schwarzaufweiss.de

Berge und Me(e)hr
Mit dem Fahrrad durch Katalonien

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Spanien - Katalonien - Küste

Empordà/Katalonien. Zahlreiche víes verdes, grüne Wege, wurden auf ehemaligen Bahntrassen ausgeschildert, ebenso viele Radwege auf Feldwegen und kleinen Nebenstraßen und die große Katalonienradtour Pirinexus, die das spanische und das französische Katalonien auf 351 Kilometern verbindet.

Geschichtsträchtige Sehenswürdigkeiten und die bekannt formidable katalanische Küche lassen sich auf diversen Wegen per Rad erfahren. Die „Empordà Wein Tour“ von Cicloturisme verbindet diese Routen und erfreut Radfahrer mit besten einheimischen Spezialitäten, führt aber auch an vielen mittelalterlichen Dörfern und römisch-griechischen Ruinen vorbei.

Spanien - Katalonien - Toroella de Montgrí

Girona (1) mit seinem jüdischen Viertel, bezaubernden Gassen, Kopfsteinpflaster, zwei Kathedralen und vier Flüssen ist ein guter Einsteig. Abends gegen 21 Uhr füllen sich die Restaurants langsam. Schließlich ist die katalanische Küche berühmt. Im „Draps“ teilt man sich zu mehreren die Spezialitäten, die auf großen Tellern serviert werden: Els Escalivats zum Beispiel, geröstete Auberginen, Paprika und Zwiebeln oder Coca d’escalivata amb formatge de cabra, eine Art Auberginenkuchen mit Ziegenkäse überbacken.

Die Kalorien wollen abgestrampelt werden. Und so beginnt die Tour mit einem Transfer nach Madremanya (2) am Fuße der Gavarres-Gebirges, Start- und Endpunkt der Tour. Madremanya ist ein bezauberndes mittelalterliches Dörfchen mit kleiner Kirche, kleinem Dorfplatz und Steinhäusern drumherum. Im Hotel und Restaurant „La Plaça“ lockt ein überdachter Fahrradparkplatz. „Am Ende der Tour ist der Aufenthalt hier wie ein Preis“, meint Estel von Cicloturisme. Fürwahr, das Anwesen mit seinen unterschiedlichen Zimmern ist eine Oase der Ruhe – und der Kulinaria. Wer will, bucht hier beim Küchenchef einen Kochkurs dazu. Die Gemüse und Kräuter werden mit dem Koch zusammen im Garten ausgesucht und geerntet, dann geht es an die Arbeit.

Zur wilden Küste

Das nächste mittelalterliche Dorf liegt nicht weit entfernt: Monells mit seiner arkadenumrankten Plaça, unter denen die Leute „frühstücken“, wie Estel meint. Nun, es stehen kapitale Weinflaschen auf den Tischen, die Kinder üben Seilspringen, die Kirchturmuhr schlägt elf und aus einer Werkstatt dringt das Kreischen einer Kreissäge. Monells (3) ist ein nur wenig bekanntes Kleinod mit Häusern aus goldgelb in der Sonne leuchtendem Sandstein, einem Gesamtensemble mittelalterlicher, behutsam restaurierter Architektur.

Spanien - Katalonien - „Cellar Mas Oller“

Hier im Hinterland der Costa Brava gibt es auf wenigen Kilometern viel Unterschiedliches: Gemüsefelder und Meeresfrüchte, mittelalterliche Dörfer und zahlreiche Museen, Hügel und Küste. Am „Cellar Mas Oller“ (4) erwartet Winzer Martín Cuervo die Radfahrer zu einer Führung über das Weingut und zu einer kleinen Weinprobe. „Wir haben hier 16 Hektar Weingut“, erklärt er stolz, „und bauen auch autochthone Sorten an, also Rebsorten, die ausschließlich hier vorkommen, beispielsweise Ricapoll.“ Bei den deutschen Radfahrern sei der „Pur“ am beliebtesten. Stimmt, bei der Verkostung kriegt er auch von mir die beste Note. Aber wie transportieren? „Ah, kein Problem, meine Weine kann man in Deutschland per Internet bestellen!“, sagt Martín. Stolz sei er außerdem darauf, dass die Weine aus dieser Gegend mit einer kontrollierten Herkunftsbezeichnung geschützt sind: D.O. Empordà – Costa Brava.

Spanien - Katalonien - Llafranc

Zur wilden Küste, Costa Brava, mit ihren zackigen Klippen und sandigen Buchten radeln wir nun bis Llafranc (5). Was einigen vielleicht von früheren Urlauben her als eine Küste voller Bettenburgen in Erinnerung sein dürfte, führt sich hier ad absurdum. Lllafranc wird zwar an Wochenenden stark von Einheimischen besucht, ist und bleibt aber ein kleiner Ort mit schöner, weit geschwungener Bucht und Sandstrand. Da entlang führt die Promenade mit unzähligen Cafés. Doch wer könnte dem brandenden Mittelmeer widerstehen? Ab in die Fluten heißt zunächst das Gebot.

