Bananen, Kaffee und Zuckerrohr

Eine Wanderung durch das grünste Tal der Kapverden

Text und Fotos: Rainer Heubeck

Kapverden - Santo Antao - Essen

Limo und Fatima Vaz del Gado haben alles aufgetischt, was die kleinen Felder und Terrassen, auf denen sie Gemüse anbauen, hergeben: Yams, Süßkartoffeln und gebackene Bananen. Dazu gibt es Fisch. All die Köstlichkeiten hat Marlina dos Reis zubereitet, eine Cousine. Gekocht hat sie in einer dunklen Küche in einem kleinen Steinhaus, zum Teil auf Holzfeuer, zum Teil mit einem Gasbrenner. Das Wasser hat sie vorher zu Fuß von einer nahe gelegenen Quelle geholt. Als wir die Familie um 13 Uhr besuchen, steht sie bereits seit drei Stunden am Herd. Hausherr Lino Vaz del Gado, der eine knielange Jeanshose und blau Flipflops trägt, bringt selbst gebrannten Zuckerrohrschnaps, auf den Kapverden Grogue genannt, als Aperitif.

Kapverden - Santo Antao - Limo und Fatima Vaz del Gado

Nach der Mahlzeit, die wir in einem Hof im Freien einnehmen, serviert seine Frau Fatima den Kaffee - eine Kreuzung aus Robusta und Arabica, die von der Familie selbst angebaut und kurz vor unserem Besuch frisch geröstet wurde. Den fein gemahlenen Kaffee hat sie mit heißem Wasser übergossen – und gewartet, bis sich das Pulver abgesetzt hatte. Schon nach dem ersten Schluck ist klar: Dies ist der beste Kaffee, den ich jemals getrunken habe. Nach der vierten Tasse, als wir aufbrechen und weiter wandern, bin ich davon noch immer überzeugt.

Wenige Minuten später stehen zwei Mädchen am Rand unseres Weges, der durch mannshohe Zuckerrohrstauden und später auf felsigem Untergrund bergab führt. Sie verkaufen frisch gemahlenen Kaffee, in transparenten Plastikbeuteln verpackt. Das intensive Aroma der fein gemahlenen Bohnen kann keine Folie stoppen – es duftet phantastisch. Leider haben sie nur drei Tüten dabei. Jede kostet 350 Escudos, das sind etwa 3,5 Euro. Auf den Kapverden ist das gar nicht ganz wenig Geld – doch für den besten Kaffee der Welt ist es ein Spottpreis.

Kapverden - Santo Antao - Paultal

Das Paúltal, in dem die Familie Vaz del Gado wohnt, ist das fruchtbarste Tal der Kapverden. In den schroffen Bergen der Insel Santo Antão fangen sich die Wolken, so dass es hier mehr Wasser gibt als andernorts. Denn rein geographisch gehören die kapverdischen Inseln zu Sahelzone – und die ist bekanntlich alles andere als grün. Im Paúltal hingegen legen die Bewohner kleine Terrassen an und pflanzen Kohl, Karotten und Tomaten. Die meisten Bauern sind jedoch nur Pächter, das Land gehört vor allem Großgrundbesitzern, die zum Teil im Ausland leben. Aus diesem Grund, so berichtet die Berg- und Wanderführerin Hetty Guddens, ist das Paúltal zwar das fruchtbarste Tal der kapverdischen Inseln, aber es gehört gleichzeitig auch zu den ärmsten Gemeinden.

Kapverden - Snato Antao - bescheidene Hütten

Während unserer Wanderung durch das Tal begegnen wir so gut wie keinen anderen Touristen, dafür immer wieder Einheimischen, die uns freundlich begrüßen. Etwa Maria Joana und Thomas Andrat, die mit ihren zehn Kindern in zwei bescheidenen Hütten wohnen – und die vom selbst angebauten Gemüse und vom Verkauf kleiner Körbe und Flechtarbeiten leben. Seit dem Jahr 2011, so berichten sie stolz, sind ihre Hütten ans Stromnetz angeschlossen. Während unseres Besuchs kümmert sich Maria Joana gerade um die Wäsche, die sie mühsam per Hand bearbeitet. Das Wasser dafür hat sie in einem grünen Plastikbehälter von einer nahen Quelle geholt. Gleich nebenan treffen wir eine freundliche Frau, die eine Schale mit Kaffeebohnen auf einem offenen Holzfeuer röstet. Im Gegensatz zu den Andrats, die in zwei bescheidenen Steinhäusern leben, ist ihr kleines Hüttchen nur aus Holz.

