsenhausen kaum einen sortenreinen Apfelwein bekomme. „Bei uns ist er mittlerweile eine Selbstverständlichkeit.“ Jetzt seien sogar die Grand Crus auf dem Vormarsch. Nichts wie hin: Noch ist der Odenwald ein Geheimtipp für Genießer.

Reiseinformationen

Reiseinformationen

Odenwald Tourismus: 06061/965970, www.odenwald.de

Adressen von Kelterern, Direktvermarktern und Restaurants sowie Wandertipps und Wissenswertes rund um den Apfel(-wein) erfährt man auf: www.apfelwein.de, www.apfelweinroute.de

Hotel-/Restaurant-Tipps

„Dornrös’chen“: 3-Sterne-Hotel im Zeichen des Apfels, in Höchst-Annelsbach, mit Restaurant und Apfelwein-Boutique (06163/2484, www.dornroeschen-annelsbach.de)

„Treuschs Schwanen“ und „Johannesstube“: Spitzengastronomie und Odenwälder Gasthaus in Reichelsheim (06164/2226, www.treuschs-schwanen.com)

„Zur Freiheit“: Regionale Küche, in Reichelsheim-Laudenau, direkt am Wanderweg (06164/1032, www.zurfreiheit.de)

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