Liechtenstein im Überblick

Kürzlich stellte ein bekanntes Reisejournal die dreiste Frage, was man denn in Liechtenstein machen könne außer Steuern hinterziehen und um noch eine kleine Gemeinheit draufzusetzen, denunzierte der Schreiber das propere Zentrum von Vaduz als Outlet-Center mit Kundenmangel. Irgendwie ähnlich klang das schon vor zehn Jahren in einem renommierten Kunstreiseführer, in dem Vaduz als Ansiedlung von Geschäften, Banken und Verwaltungsbauten um einen zentralen Parkplatz und ein Parkhaus beschrieben wurde.

Statt nun weiter vergebens nach dem Flair einer Metropole zu fahnden, sollte man schnurstracks das „Liechtenstein Center“ ansteuern. Den Besuchern werden hier mittels modernster Multimedia-Technik die landschaftlichen und kulturellen Highlights des so oft belächelten Kleinstaats zwischen Alpenrhein und dem Rätikon-Gipfeltrio der Drei-Schwestern in opulenten Filmsequenzen dargeboten.

Keine Frage, manches könnte besser sein im Tourismusgeschäft! Vor allem die kurze Verweildauer der Besucher missfällt den Branchenoberen – gerade einmal zwei Tage bleibt jeder Besucher, sagt die Statistik. Dabei ist das Ländchen nicht nur für Aktivurlauber (400 km Wanderwege aller Schwierigkeitsgrade) attraktiv, für Ski- und Rodelbegeisterte ist rund um das familienfreundliche Malbun ein Wintersportzentrum ersten Ranges entstanden und Gourmets können sich auf  paradiesische Freuden einstellen, auf köstlich Rustikales wie auf Feines aus der Sterneküche. Kulturinteressierte haben die Qual der Wahl zwischen hochklassigen Museen, Galerien und Musikevents und wenn die angemahnte Sorgfalt im Umgang mit der Kulturlandschaft weiter sichtbar Früchte trägt, werden auch Anhänger eines „sanften Tourismus“ ein neues Reiseziel für sich entdecken.

Liechtenstein, Burg Gutenberg

Burg Gutenberg
Foto: © Udo Ingber, Fotolia.com

Es stimmt: Besonders zimperlich ist man mit dem architektonischen Erbe von Vaduz nicht umgegangen! Der rasend schnell vollzogene Sprung vom Armenhaus zur Prokuristenvilla hinterließ eine gepflegte und zugleich sterile Melange aus wenig historischem Gemäuer und vielen modernen Zweckbauten. Mit Stadtführerin Anna als kundiger Begleiterin und einem Audioguide am Ohr können Besucher auf den Spuren von Goethe an einem fiktiven Stadtbummel des Dichterfürsten teilhaben und dabei historische Bauten und alte Geschichten kennen lernen. Goethe hatte auf dem Rückweg von seiner Italien-Reise die Nacht vom 1. zum 2. Juni 1788 in Vaduz verbracht, ob im „Löwen“, dem ältesten Haus am Platz, oder im fürstlichen Schloss, ist nicht überliefert.

Die starke Seite von Vaduz sind seine Museen, angefangen mit dem Landesmuseum, das eine thematisch aufgebaute Dauerausstellung zur Geschichte und Landeskunde des Fürstentums präsentiert. Zu sehen sind Funde aus dem Neolithikum bis ins Frühmittelalter sowie Gebrauchsgegenstände und Objekte der Wohnkultur, aus der Arbeitswelt, der sakralen Kunst, des Brauchtums und naturkundliche und naturhistorische Exponate. Unweit des Landesmuseums zieht die „Black Box“ des staatlichen Museums für moderne und zeitgenössische Kunst, das Kunstmuseum Liechtenstein, alle Blicke auf sich. Der eindrucksvolle Kubus aus schwarzem Basaltstein und schwarz eingefärbtem Zement entstand im Jahr 2000 nach Plänen einer Schweizer Architektengruppe. Er beherbergt internationale Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts und der Gegenwart, vor allem Skulpturen, Objekte und Installationen sowie Werke der römisch-norditalienischen Künstlergruppe „Arte Povera“, die sich der Arbeit mit alltäglichen Materialien wie Glassplitter, Holz, Erde, Schnur verschrieben hat. Das Museum zeigt außerdem wechselnde Ausstellungen aus der privaten Gemäldesammlung der Fürstenfamilie. Die fürstliche Sammlung gilt als eine der bedeutendsten Privatsammlungen der Welt. Sie umfasst Hauptwerke europäischer Kunst aus fünf Jahrhunderten. Neben Ausstellungen im Kunstmuseum von Vaduz ist wie schon bis 1938 das liechtensteinsche Gartenpalais in der Wiener Rossau seit 2004 wieder Ausstellungsort.

