Thymian und Rosmarin liegen in der Luft

Reisen und genießen in Süditaliens Provinz Apulien

Text und Fotos: Dominik Ruisinger

Der Wind hat deutlich aufgefrischt, als wir abends durch die Gassen flanieren. "Bald wird es regnen", ruft uns die Barfrau zu. Vielleicht. Zwei Stunden später in einem Restaurant am Hafen – wir staunen über die Vorspeisen: Austern, Muscheln, Seeigel, Garnelen, alles roh, nur mit etwas Zitrone beträufelt. Allein dieser Köstlichkeiten wegen müsste man jedes Jahr einen Abstecher in den Salento fest einplanen.

" Buon Appetito". Der Ober lächelt uns zu, als der Patron der gemütlichen Trattoria San Carlino das Essen präsentiert. Draußen schlägt die Kirchenturmuhr neun Uhr. Wir sitzen in Lecce, einer wohlhabenden Universitätsstadt in der süditalienischen Provinz Apulien. Vor einer Stunde hat das Zentrum goldgelb geglüht, wie jeden Abend, wenn sich die warme Sonne im Sandstein der Kirchen und Paläste spiegelt. Fast jedes Gebäude prunkt hier mit Putten und Ornamenten, verspielten Säulen und verzierten Balkonen. Denn Bildhauer, Steinmetze und Architekten nutzten die weiche, modellierbare Substanz des hiesigen Tuffsteines in einer Opulenz, sodass man heute vom Lecceser Barock spricht. Kein Wunder, dass dieses 'Florenz des Südens' vor allem Kulturtouristen anzieht.

Italien / Salento / Lecce

Abenddämmerung in Lecce

Lecce ist die Hauptstadt des Salento, die unbekannte "Bruderregion" des Gargano. Am Sporn Italiens und von Adria und Ionischem Meer umspült, bildet sie den südöstlichsten Absatz des Stiefels. Noch ist die Halbinsel weit davon entfernt, auf dem touristischen Präsentierteller zu liegen. Laut Fremdenverkehrsamt sind die Besucherzahlen in den letzten Jahren zwar stetig, aber nur langsam gestiegen.

Italien / Salento / Landschaft

Küstenlandschaft

Weite Teile sind so erhalten, wie sie immer waren: bäuerlich und selbstgenügsam, mit verträumten Dörfern und trutzigen Burgen, rauen Klippen und einsamen Fjorden, mit Fischeridylle und unberührter Natur.

Die Wächter der Küste

Von Lecces Hausstrand San Cataldo mit seinen Diskotheken und Bars läuft eine Panoramaroute die adriatische Küste entlang gen Süden. An der zerklüfteten Felslandschaft liegen lebhafte Küstenorte in geschützten Badebuchten wie das aufstrebende Torre dell’Orso oder das private San Andrea. Meist schmiegen sie sich um helle Dünenstrände vor einem dichten Pinienwald als Schutzmantel.

Italien / Salento / Strand

Strand

Wuchtige Wachtürme fallen auf. "Im Mittelalter dienten sie als Warnsystem, um uns vor Invasoren zu schützen", erzählt ein älterer Mann, der uns ein paar Meter begleitet. Heute zeichnen sich ihre Ruinen leuchtend weiß vor dem blauen Himmel ab und symbolisieren eines der historischen Überbleibsel der vielen Eroberer. Denn für Jahrhunderte war der Salento eine strategische Provinz, kolonisiert und besetzt von den großer Mächten jener Zeit. Und ob Römer, Byzantiner, Normannen oder Staufer - alle hinterließen ihre sichtbaren Spuren.

Italien / Salento / byzantinische Architektur

Byzantinische Einflüsse in der Architektur

Die gekaufte Stadt

Nördlich von Otranto tauchen die beiden Alimini-Seen auf, die sich parallel zum Meer die Küste entlang winden. Noch befindet sich das Baderevier weit gehend im Naturzustand: Ein geschlossener Gürtel aus Pinienwäldern und Kiefern, Feigenbäumen und Schilf umgibt den salzigen großen und den von Süßwasserquellen gespeisten kleinen See.

Italien / Salento / Alimini

Alimini-See

Wege führen zu felsigen Badestellen. Der Tourismus ist noch nicht da, obwohl einzelne vermüllte Picknickplätze von negativen Vorboten erzählen. Im glasklaren Wasser tummeln sich Fische, auf den Steinen sonnen sich Eidechsen, durch die Luft schwirren Schmetterlinge. Ansonsten Stille. Einzig der Wind spielt mit Gräsern und Sträuchern.

Wenige Kilometer weiter stehen wir in der herausgeputzten Hafenstadt Otranto. Lang zieht sich die Uferpromenade den sandigen Stadtstrand bis in die weiß getünchte Altstadt hinauf. Schützend wacht eine trutzige Habsburgerfestung über die Stadt, seitdem 1480 bei einem Überfall der türkischen Flotte mehr als zwölftausend Bewohner ermordet wurden.

Italien / Salento / Otranto

Blick auf Otranto

Am Fuß des alten Kastells schlängelt sich der enge Corso Garibaldi durch eine verwinkelte, orientalisch anmutende Altstadt. Im Gassengewirr zwischen engen Häuserschluchten versteckt sich die normannische Kathedrale, die vor allem wegen des wunderbaren Mosaikfußbodens aus dem zwölften Jahrhundert ein Wallfahrtsort vieler Apulien-Reisender ist.

Italien / Salento / Otranto

Unterhalb des hohen Felsbuckels glitzert das glasklare Meer. Im kleinen Hafen legt gerade eine Fähre nach Griechenland ab. Zahlreiche Sportboote und elegante Yachten schaukeln in der leichten Dünung. Sie sind ein Symbol für den Wandel der Stadt. Denn der Tourismus hat in Otranto die Fischerei ersetzt. Bewohner eröffneten elegante Boutiquen, Hotels und feine Restaurants, wo sich ausgezeichnete Fischsuppen und Muschelgerichte genießen lassen. Zudem kauften wohlhabende Norditaliener das Zentrum fast komplett auf. So ist die östlichste Stadt Italiens heute touristische Drehscheibe und Treff der süditalienischen Schickeria.

 

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