Kenia im Überblick
„Jambo“ – so klingt es Besuchern allenthalben entgegen, „Hallo“. Oder „karibu“, „herzlich willkommen“. Der Tourismus ist der wichtigste Wirtschaftszweig des ostafrikanischen Kenia, und so werden Reisende in Hotels und auf Safari allzeit freundlich begrüßt. Doch wenn man ganz ehrlich ist, ziehen eigentlich diejenigen Lebewesen die größte Aufmerksamkeit auf sich, die niemals „jambo“ sagen würden, die großen, wilden Tiere. Elefanten und Löwen, Giraffen und Gnus, Büffel und Zebras, Geparde und Nashörner, Krokodile und Flusspferde, Strauße und Gazellen, Affen und Antilopen, Flamingos und Pelikane und nicht zu vergessen die auf die Knie fallenden Warzenschweine – sie alle sind in den weitläufigen Nationalparks aus der Nähe zu beobachten.
Masai vor der Ebene des Masai Mara Nationalparks
Die Hauptstadt
Die größte Stadt des Landes ist auch die Hauptstadt: Nairobi. Sie liegt auf knapp 1700 m Höhe 150 km südlich des Äquators und weist damit ein angenehmes Klima auf. Die Stadt ist noch recht jung, war vor hundert Jahren lediglich ein „Ort des kühlen Wassers“ (Masai: „enkare nyrobi“) und ist heute die ökonomisch wichtigste Stadt Ostafrikas. Ihr Angesicht ist modern, das Zentrum wird durch Hochhäuser der siebziger und achtziger Jahre bestimmt und lässt sich in zwei Stunden bequem erkunden. Nur wenige Kolonialbauten blieben erhalten, Teile des Kenyatta-Zentrums und des Rathauses, dazu sind einige Kirchen und Moscheen interessant, während das bescheidene Mausoleum des ersten Präsidenten, Jomo Kenyatta, nur im Vorbeigehen angeschaut werden darf. Im Nationalmuseum werden Kopien zahlreicher anthropologischer Funde gezeigt.
Am Stadtrand befindet sich das Karen Blixen Museum, ein Haus, in dem die dänische Autorin einige Jahre gelebt hat. „Ich hatte eine Farm in Afrika am Fuße der Ngongberge …“, schrieb sie in ihrem 1938 erschienenen autobiographischen Roman, der vor allem durch die Verfilmung mit Robert Redford und Meryl Streep bekannt wurde. Der Film wurde allerdings nicht hier gedreht, dafür war die Stadt bereits zu stark gewachsen, sondern im Nationalpark Masai Mara.
Touristen unterwegs im Nationalpark Masai Mara
Ebenfalls direkt am Rande der Stadt beginnt der Nairobi National Park, der als erster Nationalpark bereits 1946 eröffnet wurde. Mehr als 100 verschiedene Tierarten sind zu entdecken, nur Elefanten wird man nicht finden. Entlang des Athi River kann man die Gegend sogar zu Fuß erkunden, im Waisenhaus werden verletzte Jungtiere wieder aufgepäppelt, und im Giraffenzentrum werden vom Aussterben bedrohte Rothschild-Giraffen, die aus Südafrika importiert wurden, darauf vorbereitet, in anderen Nationalparks wieder in die freie Wildbahn entlassen zu werden.
Karen Blixen (1885–1962)
Die als Karen Dinesen geborene Dänin entfloh ihrer strengen Familie und heiratete einen Vetter, Baron Blixen, der in Ostafrika eine Kaffeeplantage kaufte, wo sich das nur in einer Zweckehe vereinte Paar 1914 niederließ. Nach der Scheidung fand sie ihre wahre Liebe in dem Sportflieger Denys Finch Hatton, der ihr die Landschaften Afrikas zeigte und sie zum Schreiben ermunterte. Da die Farm nicht genügend Erträge abwarf, musste sie sie 1930 verkaufen, kurz darauf stürzte Finch Hatton mit dem Flugzeug ab. Karen Blixen kehrte nach Dänemark zurück und schrieb vor allem über ihre Heimat. Ihr unter dem Pseudonym Tania Blixen veröffentlichter autobiografischer Afrikaroman „Afrika, dunkel lockende Welt“ wurde unter dem Titel „Jenseits von Afrika“ verfilmt.
