Kambodscha im Überblick

Großartige Tempel mit kilometerlangen Reliefs und hoch aufragenden Türmen, weite Ebenen, auf denen sich die Reishalme im Wind wiegen, beschattet von dreißig Meter hohen Zuckerpalmen und ihren kugelförmigen Blätterkronen, mächtige Flüsse wie der Tonle Sap, der sich zu einem riesigen See weitet, und der Mekong mit seinen Wassermassen, aber auch lange Sandstrände in Sihanoukville im Süden, an der Küste des Golfs von Thailand – das alles bietet das Reiseland Kambodscha.

Kambodscha, Auf dem Lande

Unterwegs auf dem Lande

Aber das Reich der Khmer ist auch ein Land, das leicht gewaltige Emotionen freisetzt. Als es Ende des 19. Jahrhunderts von den Franzosen in ihre Kolonie „Indochina“ einbezogen wurde, war es politisch und wirtschaftlich schwach, wurde von den europäischen Kolonialherren für ihre Plantagenwirtschaft ausgebeutet. Die Amerikaner zwangen das von Armut geprägte Land in ihren Krieg gegen Vietnam, etablierten unfähige und korrupte Politiker und luden tonnenweise Bomben über jenen Gebieten ab, in denen sie den Ho-Chi-Minh-Pfad vermuteten. Und dann kam die Herrschaft der Roten Khmer. Von 1975 bis 1979 haben die Steinzeitkommunisten rund zwei Millionen Kambodschaner getötet oder an Hunger und Krankheiten sterben lassen. Die vietnamesischen Nachbarn befreiten das Land von dieser Gewaltherrschaft, wurden aber von der internationalen Gemeinschaft für diese Invasion geächtet. Heute regiert das Land wieder sich selbst, sind die schlimmsten Kriegsfolgen überwunden und ist weitgehend Frieden eingekehrt, auch wenn von den verantwortlichen Roten Khmer bisher nur wenige zur Rechenschaft gezogen wurden. Besonders demokratisch ist auch die neue Führung nicht, und Korruption beherrscht das Zusammenspiel von Wirtschaft und Politik.

Kambodscha, Angkor Wat

Der Angkor Wat spiegelt sich im Teich, der das Weltmeer symbolisiert

Über den schrecklichen Ereignissen der jüngeren Geschichte vergessen gerade die Europäer gerne, dass vom 9. bis 14. Jahrhundert in Kambodscha, dem Reich der Khmer, eine Hochkultur herrschte, die jener im Europa dieser Zeit durchaus das Wasser reichen konnte. Im Jahr 802 vollführte der Khmer-Herrscher auf dem Berg Kulen im Norden des Landes eine Zeremonie, mit der er sich von allen anderen Einflüssen lossagte und sein eigenes Reich gründete, das sein Zentrum in Angkor („Stadt“) finden sollte. König auf König baute daraufhin hinduistische Tempel für seine Ahnen und für sich selbst. Die bedeutendsten Herrscher verlegten ihre Hauptstadt um einige Kilometer, um Platz für neue gewaltige Tempelanlagen zu gewinnen. Nur die religiösen Bauwerke waren aus Stein, die Bauten für die Menschen, selbst der Königspalast, bestanden aus vergänglichem Holz. So entstand in fünf Jahrhunderten eine der größten Ansammlungen von religiösen Bauwerken auf dem Planeten und mit dem Angkor Wat der vom Volumen her bis heute größte Tempel weltweit. Ein kulturelles Erbe, das im Bewusstsein der Khmer immer vorhanden war (und deshalb Ende des 19. Jhs. auch keineswegs von den Franzosen „entdeckt“ wurde), und auf das sie heute zunehmend wieder stolz sind. Es war lange verborgen, nicht nur hinter den Blättern und Wurzeln der Würgefeigen und Kapokbäume im kambodschanischen Urwald. Inzwischen befindet sich die Gesamtanlage auf der Welterbeliste der UNESCO und wird, unterstützt von zahlreichen Organisationen und Wissenschaftlern, intensiv restauriert.

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Drei Tage Zeit sollte man sich für die zahlreichen Tempel auf jeden Fall nehmen, man kann aber leicht auch die doppelte Zeit dort verbringen. Der bekannteste Tempel ist , der aus einer späten Bauphase stammt und von einem breiten Wassergraben umgeben ist. Tausende von Apsara, anmutigen himmlischen Tänzerinnen, schmücken die äußeren Mauern, in den unteren Galerien des eigentlichen Tempelbauwerks zieren hingegen großformatige Reliefs mit Szenen aus dem hinduistischen Epos Ramayana die Wände. Stufe um Stufe steigt man dann zum mächtigen Hauptturm hinauf, von dem aus man auch einen herrlichen Blick über den umliegenden Dschungel genießen kann.