Aus der Zeit geworfen

Von der Küste aus schraubt sich die Straße eine kurze Weile durch Pinienwälder steil hinauf und gibt ab und an Blicke auf die zerklüftete Küste frei. Vorbei geht es an einem Mas, Bauernhaus, das in der Sonne leuchtet, dann befindet man sich wieder im Hinterland zwischen Kartoffeläckern und Reisfeldern. Rund um Pals (6) gibt es sie, die Reisfelder, die mit dem Wasser des Rio Ter bewässert werden. „Früher“, erzählt Estel, „wurden sie regelmäßig von den Fluten des Ter überschwemmt. Deshalb sind die meisten Dörfer auch oben auf den Hügeln.“ Noch 1940 gab es eine riesige Überschwemmung mit vielen Toten. Heutzutage aber sei der Ter durch Stauseen reguliert, die unter Franco angelegt worden waren. Viel Ter-Wasser wird direkt nach Barcelona geleitet, und der Ter und seine Flora und Fauna sterben bzw. trocknen aus. Das führt zu Protesten und Diskussionen. „Aber die in Barcelona sind mehr als wir.“

Spanien - Katalonien - Pals

Oben in den Läden von Pals gibt es ihn, den Reis, genauso wie die berühmten Marmeladen aus Torrent, denen man dort sogar ein Museum gewidmet hat. Ein Schlaraffenland für Schleckermäuler. Und einmal mehr eines für Mittelalterfans: Auch im vorbildlich restaurierten Pals fühlt man sich zwischen dem mächtigen Uhrenturm aus dem 11./12. Jahrhundert, dem Torre de les Hors, der 994 erbauten, aber immer wieder umgebauten Kirche Sant Pere, der Stadtmauer und den sich windenden Gässchen wie aus der Zeit geworfen.

Die größten Esel

Rasant ist die Abfahrt, das Auto vor mir scheint gar nicht zu beschleunigen. So bleibt Zeit, einmal mehr den Aufkleber mit dem Nationalmaskottchen an einer Heckscheibe zu bewundern: Schwarzer Esel, weiße Schnauze, überdimensioniert wirkende Ohren. Katalonien ist Heimat der größten Eselrasse der Welt mit einem Stockmaß von bis zu 1,60 Metern, und so mancher Katalane drückt seine Heimatverbundenheit oder auch seinen Widerwillen gegen die spanische Herrschaft mittels dieses grauen, störrischen Tiers aus. Beliebt ist außerdem das CAT-Zeichen. Cat steht für Catalunya, Katalonien, und da es auf Englisch Katze bedeutet, verwendet man auch oftmals eine stilisierte Katze. – Einige Grundkenntnisse des Catalá, Katalanischen, schaden also nicht, genauso wie man sich zumindest ein wenig mit der katalanischen Geschichte befasst haben sollte. Merke: Katalonien ist nicht Spanien.

Spanien - Katalonien - Toroella de Montgrí

Mitten durch die Reisefelder in den „Basses d’en Coll“ kann man auch radeln. Die Tradition des Reisanbaus existiert hier nachweislich bereits seit dem 15. Jahrhundert. Im Zickzack geht es durch diese eigenartige, verträumte Landschaft, Wasser links, Wasser rechts, und später schnurgeradeaus auf einem holprigem Feldweg am Fluss Ter entlang bis Toroella de Montgrí (7) mit seinen ebenfalls schnurgeraden Straßen, mittelalterlichen Türmen und einer Burg aus dem 13. Jahrhundert, die 300 Meter hoch über der Stadt thront.

Reis und Ruinen

Eine Reismühle kann man in Pals besichtigen. Zu viel Reis? Zu viel Mittelalter? In Palafrugell (8) befindet sich das Korkmuseum, in Torrent (9) das Marmeladenmuseum, die Ölmühle Trull liegt bei Cabanes (10), in L’Escala (11) ist das Anchovismuseum, etwas außerhalb ein Museum mit der ältesten Getreidemühle der Provinz Girona „Ecomuseu Farinera de Castelló d’Empúries“, und in der im 13. Jh. erbauten Burg von Perelada (12), einem ehemaligen Konvent der Karmelitermönche, kann man ein Museum besichtigen und nebenan in der 1929 gegründeten Wein- und Sektkellerei auch probieren. Ganze 5.500 Bariquefässer lagern in den Kellergewölben, schon vom Geruch, den sie verströmen, wird einem leicht schwummerig. Einst im Besitz der Condes von Perelada war damit im 19. Jahrhundert Schluss, denn die beiden letzten Brüder blieben unverheiratet, ihre Schwester war geschieden, und so gab es keine Nachfahren. 1923 kaufte Sr. Miguel Matteo die Burg als Investition für seine Kunstsammlungen und entdeckte im Keller eine kleine Bodega der Mönche. Ein Glücksfall, denn er entschied, den Weinanbau zu reaktivieren. Die beeindruckende Bibliothek schließlich enthält über 80.000 Bücher, davon alleine 1.000 über Don Quijote. Nach einem abschließenden Gang durch das Weinmuseum darf natürlich ein Schluck Cava nicht fehlen. Aber nur ein Schluck, denn das Weingut La Vinyeta (13) folgt auf dem Fuße.

