Die Lust, Musik zu machen
Niafunké, südlich von Timbuktu gelegen, besteht aus eingeschossigen Häusern im Sudan-Stil, mit eingeritzten Ornamenten in den Lehmwänden, die breite staubige Straßen säumen. Ein kleiner Markt im Zentrum bietet die Dinge des täglichen Bedarfs: Obst und Gemüse, getrockneten Fisch, bunte Plastikschüsseln. Medikamente, auch Antibiotika, werden lose verkauft. Vor dem Stand eines Fleischers hängen Rinderhälften am Haken, von Fliegen umschwärmt. Kinder begleiten die Fremden und fordern deren Aufmerksamkeit. „Bonjour Toubabou, ça va?"
Geheimnisvolle Zeichen am Fetischhaus
Auf dem Platz vor dem Stadttor verrichtet ein Herrenfriseur sein Handwerk. Seine Serviceleistungen, die verschiedenen Haarschnitte und Bartmoden, hat er auf ein Pappschild gemalt, denn von seinen Kunden kann kaum jemand lesen und schreiben. Der Barbier vertreibt sich die Zeit mit einem Transistorradio am Ohr, denn er hat gerade nichts zu tun. Bei zweihundert lokalen Rundfunkstationen im Lande ist das Radio das wichtigste Medium. Alles bekommen die Malier über den Äther zu hören: Übertragungen von Fußballspielen und Misswahlen, Aufklärung über Aids und Erklärungen gegen die unislamische Beschneidung von Mädchen. Und natürlich Musik.
Die Lust, Musik zu machen, entdeckte Ali Farka Touré früh. Als kleiner Junge setzte er sich nach der Feldarbeit in den Schatten eines Baobabs und zupfte die Njarka. Vielleicht hat er beim Spielen der einsaitige Laute den Pinassen und Pirogen hinterhergeschaut, dem Klang des Wassers gelauscht. „Wenn ich auf den Rhythmus des Flusses horche, spüre ich, dass die Wellen wie Worte klingen“, hat er einmal gesagt.
Beim Brettspiel mit Steinchen
Als Ali Farka Touré Anfang der siebziger Jahre als Tontechniker für den staatlichen Sender Radio Mali arbeitete, schickte er dem französischen Label Sonodisc Demobänder seiner Musik. Dort war man begeistert und nahm sieben Alben mit ihm auf. Mit „Talking Timbuktu“, zusammen mit dem amerikanischen Gitarristen Ry Cooder eingespielt, gewann Ali Farka Touré Ruhm und 1995 den ersten Grammy. Wenn man seinen Blues hört, wird klar, dass der Niger die Quelle sein muss, und von dort rüber an den Mississippi geschwappt ist.
Die Bedeutung des Flusspferds
Auf dem Niger herrscht reger Verkehr. Familien vom Volk der Somono haben den ganzen Hausstand an Bord ihrer buntbemalten Pinassen aufgetürmt. Mal hierhin, mal dorthin kreuzen die Flussnomaden, immer den Fischen hinterher. Einzig der Wüstenwind treibt die Boote an, bläst in ihre tausendfach geflickten Lateinersegel. Im Debo-See werfen Fischer von der Bugspitze der Pirogen die Netze aus. Bei den Bozo fischen auch die Frauen. Zwischen badenden Kindern werden Ziegen in den Fluss gezerrt, shampooniert und untergetaucht. Auf grünen Inseln weiden Rinder und einzelne Kamele. Rund geschliffene wasserumspülte Felsen erweisen sich als Flusspferde. Manche der Superschwergewichte haben das Maul so weit aufgerissen, als würden sie ungeniert gähnen. Einige haben Jungtiere dabei und werden sichtlich nervös, wenn ihnen jemand zu nahe kommt.
Flusspferde stehen hier unter besonderem Schutz
Zu Flusspferden haben die Malier ein besonderes Verhältnis. In der Sprache der Bambara, der größten Volksgruppe des Landes, heißt das Flusspferd „Mali“. Ganz klar, dass die Tiere unter Schutz stehen. „Mali Sadio“ ist ein berühmtes Lied, das gesungen wird, wenn Schmerz oder Verlust zu bewältigen sind. Es handelt von der engen Freundschaft zwischen einem Flusspferd und den Bewohnern eines Dorfs, die so lange währt, bis ein weißer Jäger kommt und das Tier tötet. Toumani Diabaté hat die Geschichte meisterhaft arrangiert, indem er Bass, Melodie und Rhythmus gleichzeitig auf der Kora zupft.
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