Die Hauptstadt Angkor Thom einige Kilometer entfernt ließ einer der berühmtesten Baumeister errichten, König Jayavarman VII. Er hing dem buddhistischen Glauben an, und so schmücken schon die Tore der mächtigen Umfassungsmauer große Gesichter, die dem Antlitz des Königs Jayavarman VII. nachgebildet sein sollen. Gleichzeitig stellen sie aber den Bodhisattva Avalokiteshvara dar (den buddhistischen „Herrn des Mitleids“) und den hinduistischen Gott Shiva. Religionen kämpfen hier nicht gegeneinander, sondern verschmelzen. Der Haupttempel, der Bayon, wird ebenfalls von zahllosen Gesichtertürmen beherrscht und beherbergte einst eine große Buddhastatue. Seine Galerien berichten in langen Reliefs von den Kriegen der Khmer gegen die Cham und vom Alltagsleben. Den Tempel Ta Prohm baute ebenfalls Jayavarman VII. Mitte des 12. Jhs. zu Ehren seiner Mutter. Auch ihn zeichnen zahlreiche Reliefs von Tänzerinnen und buddhistischer Figuren aus. Seine Besonderheit besteht allerdings darin, dass dieser Tempel nur notdürftig von den Überwucherungen des Dschungels befreit wurde. Wie gigantische Schlangen winden sich die Wurzeln der Würgefeigen und Kapokbäumen um Säulen und Wände, zeigen sehr deutlich, dass mit den Jahrhunderten die lebende Natur den toten Stein brechen kann.

Kambodscha, Gesichterturm am Tempel Bayon in Angkor

Gesichterturm am Tempel Bayon in Angkor

Man sollte sich aber nicht auf diese drei berühmten Tempel beschränken, sondern auch einige der kleineren Stätten besuchen, wie etwa Banteay Srei mit seiner herrlichen Schnitzkunst, das geradezu klassische Turmheiligtum Thommanon oder den Hügeltempel Pre Rup. Auch das hiesige Nationalmuseum sollte man nicht auslassen. Wer einmal einen halben Tag Pause von den Tempeln haben möchte, kann zum Tonle-Sap-See fahren und dort ein Boot mieten, um die schwimmenden Dörfer auf dem See zu besuchen. Einen Ausflug, den man nicht verpassen sollte, ist der zum Preah Vihear, 250 km nördlich von Angkor, an der Grenze zu Thailand. Vor einigen Jahren standen sich Thais und Kambodschaner hier mit geladenen Gewehren gegenüber, doch der Internationale Gerichtshof stellte klar, dass der Tempel aus dem 10. Jh. eindeutig zu Kambodscha gehört; die Thais zogen daraufhin ab. Die Anlage liegt auf einem mehr als 80 Meter hohen, senkrecht abfallenden Felsen und passt sich aufsteigend dem Gelände an. Sie birgt viele Kleinodien und bietet einen fantastischen Rundumblick. (Keine Angst: hinauf fährt man per Jeep.)