Das Ski- und Wintersportmuseum des Olympiateilnehmers Noldi Beck hat auf drei Etagen allerlei Gerätschaften und Dokumentationen zur Wintersportgeschichte  zusammengetragen. Die mehr als 1.000 Exponate des von Kennern als kulturhistorische Rarität eingeschätzten Museums reichen von Biegegeräten zur Formung von Skispitzen über Snowboards, Rennschuhe und –anzüge, Startnummern, Pokale, Medaillen bis zu Schlittschuhen aus dem 19. Jahrhundert und den Drei-Meter-Brettern, auf denen der Schweizer Karl Schlumpf in den 30er Jahren mit 101 km/h einen Geschwindigkeitsweltrekord fuhr.
Die Fußgängerzone Städtle 37 ist eine heiße Adresse für Philatelisten, werden doch im hier untergebrachten Postmuseum die unter Sammlern begehrten Postwertzeichen des Fürstentums ab Ausgabejahr 1912 als permanente Ausstellung gezeigt. Zu sehen sind außerdem Entwürfe, Stichplatten, Probedrucke, postgeschichtliche Dokumente und historische Postgeräte.

Liechtenstein, Burg von Vaduz

Der Stammsitz der fürstlichen Familie
Foto: © Axel Scheibe

120 m über dem Städtchen und aus allen Ortslagen gut zu sehen, thront das Schloss, seit 1938 fürstliche Residenz und Wohnsitz mit Ursprüngen, die ins 12. Jahrhundert zurückreichen. Frühe Besitzer waren die Grafen von Werdenberg-Sargans, später die Grafen von Hohenems. Seit 1712 ist es in den Händen der Fürsten von und zu Liechtenstein, die es 1904 – 1914 umfassend restaurieren und wohnlich ausbauen ließen.
Das Schloss ist für Besucher leider nicht zugänglich.
Zur Zeit leben hier u. a. Seine Durchlaucht (S. D.) Fürst Hans-Adam II. und Fürstin Marie sowie S. D. Erbprinz Alois Philipp Maria (geb. 1968) und seine Frau Erbprinzessin Sophie, eine geborene Herzogin in Bayern, die in direkter Linie vom letzten bayerischen König Ludwig III. abstammt. Im August 2004 hat Fürst Hans-Adam II. seinen Sohn Alois mit der Ausübung aller dem Fürsten gemäß Verfassung zustehenden Hoheitsrechte des Staatsoberhaupts betraut.

Die Wurzeln der Liechtensteins, die zu den ältesten Adelsfamilien Europas zählen, liegen weit im Osten, in der Nähe von Wien. Ihr Aufstieg fällt in das 17. Jahrhundert, als sich drei Brüder in den militärischen Dienst der Habsburger stellten und einen beträchtlichen Landbesitz an sich bringen konnten. Aber sie wollten mehr, sie strebten nach Mitsprache auf politischer Ebene. Ein Erfolg versprechender Weg dorthin war der Erwerb von reichsunmittelbarem Gebiet, was den Liechtensteins einen ständigen Sitz im Reichsfürstenrat eingebracht hätte. 1699 erwarben sie die Herrschaft Schellenberg, heute Liechtensteins „Unterland“, und 1712 die Grafschaft Vaduz, das heutige „Oberland“. 1719 legte Kaiser Karl VI. die Ländereien zusammen und erhob sie zum „Reichsfürstentum Liechtenstein“, zum 343. Staat des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Fünf Jahre darauf war man mit dem Erwerb des Sitzes im Reichsfürstenrat endgültig am Ziel. Freilich blieb das Interesse am neuen aber bitterarmen Bauernland gering, zumal die fürstlichen Besitzungen in Österreich, Böhmen und Mähren wohlhabend und elfmal so groß waren wie der kleine Landstrich am Alpenrhein. Es wurde 1842 bis sich erstmals ein liechtensteinscher Fürst im Ländle blicken ließ. Nach den Enteignungen durch die tschechischen Machthaber im Gefolge des 1. und 2. Weltkriegs verblieben dem Fürstenhaus noch etwa 10 % seiner früheren Besitzungen, ein Teil davon in Österreich, der andere in Liechtenstein. Die Konsolidierung des fürstlichen Haushalts seit 1970 unter der energischen Führung des gelernten Betriebswirts und damaligen Erbprinzen Hans-Adam hat alte Quellen neu erschlossen und einen Wirtschaftsboom in Gang gesetzt, der die ins finanzielle Straucheln geratene Fürstenfamilie wieder zu einer der reichsten Europas werden ließ. Allein Fürst Hans-Adams Vermögen wurde 2004 auf 6 – 7 Mrd. Franken geschätzt, mehr als die monegassischen Grimaldis auf ihren Konten verwahren und mehr auch als die Königin an der Themse ihr Eigen nennt. Das Juwel unter den fürstlichen Besitzungen ist die LGT-Bank, an die mindestens ein prominenter Deutscher mit sehr gemischten Gefühlen noch lange zurückdenken wird.
Ausdrücklich erwünscht ist ein Besuch der Fürstlichen Hofkellerei, die süffige Degustationen veranstaltet und hochklassige Weine verkauft und besonders zu empfehlen: zu einem Weinlehrpfad auf den fürstlichen Weinberg „Herawingert“ einlädt, wo man das Werden des Weins vom Rebschnitt bis zur Flaschenabfüllung verfolgen kann.