Hafen und Sandstrände
Zweitgrößte Stadt des Landes ist die alte, im südlichen Bereich der Küste des Indischen Ozeans auf einer Insel gelegene Hafenstadt
. Ein buntes Völkergemisch aus Afrikanern, Arabern, Indern, Europäern und Chinesen belegt, dass die Stadt eine lange Geschichte hinter sich hat. Schon im 6. Jh. soll es hier einen arabischen Handelsposten gegeben haben, und im 16. Jh. versuchten die Portugiesen mehrfach, an dieser günstig gelegenen Stelle Fuß zu fassen. Das gelang ihnen erst 1598, woraufhin sie die Stadt mit dem noch größtenteils erhaltenen Fort Jesus befestigten. Es schützt die heutige Altstadt mit ihren verwinkelten Gassen, bei der früher die arabischen Dhaus anlegten, während der moderne Containerhafen, der wichtigste Ostafrikas, sich auf der Westseite der Insel befindet. Häuser im Kolonialstil, Kirchen, Tempel und Moscheen in der Altstadt und ihrer Umgebung berichten von der toleranten und lebhaften Geschichte der Stadt.
Nördlich und südlich von Mombasa ziehen sich lange Sandstrände hin, die von den Hotels verschiedenster Kategorien direkt erreicht werden können. Hier findet man Entspannung pur unter Palmen, wie man sich das im fernen Europa vorstellt. Ausflüge kann man an der Nordküste zu einer Krokodilfarm, Handwerkerdörfern und zum Kenya Marine Park unternehmen; von letzterem legen auch die alten Dhaus mit traditionellen Dreieckssegeln ab, mit denen man den ganzen Tag die Küste erkunden kann. Schnorcheln, Tauchen und Surfen sind die beliebtesten Wassersportarten.
Zu einer gewissen Berühmtheit gelangte die Inselgruppe Lamu im Norden der Küste, als sich ein Mitglied des deutschen Hochadels dort genauso daneben benahm wie schon häufiger zu Hause. Ansonsten wurden in der gleichnamigen Hauptstadt zahlreiche alte Wohngebäude renoviert oder ausgebaut, in Ferienhäuser und Pensionen verwandelt, in denen man entspannen und gut essen kann. Die arabisch anmutende Altstadt Lamus ist inzwischen Welterbe der Unesco. Einige der Häuser gehen auf das 18. Jh. zurück, wurden aus Korallenstein erbaut und haben kunstvoll geschnitzte Eingangstüren. Die Geschichte der Stadt und der umliegenden Inseln verdeutlicht das Lamu Museum.
Jomo Kenyatta (1893–1978)
Der spätere Staatspräsident stammt aus einem kleinen Dorf und wurde von schottischen Missionaren unterrichtet. Ab 1928 engagierte er sich politisch und verhandelte mehrfach in London über Landfragen und Arbeitsbedingungen mit der Kolonialmacht. 1938 wurde er mit einer Sozialstudie über das Volk der Kikuyu promoviert. Nach dem 2. Weltkrieg verschärften sich die Auseinandersetzungen, und Kenyatta wurde 1959 von den Kolonialbehörden als angeblicher Anführer eines Aufstands verhaftet und unter Hausarrest gestellt. 1960 wurde er zum Vorsitzenden der Kenya African National Union (KANU) gewählt, die bei den ersten freien Parlamentswahlen 1963 siegte. Er wurde Ministerpräsident und bei der formellen Unabhängigkeit Kenias am 12.12.1964 erster Staatspräsident. Kenyatta gehört zu den großen „Vätern der afrikanischen Unabhängigkeit“.
