Tsingy Rouges
Kurz darauf steht man vor der nächsten Attraktion, dem Eingang zum Ankarana Nationalpark. Er ist nur 182 Quadratkilometer groß, birgt aber auf kleinem Raum graue Tsingys aus scharfem Karstgestein, ein Höhlensystem von 114 Kilometern Länge, die Königsgräber des Volksstammes der Antakarana, zehn Lemuren- und 100 Vogelarten, skurrile Baobabbäume oder die Fledermausgrotte Chauves-Souris. Das Reservat darf man nur mit einem ausgebildeten Ranger betreten. Nambinintsoa Andrianarilandy begleitet die Tour Tsingy Meva durch den feucht-heißen Trockenwald. Papageien kreischen. Braune Lemuren huschen über dichtes Blattwerk. „Schattengeister“, nennt man sie auf Madagaskar, weil Natur und Mystik hier geheimnisvolle Weise in Einklang stehen.
Nach einem 160 Stufen-Abstieg in die steinige Unterwelt ist der Platz erreicht, an dem 1832 die Sakalava gegen die Merina-Krieger siegten. Seither ist er ein heiliger Wohnort der Ahnen. Ohne „fady“ geht das nicht ab. „Hüte abnehmen, kein lautes Reden, nicht trinken, vor allem nicht singen“, sagt Nambin. Auch Kichererbsen, Schweinefleisch oder lebende Hühner darf man nicht mitnehmen. Verboten laut kreischen allerdings die Fledermäuse, als die Gruppe stumm durch die niedrigen Gänge und kantigen Winkel zur Opferstätte des historischen Kriegsschauplatzes schleicht: ein gespaltener Schädel, Geldscheine, Knochen und Münzen blinken im Licht der Taschenlampen. Viel interessanter findet der Ranger jedoch die Fledermäuse, die in den Höhlen in großer Zahl nisten. Vierzehn Arten kennt er hier, die kleinste wiege vier Gramm.
Fischerboot vor der Küste der Insel Nosy Be
Nosy Be ist wegen ihrer feinsandigen Strände als Ferieninsel zwar lange bekannt, steckt aber voller Geheimnisse. Beim Übersetzen vom Fährhafen Ankify fällt einem gleich das alte Matrosenlied vom Schiff ein, das vor Madagaskar im türkisblauen Wasser lag und die Pest an Bord hatte. Man kennt es als deutsches Volkslied. Madegassen erzählen aber, dass russische Soldaten es erfanden, als sie 1904 im Krieg gegen Japan hier vor Anker lagen; sie starben an Typhus.
Die schaurige Seemannsromantik ist auf der Ylang-Ylang-Farm im Südosten bald vergessen. Denn betörende Düfte schwirren durch den Park, die von den orchideenartigen Ylang-Ylang-Blüten ausgehen. In der Destillerie wird aus ihnen Parfümöl gewonnen, das ins französische Parfümzentrum Grasse verkauft wird. Auch Chanel und Guerlain bestellen den Duft, beide exklusiv.
Fanja Nirina Zina am Eingang des Arbre Sacré, des heiligen Ficusbaumes von Mahatsinjo
Nosy Be hat seinen Pilgerort Arbre Sacré de Mahatsinjo im Inselsüden. Am Eingang zum Heiligtum begrüßt Fanja Nirina Zina, die ihr Gesicht in den traditionellen Farben und Mustern der Sakalava bemalt hat. Für Fanja ist das Ausdruck von Respekt. Um Respekt werden auch die Europäer gebeten. Vor dem Betreten müssen sie ihre Kleidung mit einem lokalen Tuch verhüllen, die Schuhe ausziehen und – Achtung: „fady“ – niemals mit dem linken Fuß zuerst eintreten. Der einst von Buddha geweihte Baum ist eine gewaltige Pappelfeige (ficus religiosa), der 1836 als Gastgeschenk Sri Lankas für Königin Ranavalona I. nach Nosy Be kam und im Dorf eingepflanzt wurde. Inzwischen ist aus ihm eine verzweigte Kathedrale aus Luftwurzeln gewachsen. „Die Menschen kommen von weit her“, sagt Fanja, weil in ihm die Ahnen aller Madagassen wohnen – Christen, Hindus, Moslems. Umgeben vom Wurzelgeflecht und rot-weißen Tüchern in den Farben des Sakalava-Volkes birgt die Opferstätte Schalen mit Geldnoten, Münzen, Gewürzen und eine Flasche „Bonbon Anglais“, der extrem süßen heimischen Limonade. Man wünscht sich Gesundheit, Kindersegen oder einen reichen Ehemann. Auch Fanjas Fürbitten seien in Erfüllung gegangen. Man müsse fest daran glauben.
