Kiribati im Überblick

Kiribati geriet erstmals in den Blickpunkt einer größeren Öffentlichkeit, als es Erich von Däniken auf seiner rastlosen Suche nach Spuren von Außerirdischen auf die ferne Inselgruppe verschlug. Was er dort an „zusätzlichen Beweisen“ für seine umstrittenen Thesen entdeckte, wurde zum süffigen Stoff für einen neuen Reißer, seinem damals zehnten, den der Econ-Verlag 1981 unter dem Titel „Reise nach Kiribati. Abenteuer zwischen Himmel und Erde“ herausbrachte.

Gut dreißig Jahre später gerät Kiribati immer wieder in die Schlagzeilen. Grund ist diesmal der Anstieg des Meeresspiegels infolge der globalen Erwärmung. Nach einem UN-Bericht droht das völlige Verschwinden der flachen Atolle, die gerade 3 – 4 m die Wasseroberfläche überragen, noch in diesem Jahrhundert. Schon jetzt seien die Süßwasserspeicher unter den Korallensanden von durchsickerndem Meerwasser bedroht, die ungelöste Abfall- und Abwasserentsorgung sei ein zusätzliches Problem. Bekannt wurde der Fall des Kiribatiers Ioane Teitiota, der als erster Mensch aufgrund der Folgen des Klimawandels Asyl beantragte. In Neuseeland geschah das, ein Präzedenzfall, der nach vier Jahren juristischer Auseinandersetzung gegen den Mann aus Kiribati entschieden wurde. Er musste in seine Heimat zurückkehren.

Kiribati

Verloren in den Weiten Ozeaniens

Selbst erfahrenen Reisenden ist Kiribati (sprich: „Kiribass“) mitunter kein Begriff. Wer kennt sich schon aus in der Unendlichkeit der größten Wasserfläche der Erde? Und dort liegen sie weit verstreut nördlich und südlich des Äquators, westlich und östlich der Datumsgrenze – die drei Archipele der Gilbert-, Phoenix- und Line-Islands, die den weltweit größten, nur aus Atollen bestehenden Staat bilden. Und noch mehr ungewöhnliche Daten sind zu vermelden: Einer Landfläche, die mit gut 811 km² nicht ganz an die Größe Hamburgs heranreicht, stehen 3,5 Mio. km² offene See gegenüber, wenn man die 200 Meilen/370 km der Exclusive Economic Zone (EEZ) um jede noch so kleine Insel legt. Ein Staatsgebiet, das zu mehr als 99 % aus Wasserfläche besteht – das ist ein weltweit einmaliges Verhältnis.

Die Entfernungen sind enorm. Einer, der es ganz genau wissen wollte, hat 13.783 km für die Strecke Berlin-Kiribati gemessen, vom australischen Sydney sind es nach diesem Rechenkünstler 4.498 km und von Los Angeles exakt 8.001 km. Kaum vorstellbar auch die Entfernungen von Insel zu Insel. Vom nördlichsten zum südlichsten Eiland sind mehr als 800 km zurückzulegen und von der Hauptstadt Bairiki auf dem Gilbert-Island Tarawa im Westen nach Kiritimati (Line-Islands) jenseits der Datumsgrenze im Osten sind es gar 3.200 km. Auf Europa übertragen, entspricht diese Distanz ungefähr der Strecke Paris-Milano-Athen-Zypern oder Nordkap-Stockholm-Berlin-Toskana.

Wie erreicht man nun diese abgelegenen Atolle? Auf direktem Wege gar nicht! Man muß sich damit abfinden, daß An- und Rückreise nicht nur kostspielige sondern auch zeitraubende Unternehmungen sind. Umsteigen, je nach Verbindung und Flugtag auch mehrmals, gehört dazu. Brisbane im Osten Australiens mit guten Verbindungen nach Europa bietet sich als Drehscheibe an. Von hier steuern Maschinen der Nauru Airlines Bonriki/South Tarawa via Nauru an und der „flag carrier“ der Fidschi Inseln, Fiji Airways, verbindet Brisbane via Nadi (Fidschi Inseln) mit Bonriki. Kiribati-Süchtige kennen die Umstände. Sie nehmen Flug- und Stopover-Zeiten von dreißig bis fünfzig Stunden klaglos hin.

“Top things to see & do…”

Von Dänikens bizarre Entdeckungen scheinen vergessen. Statt geheimnisvollen „Navigationssteinen“ oder „Riesenfußabdrücken“ und einem angeblichen „Landeplatz der Götter“ nachzuspüren, vergnügt sich die kleine Schar der Touristen im und am Wasser.