Auf den Spuren der „Großen Fünf“
Neben dem Strandurlaub sind die Safaris in den Nationalparks die beliebteste Beschäftigung von Touristen und Einheimischen. Anders als in Ernest Hemingways Roman „Die grünen Hügel Afrikas“ oder der Kurzgeschichte „Schnee auf dem Kilimandscharo“ wird aber auf die Tiere nicht mehr mit Gewehren geschossen; dafür kommen allseits Fotoapparate jeglicher Kategorie zum Einsatz.
Insgesamt gibt es in Kenia derzeit 27 Nationalparks, 32 Reservate und 4 Tierschutzgebiete; rund 9 Prozent der Fläche des Landes stehen unter dem Schutz der Regierung. Das bedeutet nicht, dass diese Gebiete vollständig der wilden Tierwelt überlassen bleiben. Sie werden als Nationalparks und Safarigelände bewirtschaftet, dürfen allerdings nicht als Weidegrund für Rinder, Schafe und ähnliche Tiere genutzt werden, was zu Konflikten z.B. mit den Masai führte, die immer neue Flächen für ihre ständig wachsenden Herden suchten und alles Land als ihr Eigentum ansahen. Der Kompromiss verbietet weiter die Weidenutzung, erlaubt aber Masaidörfer in den geschützten Gebieten.
Wenn die Besucher in den frühen Morgenstunden oder am späten Nachmittag in den geländegängigen Fahrzeugen auf Pirschfahrt gehen, schieben sich solche Fragen schnell in den Hintergrund. Im Vordergrund zieht vielleicht gerade eine Elefantenfamilie vorbei, grasen Zebras oder wälzen sich in einer Drecklache, schreitet eine Giraffe würdevoll dahin oder wirbelt eine Büffelherde Staub auf. Gelangweilt dösen ein paar Löwen im Schatten, schubst eine Nashornmutter ihr Junges, kühlen sich Flusspferde im Wasser ab oder pirscht ein Gepard durchs hohe Gras. Aber nicht nur auf die großen Tiere sollte man achten, sondern auch auf die Vögel – Wildhühner, ägyptische Enten, Reiher, Ibisse, Fasane, Sekretäre –, die Warzenschweine und die weniger beliebten Tiere wie Schakale und Hyänen. Mit Fernglas ausgestattet und durch einen lebhaften Funkverkehr informiert, bringen die Driver-Guides ihre Kunden an den Ort des Geschehens und zeigen einem auch gut getarnte Spezies auf. Und eine gute Story kennen sie auch.
Zwei bis drei Tage von einem Quartier aus verschaffen einen guten Überblick über die Region, danach sollte man zu einem anderen Quartier oder Nationalpark wechseln. In einer Woche Safari empfehlen sich also drei Standorte.
Löwe im Nationalpark Masai Mara
Zu den bekanntesten Schutzgebieten gehören der Amboseli National Park, eine weite Savannenlandschaft am Fuß des (der zu Tansania gehört); der Tsavo National Park, 50 km östlich von Mombasa gelegen und der größte des Landes; das an der Grenze, das in den riesigen Serengeti National Park in Tansania übergeht und zur Regenzeit die größten Herden und Tierbewegungen aufweist; das Kakamega Forest National Reserve, ein tropisches Regenwaldgebiet nördlich der am Lake Victoria gelegenen Stadt Kisumu, das auch zu Fuß erkundet werden kann; der Lake Nakura National Park, an dem sich zahllose Flamingos und Pelikane sammeln; die National Reserves Samburu und Buffalo Springs, eine Dornbuschsavanne mit reizvoller Flusslandschaft und einigen Aussichtshügeln. Vor der Küste gibt es mehrere kleinere Marine National Parks.