Liechtenstein, Malbun

Malbun
Foto: © Martin, Fotolia.com

Die Fahrt ins Unterland nach Schellenberg ist ein Katzensprung. Landschaftlich reizvoll liegt die 1.000-Einwohner-Gemeinde in 700 m Höhe. Ihre Hauptattraktion ist ein im Jahr 1518 in Blockbauweise errichtetes massives Holzhaus, das heute als „Bäuerliches Wohnmuseum Schellenberg“ zahlreiche Besucher anzieht. Die Ausstellung im zweigeschossigen Kantholzbau dokumentiert die entbehrungsreiche Lebensweise und Arbeitswelt früherer Bauerngenerationen.

Nicht weniger bedeutend ist die heimatkundliche Sammlung zur Kulturgeschichte der um 1280 am Triesenberg angesiedelten Walser. Sie stammen aus dem heutigen Schweizer Kanton Wallis, das sie im 13. und 14. Jahrhundert in alle Himmelsrichtungen verließen. Die zugewanderten Walliser, die man später „Walser“ nannte, waren tüchtige Kolonisten und Älpler. Das Heimatmuseum in Triesenberg gibt einen umfassenden Einblick in ihre Wohnkultur und die harten Arbeitsbedingungen, macht mit ihrem religiösen Leben vertraut, der Sprache und dem Rechtsgeschehen. Als Einstimmung wird Besuchern eine 25minütige Multivisionsschau vorgeführt. Für viele Liechtensteiner ist Triesenberg das schönste Dorf im Fürstentum, auf jeden Fall ist es das höchstgelegene, berühmt als „Sonnenterrasse“ mit phantastischen Ausblicken auf das Rheintal und die Schweizer Gebirgsketten. Über zahllose Serpentinen und einen Tunnel ist Triesenberg mit dem aufstrebenden Wintersportzentrum um Malbun verbunden. Auf gut 1.300 m Höhe, bald nach der Tunneldurchfahrt, passiert man den Weiler Steg, eine einzigartige historische Siedlungsanlage, angelegt als Sommersiedlung aus zwei Häuserringen um eine landwirtschaftliche Fläche. „Maiensäss“ nennt man eine derartige im Wald gelegene, gerodete Fläche, die von einfachen Häusern und Ställen umgeben ist. Der gemütliche Familienferienort Malbun auf 1.600 m hat sommers wie winters seine Reize: hier sind Wanderer in ihrem Element und wer ganz hoch hinauf will, kann sich mit dem Sessellift zum Sareiserjoch in 2.000 m Höhe befördern lassen, um von dort fast auf Gipfelhöhe die Gebirgswelt zu erwandern. 23 präparierte Pistenkilometer warten auf Skilangläufer, es gibt Schlepplifte und eine 1.000 m-Naturrodelbahn, man kann Eis laufen oder Schneeschuh-Wanderungen unternehmen und für kleine Skifans gibt es das gut geführte und beaufsichtigte Übungsgelände „Malbi-Park“.

Liechtenstein, Triesen

Weinberge am Sonnenhang von Triesen
Foto: © Axel Scheibe

Neben Triesen und Schaan, südlichen bzw. nördlichen Nachbarorten von Vaduz, mit einer Reihe sehenswerter alter Kirchen, Kapellen und restaurierter historischer Werkstätten und Wohngebäude, ist Balzers im Süden des Fürstentums wegen seines Wahrzeichens, der Burg Gutenberg, ein gern besuchter Ort. Der weithin sichtbare mittelalterliche Bau auf einem 70 m hohen Felshügel, an dessen Südflanke wie schon zu Zeiten der Römer Wein angebaut wird, war häufig umkämpft, wurde belagert und ging in Flammen auf, diente den Dörflern als Steinbruch und verfiel schließlich zur Ruine. Retter in der Not war Egon Rheinberger, der 1905 die Burg erwarb und anschließend so restaurierte, wie sie sich heute zeigt. Seit 1979 ist sie im Besitz des Fürstentums. Wie das architekturgeschichtlich bedeutsame Schloss in Vaduz ist auch die imposante Burg Gutenberg mit einer bis in das 12. Jahrhundert zurückreichenden Baugeschichte, leider für die Öffentlichkeit nicht zugänglich – mit einer Ausnahme: An bestimmten Tagen im Sommer kann man in der malerischen Kulisse des Burginnenhofs ein musikalisches Kulturprogramm genießen.

Eckart Fiene


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