Es gibt zahllose, herrlich weiße Strände, die sichere Bademöglichkeiten bieten. Man kann sich mancherorts wie Robinson fühlen, in Auslegerkanus Südseefeeling inhalieren und durch die Lagunen schnorcheln oder unter professioneller Anleitung in die glasklaren Tiefen abtauchen und dort Korallen und bunten Riff-Fischen, Rochen, Delphinen und Meeresschildkröten begegnen.

Unter weitgereisten Petrijüngern genießt Kiribatis Inselwelt einen legendären Ruf. Ob aufregendes „bonefishing“ im ufernahen Flachwasser oder Hochseeangeln auf Haie, den bis zu 2.50 m großen barschartigen Wahoo, auf Großaugenstachelmakrelen, Zackenbarsch oder Fächerfisch – Lagunen und offene See sind reich bestückt. Nicht unwichtig: nach einem Angelschein fragt niemand und: Angelgerätschaften, Tauchausrüstungen, Kanus und Boote können gemietet werden. Faszinierend auch die Vielfalt der Vogelwelt. So ist „Birdwatching“ ein weiteres Highlight unter den Inselattraktionen.

Auslegerkanu-Rennen und traditionelle Tanzvorführungen sind zu bestaunen wie auch die von lokalen Handwerkern gefertigten Mitbringsel wie geflochtene Matten, Fächer und Taschen, vor allem die schön gearbeiteten Holzspeere und mit Haifischzähnen besetztenMesser. Nur: wie bringt man sie in diesen Zeiten durch die Kontrollen?

Wer einmal die Inseln aus der Vogelperspektive betrachten möchte und sich dazu den winzigen Maschinchen der Air Kiribati zu einer „flight-seeing tour“ anvertraut, wird ein grandioses Insel-Meer-Panorama erleben. Ganz anders die Tour, für die es offenbar eine Nachfrage gibt: sie nennt sich „World War II. relics tour“ und führt zu Landstrichen voller Militärschrott, wo im Pazifikkrieg Amerikaner und Japaner aufeinandertrafen.

Kiribati

Von Insel zu Insel

Beginnen wir mit dem großen Atoll Tarawa, das sich aus einem nicht ganz geschlossenen Ring von mindestens zwei Dutzend kleinen Inseln mit vorgelagertem Riff zusammensetzt. Die einzelnen Inseln verbinden Dämme und Brücken. Einige kleine Inseln im nördlichen Teil sind bei Ebbe zu Fuß erreichbar.

Das zu den 16 Gilbert-Islands zählende Hauptatoll Kiribatis beherbergt die Verwaltung der Inselrepublik. Dann gibt es noch einen gemütlichen Flugplatz mit betonierter Piste (der andere ist auf Kiritimati) und einen Hafen mit ankernden Schiffen auf offener Reede. Als Verwaltungs- und Wirtschaftszentrum erscheint Tarawa den Bewohnern abseits gelegener Inseln wie ein Eldorado, das bessere Lebensumstände verspricht. So leben hier inzwischen 46.000 Menschen und besonders im südlichen Inselteil herrscht drangvolle Enge. Die Wasserversorgung bereitet Probleme und unübersehbar auch die Müllentsorgung. Für Touristen ist Tarawa sicher nicht die beste Adresse, bleibt aber unvermeidbarer erster Anlaufpunkt.

Butaritari (rund 100 km nördlich von Tarawa) und Abemama (80 km südöstlich) „erfreuen sich eines prächtigen Ozeanklimas, Tage blendender Sonne, kräftigender Winde und Nächte von himmlischem Glanz (…) In allem übrigen zeigen sie das übliche Bild eines Atolls, den niedrigen Horizont, die Ausdehnung der Lagune, den schilfartigen Saum von Palmenwipfeln, die riesenhafte beherrschende Weite und die Bedeutung von See und Himmel“ erzählt Robert Louis Stevenson in „In the South Seas“ (1900) über seine „Erfahrungen und Beobachtungen“, die er 1889 anläßlich eines mehrmonatigen Aufenthalts auf den Inseln machte. Butaritari ist die Grünste aller Kiribati-Inseln – kein Wunder, gehen hier doch jährlich unglaubliche 4.000 mm Regen nieder. „Duft des Meeres“, wie das Inselchen (13.5 km², 3.280 Bewohner) in der Sprache der Einheimischen heißt, ist genau der richtige Ort, um zu relaxen, die Lagune schnorchelnd zu erkunden, Angeln auszuwerfen oder einen Segeltörn zu wagen. Für Abemama (3.400 Einwohner, 27.4 km²) hatte Stevensons Frau eine Flagge entworfen, die einen Hai mit Krone zeigte. Drei Jahre später war es die englische Krone, die das Atoll vereinnahmte und 1911 zur Kronkolonie erklärte. Schöne Strände zeichnen die sichelförmige Insel aus. Zwei breite Passagen führen in ihre tiefe, geschützte Lagune.

