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Ein Musterbeispiel an Toleranz

 Auf dem Markt herrscht Gewimmel und Gewusel, Geschrei und Gelächter. Frauen in bunten Kleidern, viele mit farblich passenden, kunstvoll gebundenen Tüchern auf dem Kopf, die an filigrane Orchideenblüten erinnern, preisen ihre Waren an. Die Bozo-Frauen handeln mit Fischen. Die hochgewachsenen Fulbe-Frauen mit ihren goldenen Ohrringen, geschminkten Lippen und Schmucknarben verkaufen Butter und Dickmilch aus Kalebassen, Songhai-Frauen bündelweise Holz und den Reis, den ihre Männer aus dem Schwemmland im Binnendelta geerntet haben. Die Frauen aus dem Dogonvolk, traditionell Ackerbauern, sind aus ihren Dörfern am Fuße der Falaise de Bandiagara gekommen, um Zwiebeln zu Markte zu tragen. Die Frauen der Bambara hocken hinter großen Körben voller Hirse. Auch selbstgebrautes Hirsebier ist im Angebot. Chimi-Chama heißt es im Volksmund, weil es so schön lautmalerisch den Zustand beschreibt, in den man gerät, wenn man zuviel davon trinkt. Seitdem der populäre Balaphon-Virtuose Neba Sola das Wort vor einigen Jahren für einen Song erfand, ist es in den allgemeinen Wortschatz eingegangen.

Mali Niger Bambara-Dorf
In einem Bambara-Dorf

Betrachtet man diese Szenerie, wird schnell klar, dass nicht die Topographie den Zauber Malis ausmacht. Bis auf die vereinzelt stehenden Hombori-Berge im Norden ist die Landschaft topfeben und lehmbraun. Farbe verleihen die Menschen dem Land, die vielen Ethnien, die gut miteinander auskommen und auch dem Fremden freundlich begegnen. Die Malier sind ein Musterbeispiel an Toleranz.

In Europa wird Afrika oft nur wahrgenommen, wenn Katastrophen hereinbrechen, Bürgerkriege wüten, Dürre die Menschen plagt, Spendenkonten von Hilfsorganisationen eingerichtet oder wieder einmal Bootsflüchtlinge aufgegriffen werden. Auch Mali hat keine Industrie, keine Arbeit, keine Perspektive. Der gesamte Sahel zählt zu den ärmsten Regionen der Welt. Dass Mali dennoch eine konfliktfreie Region ist in Westafrika, in der mehr als dreißig Bevölkerungsgruppen – eine jede mit eigener Kultur und Sprache - einträchtig zusammenleben, liegt vielleicht daran, dass jede Ethnie von alters her ihrer angestammten Arbeit und Berufung nachgeht und sich die verschiedenen Völker dabei räumlich kaum in die Quere kommen. Auch die Musik ist ein verbindendes Element, ein Gemeinsamkeit, die alle Menschen im Land trägt und zusammenführt.

Bauer oder Gitarrist?

Das musikalische Erbe reicht ins 13. Jahrhundert zurück, ins Großreich Mali, das sich von der Atlantikküste bis zum mittleren Niger erstreckte. Die Griots, die Moritatensänger und Geschichtenerzähler, stehen am Anfang der Zeit. Wie die Minnesänger und Troubadoure in Europa besangen sie die Heldentaten ihrer Könige, stimmten Loblieder auf den Adel an, gaben aber auch Volkes Stimme an die Herrschenden weiter. Bis heute werden Griots zugleich geachtet und gefürchtet, denn sie sind wortgewandt, stimmgewaltig und direkt. Wie die Schmiede, die das Feuer beherrschen, gehört die Kaste der Griots, der Wortschmiede, zu den unteren Schichten der gesellschaftlichen Hierarchie. Dennoch schmückt man sich mit ihnen gern auf Hochzeiten und Namensfesten, lädt sie ein, auf Dorffesten Musik zu machen, Geburt, Initiation und Tod zu begleiten. Die meisten Sänger und Musiker Malis unserer Tage entstammen der uralten Zunft der Griots. Ihre Kunst wird vom Vater an den Sohn, von der Mutter an die Tochter weitergegeben. Der Nachwuchs an guten Musikern ist daher unerschöpflich. Manche haben es zu Weltruhm gebracht.

Mali Niger Moschee
Vor der Moschee von Djenné

„Wäre Mali ein Lebewesen, die Griots wären seine Adern“, sagt  Toumani Diabaté. Seine Laufbahn als Spross einer Griot-Dynastie war vorherbestimmt. Anders der zwanzig Jahre ältere Ali Farka Touré, der lieber Bauer und nie ein Mann des Blues sein wollte und vermutlich auch kein „Commandeur de l’Ordre National du Mali“ - die höchste Ehrung des Staats wurde ihm postum verliehen. Am 7. März 2006 starb Ali Farka Touré im Alter von 67 Jahren in Niafunké. Der begnadete Gitarrist, Sänger und Grammy-Preisträger - der John Lee Hooker Afrikas und von dem amerikanischen Blues-Veteranen als Seelenverwandter ins Herz geschlossen - fühlte sich mit seiner Musik als Außenseiter, seinem Stamm der Songhai entwurzelt.

Mali Niger Friseur
Beim Barbier

Während seiner letzten Lebensjahre spielte Ali Farka Touré kaum noch Gitarre. Lieber versah er in seinem Heimatdorf das Amt des Bürgermeisters. Die weiterlaufenden Einnahmen aus dem Musikgeschäft ließ er in die Bewässerung der Reisfelder fließen – als wollte er Tribut dafür zollen, das er zeitweilig seine Roots vergessen, sein angestammtes Terrain verlassen hatte. Nur ungern verließ er seine Scholle. Wer seine Musik von ihm gespielt hören wollte, musste zu ihm kommen. Die CD „Niafunke“ wurde 1999 in seinem Dorf produziert, in einer aufgegebenen Ziegelei zwischen Reisfeldern und Wüstensand.

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