Ernest Hemingway (1899–1961)
Der amerikanische Schriftsteller besuchte in den 1930-er Jahren Kenia mehrfach, vor allem, um auf die Jagd zu gehen. Sein Roman „Die grünen Hügel Afrikas“ ist eher eine Art Tagebuch seiner Jagdzüge, bei denen die weißen Besucher, unterstützt von einem Trupp Afrikaner, durch die Landschaft ziehen und auf alles schießen, was sie vor die Flinte bekommen („Ich brauche nur zwölf Zebrafelle.“). Doch Hemingway ist eigentlich der Meister der Kurzgeschichte. In „Schnee auf dem Kilimandscharo“ geht es zwar auch um die Jagd, doch wird hier die Verletzlichkeit des Menschen gezeigt, der Tod erscheint als Flug auf den schneebedeckten Gipfel des mächtigen afrikanischen Vulkans.
Beeindruckende Natur
Für ambitionierte Wanderer und Kletterer wartet in der Mitte des Landes der mit 5199 m höchste Berg Kenias und zweithöchste Afrikas auf seine Besucher: der 1997 in die Unesco-Liste des Welterbes aufgenommene Mount Kenya. Erst 1883, nach Berichten des schottischen Entdeckers Joseph Thomson, glaubten die Menschen in Europa, dass es Schnee am Äquator gab, und 1899 wurde der höchste Gipfel des Bergmassivs von einem britischen Team erstmals bestiegen, 1959 erstmals von einem kenianischen Team. Wie der Kilimandscharo, der höchste Berg des Kontinents, ist auch der Mount Kenya ein erloschener Vulkan, an dessen gleichförmigen Abhängen sich fünf Vegetationszonen entlangziehen. Von der Waldzone gelangt man in die Bambuszone, von dort in einen Regenwald mit Orchideen, Farnen und Moosen, dann weiter in die Heidezone und in über 4500 m Höhe in die Fels- und Gletscherzone. Trekkingtouren erfordern gute Vorbereitung und beste körperliche Fitness.
Breitmaul-Nashorn im Nationalpark Lake Nakuru
Ganz im Westen Kenias liegt der Lake Victoria, der größte Süßwassersee Afrikas, an dem auch Uganda und Tansania einen (weitaus größeren) Anteil haben. Das Ufer ist dicht mit Schilf und Papyrusgras bewachsen, auf dem fruchtbaren Ackerland werden Gemüse und Tee angebaut, Fischer gehen auf die Jagd nach Nilbarschen und Tilapia. Wer selbst die Angel schwingen will, setzt am besten zur Insel Mfangano über, von der aus Luo und Suba nachts mit Kerosinlampen die Fische anlocken. Das am Ufer des Sees gelegene Kisumu ist die drittgrößte Stadt des Landes, doch sie weist wenig Bemerkenswertes auf, wie auch die weitere Umgebung.
Giraffen im Nationalpark Masai Mara
Aktivitäten
Die Vielfalt des Tourismus in Kenia wächst. Auch wenn das Sonnen am Strand und die Pirschfahrt nach wilden Tieren bei weitem noch die Hauptbeschäftigungen der meisten Besucher sind, werden zunehmend andere Aktivitäten angeboten. Im Masai Mara National Reserve kann man (zweifellos für viel Geld) am frühen Morgen den Sonnenaufgang und die tierischen Aktivitäten auf der Erde vom Ballon aus beobachten. An der Küste werden Ausflüge auf traditionellen Dhaus angeboten, auf dem Fluss Ewaso Ng’iro Bootsfahrten zu einer Region, in der Schimpansen leben, und im Norden kann man auf dem schwankenden Rücken von Kamelen trekken. Wandern und Trekken stehen an vielen Orten auf dem Programm, an der Küste gibt es beliebte Tauchreviere.
Das Essen in den meisten Hotels ist europäisch geprägt, doch gelegentlich kommen jetzt auch afrikanische Gerichte auf den Tisch. Doch wie auch immer man den Tag verbracht hat, am besten beginnt man den Abend mit einem frischen „Tusker“ – dem Bier mit dem Elefanten drauf.
Franz-Josef Krücker
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