Tabiteuea (400 km südöstlich Tarawa, 4.900 Einwohner, 37.6 km²) ist ein langgezogenes (72 km), extrem schmales Atoll mit einer nach Westen offenen Lagune. Der südliche Inselteil gilt als einer der landschaftlich schönsten im Kiribati- Archipel.

Kanton ist die einzige bewohnte Insel der Phönix-Gruppe. Auf halbem Wege zwischen Hawaii und den Fidschi-Inseln gelegen, beherbergt das winzige Atoll (9.2 km²) gerade einmal 41 Bewohner, die immer sehnsüchtig auf ihr Versorgungsschiff warten, das nur drei Mal im Jahr die Insel anläuft.

Zu den jenseits des 170. Längengrads westl. L. liegenden Line-Inseln zählt Teraina mit acht kleinen Dörfern (zus. 1.155 Einwohner). Die kleine Sand- und Koralleninsel (9.5 km²) ist dicht mit Kokospalmen bewachsen, die einen von künstlichen Süßwasserkanälen durchzogenen Tropendschungel bilden. Schöne Sandstrände rahmen die Insel ein.

In den letzten Jahren erlebte Tabuaeran (Fanning Island) einen beachtlichen Aufschwung, seit die Norwegian Cruise Line ihre zumeist amerikanischen Passagiere hier für einige Stunden zum Baden, Schnorcheln und Souvenir Shopping ausbootet. Für Yachten auf dem Megatörn von Hawaii nach Tahiti ist Tabuaeran eine wichtige Versorgungsstation. Das 33.7 km² messende Atoll beherbergt 2.540 Einwohner, darunter etliche Umsiedler aus dem übervölkerten Tarawa. Für viele Besucher ist Tabuaeran das Eiland mit dem schönsten Südseeflair Kiribatis.

Doch der eigentliche Star unter den Line-Islands ist Kiritimati, das weltweit größte Korallenatoll (160 km Umfang) mit großflächigen Schutzgebieten für rund 18 Mio. Vögel, darunter der größten Seeschwalbenkolonie der Welt. Dann und wann wird auch dieses Atoll von Kreuzfahrern angelaufen, doch machen Individualtouristen das Gros seiner Besucher aus. Es sind Naturfreunde, die mit den einfachen Lebensbedingungen vor Ort gut zurechtkommen, denen Begegnungen mit Meeresschildkröten und Fischschwärmen, Seevögeln und Korallen mehr bedeuten als die Langeweile komfortabler Ferienresorts. Daß sich Kiritimati (Christmas Island) zu einem Naturparadies entwickeln konnte, grenzt an ein Wunder, denn in den 50er und frühen 60er Jahren diente die Insel (388 km² Landfläche) Amerikanern und Engländern als Testgelände für Atomwaffen. Anfang der 70er Jahre begannen Neuansiedlungen und heute leben hier wieder 5.115 Menschen. Joe`s Hill im Südosten der Insel ist mit 13 Metern (!) über NN der zweithöchste Punkt Kiribatis, nur übertroffen von den 81 Metern auf dem abseits gelegenen Banaba, das zu keiner der drei Inselgruppen gehört, aber Teil Kiribatis ist.

2010 wurde die Phoenix Island Protected Area (PIPA) in die Liste des Weltnaturerbes der UNESCO aufgenommen. Sie umfasst die Gruppe der Phoenix Islands und eine riesige Wasserfläche – also Land- und Seegebiete – die mit einer Fläche von 408.250 km² das weltweit größte Meeresschutzgebiet darstellen. Dazu gehört eines der größten noch intakten Koralleninsel-Ökosysteme sowie mindestens 14 Unterwassergebirge, von denen man annimmt, dass es sich um erloschene Vulkane handelt, und eine ungewöhnlich reichhaltige Fauna. An die 800 Arten wurden gezählt, darunter 200 verschiedene Korallen, 500 Fischarten, 18 Arten von Meeressäugern und 44 kleine und große Seevogelarten. Dank der Abgeschiedenheit von Archipel und Seegebiet war der Einfluss menschlicher Aktivitäten sehr gering, was den Habitats auf den Korallenriffen, den Inseln und Unterwassergebirgen zugute kam. PIPA ist für das Studium und das Verständnis ökologischer und biologischer Prozesse mariner Ökosysteme des Pazifiks inzwischen unverzichtbar.

Eckart Fiene
Fotos: © Kiribati National Tourism Office




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