Opferstätte im Arbre Sacré
Nach Verlassen des Arbre Sacré führt sie die Gäste durch Gemüsebeete und eine Bananenplantage zur Schule für Ökotourismus. Der Lehrer Jean-Pierre Tomana steht an der Tafel und erklärt den Schülern gerade das Wesen des Chamäleons. „Es ist extrem langsam wie wir Madegassen auch“, sagt er und erzählt die Legende, wieso das so ist. Eines Tages kam Gott und schalt das Chamäleon: „Warum gehst du so schnell!?“ Schnelligkeit bringe kein Glück. „Geh‘ langsam, mora, mora!“. So verdammte Gott das Chamäleon zur Langsamkeit. Nur seine blitzschnelle Zunge durfte es behalten.
Beste Reisezeit für den Norden:
In der Trockenzeit von Juni bis November. In der Regenzeit von Januar bis März besteht Zyklonen-Gefahr.
Klima:
Tropisch. Die Temperaturen sinken selten unter 21 Grad.
Anreise:
Flug etwa mit Ethiopian Airlines von Frankfurt über Addis Abeba nach Antananarivo, www.ethiopianairlines.com, oder Air France über Paris, www.airfrance.com. Das Visum, das bei der Einreise ausgestellt wird, kostet bei einem Aufenthalt von 30 Tagen 80.000 Ariary (ca. 30 Euro). Tägliche Verbindungen mit Air Madagascar nach Antsiranana (Diego Suarez), www.airmadagascar.com.
Unterkunft:
Tamboho Hôtel, Zone Waterfront, Ambodivona, Antananarivo 101, Tel. 00261-20 22 693 000, www.hoteltamboho.com. Schickes Hotel in lokalem Design mit Pool und 30 großen Zimmern.
Grand Hôtel, Diégo Suarez, www.grand-hotel-diego.com. Zentral gelegenes Resort-Hotel mit Poollandschaft..
Ankarana Lodge, Antsiranana, Tel. 00261-32 04 908 10, www.ankarana-lodge.com. Naturnahe Eco-Lodge mit Bungalows, Pool, Restaurant und Bar, direkt am Nationalpark.
Chanty Beach, Dzamandzar, Tel. 020 8692816, www.chantybeach-hotel.com. Kleines familiäres Hotel am Strand.
Ansehen:
Tsingy Rouge, bei Ankarana, an der Route RN6. Eintritt: 10.000 Ariary (ca. 2,50 Euro).
Nationalpark Ankarana, Tgl. ab 7.30 Uhr. Eintritt 65.000 Ariary (ca. 17 Euro).
Ylang-Ylang-Farm, Nosy Be, Eintritt: 30.000 Ariary (ca. 8 Euro).
Arbre Sacré de Mahatsinjo, Nosy Be. Eintritt: 10.000 Ariary (ca. 2,50 Euro).
Gesundheit:
Malaria-Prophylaxe wird empfohlen. Die im August 2017 ausgebrochene Pestepedemie hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Anfang 2018 für beendet erklärt.
Auskunft:
Fremdenverkehrsamt Madagaskar, www.madagascar-tourisme.com/de.
Website der Autorin: www.beate-schuemann.de
Reiseveranstalter Madagaskar bei schwarzaufweiss
Zögernd schiebt ein Knäuel brauner, winziger Kinderhände Türgirlanden aus Plastik zur Seite. Dahinter folgen drei Paar erwartungsvoll aufgerissene Augen. Neugierig kreisen die Blicke durch das Innere des nüchternen Barraums, hangeln sich an dem Fremden auf- und abwärts, um sich vom Wahrheitsgehalt eines Gerüchtes zu überzeugen. Ein unbekannter Besucher in Ampasimanolotra? In ihrem Dorf? "Vazaha", "Weißer", schreien sie laut auf madagassisch und laufen fröhlich kreischend davon. Folgt man dem ursprünglichen Aberglauben, bricht über jenen Unglück herein, der sich von einem Vazaha berühren lässt ...
Foto: Pixabay
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