Kapverden - Santo Antao - Kaffeebohnen am Strauch

Neben Kaffee ist Zuckerrohr eine der wichtigsten Nutzpflanzen im Paúltal. Genossen wird es in der Regel nicht zuckersüß, sondern hochprozentig: vergorenen Zuckerrohrsaft, der mehrere Tage im Holzfass gelagert wurde, destillieren die Einheimischen zu Rum, der hier Grogue genannt wird. In der Brennerei Pinto & Pinto, auf die wir bei unserem Rückweg aus dem Paúltal stoßen, erfahren wir, dass nur von Januar bis Juli gebrannt wird – und dass ein Teil des Destillats anschließend noch etliche Jahre in Holzfässern lagert, die vorher für Portwein genutzt worden sind. So entsteht dann der so genannte alte Grogue. Er ist nicht transparent, sondern gelblich. Eine Mitreisende ist so begeistert, dass sie gleich eine Flasche kaufen möchte – doch der Verschluss ist nicht hundertprozentig dicht. Kein Problem, meint Wanderführerin Hetty Guddens – und verschweißt die Folie, die den Flaschenhals überzieht und die das Heraustropfen des Inhalts verhindern soll, kurzerhand mit heißer Luft aus einem Haarföhn. Auf den Kapverden weiß man zu improvisieren. Als sich die Schuhsohle meines Wanderschuhs fast abgelöst hat, gelingt es einem Schuster im Küstenort Vila das Pombas aus altem Reifengummi eine Ersatzsohle zu basteln, mit der ich die weiteren Wanderungen problemlos überstehe.

Kapverden - Santo Antao - Rum

Santo Antão ist die beliebteste Wanderinsel der Kapverden, etwa 14 Tage kann man hier unterwegs sein, ohne dass es langweilig wird. Lohnend ist ein Blick in den Cava-Krater - oder ein Abstieg vom Krater ins Paúltal. Wanderführerin Hetty Guddens kennt nicht nur den jeweiligen Weg, sondern auch die verschiedensten Pflanzen. Mal entdeckt sie am Wegrand einen Guavenbaum und pflückt gleich eine reife Frucht, mal sieht sie Heilkräuter wie die Kuhzunge, die bei Husten und Asthma helfen soll. Die Blätter dieser Pflanze sind relativ rau – und erinnern deshalb an die Zunge einer Kuh. Eine anderes Kraut mit kleinen grünen Blättern nennt man „Quebra pedra“. Übersetzt heißt das soviel wie „zerbrochener Stein.“ Als Tee aufgebrüht, sei dieses Kraut, so versichert Hetty, gut gegen Nierensteine. Und da ist dann noch eine violette Pflanze, die ein bisschen aussieht wie Fingerhut. „Contra bruxas azul“, so heißt dieses endemische Gewächs, das vor Hexen schützen soll. Dabei kuriert die Pflanze eigentlich nur Durchfall. Doch weil früher viele Kinder auf der Insel an Diarrhö verstorben sind, was auf Hexerei zurückgeführt wurde, sah man ihre Kraft vor allem darin, dem bösen Wirken von Hexen entgegenzuwirken.

Auf dem Weg von Ponta do Sol nach Fontaínhas, einen Ort, in dem die Nachkommen englischer und französischer Piraten wohnen sollen, zeigt uns Hetty Guddens nicht nur Brotfruchtbäume, sondern auch eine kleine, recht unscheinbar wirkende Flechtenart am Wegrand, die Urzela oder Orseille. „Diese Pflanze verschaffte den Kapverden ihre ersten Exporterfolge“, berichtet die Kapverdierin, die in Vila das Pombas auf Santo Antão lebt, aber in Holland geboren wurde.

Kapverden - Santo Antao - Urzela

Wie es zu dem Exporterfolg kam? Aus der Pflanze konnte ein blauvioletter Farbstoff gewonnen werden, der vor der Erfindung des synthetischen Indigo sehr begehrt war. „Viele Wanderwege hier entstanden ursprünglich, um Urzela zu ernten. Die Farbe wurde gewonnen, indem man die Pflanze in Esel-Urin eingelegt hat“, berichtet Hetty Guddens. Erste Urzela-Exporte soll es bereit 1459 gegeben haben, in den Zeiten des Urzela-Booms waren Ernte und Verarbeitung vor allem Sklavenarbeit.

Kapverden - Santo Antao - Wanderung - Riberia Grande Tal

Eine weitere Wanderung führt uns von Corda nach Figueiral und Cuculi. Hier sind wir schon zu hoch, um noch Urzela-Flechten zu sehen. Dafür genießen wir bei unserem Abstieg, auf dem wir etwa 800 Höhenmeter überwinden, den Blick über das Riberia Grande Tal – und finden eine Stelle mit Obsidian-Vorkommen. Die schimmernden schwarzen Halbedelsteine sind, wie die gesamten kapverdischen Inseln, vulkanischen Ursprungs. Ein Stück weiter zeigt uns Hetty Guddens eine Jatropha-ähnliche Pflanze, die Jatropha curcas bzw. Pulgeira oder Purgiernuss. Sie wurde von portugiesischen Seefahrern eingeführt, und aus ihr macht man Medizinöl, aber auch Seife oder Kerzen. Hettys Medizin- und Pflanzen-Lehrstunde könnte noch weiter gehen, doch bald haben wir das Tal erreicht. Wandern macht hungrig - und statt bei Limo und Fatima Vaz del Gado im Paúltal sind wir heute bei Mité und Banana im Chã de Igreja zu Gast. Auch hier: von Massentourismus keine Spur. Das kleine, familiäre Restaurant öffnet nur auf Voranmeldung. Es serviert lokale Hausmannskost, bei der Mais und Bohnen als Bestandteile nicht fehlen dürfen.

Kapverden - Santo Antao - Musiker

 

Reisemagazin schwarzaufweiss

 

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