Kambodscha, Feine Ziegelschnitzereien am Tempel Banteay Srei

Feine Ziegelschnitzereien am Tempel Banteay Srei

Hinter diesem Zentrum der frühen Khmer-Kultur steht die heutige, weiter im Süden gelegene Hauptstadt Phnom Penh deutlich zurück. Dennoch sollte man sie keineswegs auslassen. Sie ist eine quirlige, aufstrebende Stadt, am Zusammenfluss des Mekong und des Tonle Sap gelegen. Mopedfahrer knattern zu Tausenden durch die Gegend, überall haben Verkaufsstände und kleine Restaurants geöffnet, die Aufbruchstimmung ist unverkennbar.
Die bedeutendste Sehenswürdigkeit ist der Königspalast, der heute wieder unter goldenen Turmspitzen erstrahlt. Die meisten Gebäude können mit einer Führung von außen besichtigt werden, manche auch von innen, je nachdem, wo sich der König gerade aufhält. Die zum Palast gehörende Tempelanlage ist als Silberpagode bekannt, weil der Boden der Halle mit über 5000 versilberten Kacheln ausgelegt ist. Die überaus wertvollen Schätze, die hier aufbewahrt werden, wurden auch von den Roten Khmer nicht angetastet, die mit dem damals abgedankten Prinzen Sihanouk ein Stillhalteabkommen vereinbart hatten.
Zahlreiche Statuen und Reliefs aus den verschiedensten Perioden der Khmer-Kultur werden in dem äußerst sehenswerten Nationalmuseum präsentiert. Sowohl die hinduistische als auch die buddhistische Tradition der Khmer, und selbst deren Verschmelzung, werden deutlich. Natürlich zieren auch einige Tempel die Hauptstadt. Der bekannteste, aber nicht unbedingt der schönste, ist der Wat Phnom, der in Zusammenhang mit dem Namen der Hauptstadt steht. Nach einer Legende sah eines Tages eine tief gläubige Frau namens Penh eine Buddhastatue in dem breiten Fluss schwimmen und setzte alles daran, die Statue aus dem Wasser zu fischen. Nachdem dies gelungen war, baute sie auf einem Hügel (Phnom) einen Tempel für die Statue, der jetzt Wat Phnom (also „Hügeltempel“) heißt, während die Stadt den Namen der Frau trägt.

Kambodscha, Königspalast Phnom Penh

Königspalast Phnom Penh

Auch wenn viele Wunden der Vergangenheit verheilt sind, hinterließ die Zeit der Roten Khmer doch ihre Spuren. Einige der besonders grausigen sind in Tuol Sleng (S21) zu sehen, einer ehemaligen Schule, die die Organisation der Roten Khmer als Gefängnis und Folterzentrum nutzte. Fotos und Dokumente beweisen, dass auch die Roten Khmer gewissenhafte Buchhalter des Todes waren. Eine andere eindrucksvolle Stätte des Terrors liegt einige Kilometer außerhalb der Stadt, Choeng Ek, eines der „Killing Fields“. Die Roten Khmer empfanden es als Verschwendung, ihre Opfer zu erschießen. So trieben sie sie einfach in Felder, ließen sie flache Gruben ausheben und erschlugen sie dann mit Knüppeln und Hacken. Ein Mahnmal mit Schädeln und anderen Knochen erinnert daran, und im unebenen Terrain ragen immer noch Knochen aus dem Boden.

Tempel aus der Angkor-Periode und sogar aus der Zeit davor sind im ganzen Land vielfach wieder zugänglich und einigermaßen restauriert. Ein gutes Beispiel ist Sambor Prei Kuk, das im 7. Jh. ein bedeutendes Zentrum war, in dem mehrere Tempelensembles entstanden. Schöne Ziegeltürme ragen auf, geschmückt von Ziegelreliefs, die „fliegende Paläste“ zeigen, und Sandsteineinfassungen an Türen und Fenstern. Durch einen lichten Wald wandelt man hier, alles geschützt als UNESCO-Welterbe. Südlich von Phnom Penh kann man den Ta Prohm von Tonle Bati bewundern, eine weitere kleine Anlage aus der Vor-Angkor-Zeit, die zudem in der Nähe eines netten Sees liegt.

Kambodscha, Strand in Sihanoukville

Strand in Sihanoukville

Wer nach diesem intensiven Kulturtrip noch etwas Entspannung sucht, kann auch in Kambodscha fündig werden, denn die Strände von Sihanoukville am Golf von Thailand sind sauber und sandig. Am Wochenende schwärmen die Hauptstädter gerne dorthin aus, denn sie sind über eine gut ausgebaute Straße in drei Stunden zu erreichen. Vom einfachen Zimmerchen für ein paar Dollar bis zum weitläufigen Fünf-Sterne-Hotel mit schattigem Strand und einer Vielfalt an Restaurants ist hier alles zu finden.

Auch die anderen Orte am Golf, wie Kep und Kampot, haben inzwischen Anschluss an den Erholungstourismus gefunden, neue Hotels gebaut oder alte wieder in Betrieb genommen, die Strände aufgeräumt und das Angebot an frischem Fisch erweitert. Noch recht abgeschieden ist es hingegen in der Provinz Koh Kong im Südwesten, an der Grenze zu Thailand. Früher war diese Gegend nicht zugänglich, weil sie von Kadern der alten Roten Khmer kontrolliert wurde, die dort Kasinos betrieben, in denen Gäste aus Thailand ausgenommen wurden. Heute setzt man auf Öko-Tourismus, schöne Bungalows am Fluss, Mountainbiken und Ausflüge zu den der Küste vorgelagerten Inseln.

Text und Fotos: Franz-Josef Krücker

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