Spanien - katalanischen Spezialitäten

Dort gibt’s zunächst eine Unterlage aus selbst produzierten katalanischen Spezialitäten: u. a. Botifarra, die katalanische Nationalwurst aus Schweinefleisch, Salz, Pfeffer und Knoblauch, Schinken, Apfelmarmelade, Ziegenkäse. „Bon profit!“ wünscht einer auf Katalanisch, guten Appetit. Marta und Josep sind beide Weinbauingenieure und haben sich an das Projekt gewagt, hier ökologisch anzubauen. Die Leute aus dem Dorf hatten ihnen den Vogel gezeigt: „Das wird nie was!“, erzählt Marta. Heute bauen sie 19 verschiedene Trauben an, autochthone Sorten genauso wie neue, experimentelle. Auf einem Spaziergang durch die Reben kann man sie alle sehen. Und hinterher natürlich verkosten.

Spanien - Katalonien - Weingut La Vinyeta

Nach so viel Wein nicht zu vergessen: Das Meer. Ein besonders schöner Radweg führt direkt am Ozean und kleinen Dünenstränden und –buchten entlang ab L’Escala (14). Auch Griechen und Römer wussten schon, wo es sich gut leben lässt, und so stößt man hier geradewegs auf die Ruinen von Empúries (15). Eine erste Siedlung wurde bereits im 6. Jh. v. Chr. von griechischen Händlern aus Phokis im nebenan liegenden Sant Martí d’Empúries gegründet. Emporion, Markt, wurde die später erweiterte Kolonie in der Néa Polis, neuen Stadt, auf dem Gelände der heutigen Ausgrabungen genannt. Später landeten die Römer im Hafen an, und die Wechselfälle der Geschichte nahmen ihren Lauf. Unter Cäsar Augustus wurden griechische und römische Stadt unter dem Namen Municipium Emporiae vereint. Die Ausgrabungen können besichtigt werden, das Amphitheater in der römischen Stadt etwa, oder das Asklepeion in der griechischen Stadt, ein therapeutisches und religiöses Zentrum, das einst Asklepios, dem Gott der Heilkunst gewidmet war. Einige Stunden kann man hier schon zubringen, obwohl die Ruinen erst zu einem Viertel ausgegraben worden sind. Nebenan lockt Sant Martí d’Empúries. Heute ein gut erhaltenenes Dorf mit hübschen Kneipen.

Spanien - Katalonien - Ruinen von Empúries

Fazit: Entlang der Radroute durch die so genannte katalanische Toskana besichtigt man Bodegas und huldigt dem Wein oder Sekt, Reis- oder Olivenmühlen, der Gastronomie der mediterranen Küche und gastronomischen Museen. Mittelalterliche Dörfer, wilde Küstenabschnitte, fruchtbares Hinterland, steile Berge am Horizont, für jeden ist etwas dabei.

Reiseinformationen zu Katalonien

Informationen

Katalonien Tourismus
Palmengartenstr. 6
60325 Frankfurt am Main
Tel. 069/74 22 48 73
E-Mail: info.de@act.cat
www.catalunya.com

Anbieter

Die „Empordà Wein Tour“ kann inkl. Übernachtungen, Frühstück, Roadbook, Karten, Gepäcktransport etc. gebucht werden bei:

Cicloturisme, C/Impressors Oliva, 2A, E-17005 Girona, Spanien, Tel. +34 972 22 10 47, www.cicloturisme.com

An-/Abreise

Bis Perpignan/Frankreich ist die Anreise in Zügen mit Fahrradmitnahme möglich www.bahn.de Outdoor Empordá organisiert ab dort gerne einen Transfer!

Flüge nach Barcelona mit Vueling www.vueling.com Fahrräder als Sondergepäck in Kartons verpackt, Pedale abschrauben, Luft aus den Reifen lassen. www.vueling.com/es/servicios-vueling/prepara-tu-viaje/maletas/

Literatur und Karten

Thomas Schröder, Katalonien, Michael-Müller-Verlag, ISBN 9783899536904, 22,90 €.

Michael Ebmeyer: Gebrauchsanweisung für Katalonien. Piper Verlag, ISBN 9783492275538, 12,90 Euro.

Christian Leetz: Lesereise Katalonien. Die ewige Suche nach des Esels Seele. Picus Verlag.

 

Website der Autorin: www.judith-weibrecht.de

 

 Mobilseiten im Überblick

 schwarzaufweiss.de Startseite