Landschaften wie sonst nur im Louvre

Zeitreise im Norden der Region Marken

Text und Fotos: Ulrich Traub

Die meisten Italienurlauber zieht es in andere Regionen. Die Marken fristen ein Dasein im Schatten der Toskana, Umbriens oder des Veneto. Dabei hat diese Region in Mittelitalien alles, was zum kleinen Einmaleins der Italiensehnsucht gehört: alte Kulturstädte, abwechslungsreiche Landschaften und gute Pasta. Nur ist dort noch nicht alles so herausgeputzt.

Italien - Marken - Einladend: Eingang zur Altstadt in Barchi

Einladend: Eingang zur Altstadt in Barchi

Die Marken sind Bauernland. Auch wenn die Bedeutung von Getreide- und Obstanbau zurückgegangen ist, die Landschaft kann es nicht verleugnen, dass sie von der Landwirtschaft geprägt worden ist – sieht man vom adriatischen Küstenstreifen und seinem Einzugsgebiet ab. Als die Landflucht, die bis weit in die 70er-Jahre reichte, immer größer geworden war, traf man in vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen Arbeitszeitregelungen, die es den Angestellten ermöglichten ihre Höfe im Nebenerwerb weiter führen zu können. Diese außergewöhnliche Politik hat auch den kleinen Orten im Hügelland, das gleich hinter der Küste beginnt und langsam nach Westen zum Apennin ansteigt, das Überleben gesichert.

Italien - Marken - Patchwork: Blick von Barchi über die bäuerlich geprägte Hügellandschaft

Patchwork: Blick von Barchi über die bäuerlich geprägte Hügellandschaft

Die Region Marken, die ihren Namen der Lage als Provinz des Heiligen Römischen Reiches an der Grenze zum Papststaat entlehnt, ist aber auch ein Land mit bedeutenden kulturgeschichtlichen Zeugnissen, auch wenn sie ihre Reize meist eher zurückhaltend präsentiert. Den Stolz der ganzen Region, die 1998 von der Unesco als Weltkulturerbe eingestufte Renaissance-Stadt Urbino, findet man gleich im Norden, der im Schatten dieser Wirklichkeit gewordenen Architekturfantasie zu weiteren Entdeckungen einlädt.

Weltkulturerbe Urbino

Italien - Marken - Urbino

Städtebau aus Fürstenhand: die komplett erhaltene Renaissance-Stadt Urbino, die die Unesco als Weltkulturerbe eingestuft hat

Urbino ist heute ein reges Städtchen mit mehr Studenten als Einwohnern. Die Gassen der fast komplett erhaltenen, auf zwei Hügeln erbauten Altstadt schlucken den Passanten wie ein Zeittunnel: Willkommen im 15. Jahrhundert, als der erfolgreiche Feldherr und glühende Humanist Federico da Montefeltro Künstler und Philosophen an seinem Hof versammelte und sich seine Stadt nach den Idealen der Renaissance anlegen ließ. Von der von Bars gesäumten Piazza della Repubblica steigt man zum Palazzo des Herzogs (heute Nationalmuseum der Marken) hinauf. Eine seiner Fassaden strahlt mit ihren von Türmen eingefassten Loggien als Zeichen des Ruhmes des Bauherren weithin sichtbar ins Land.

Italien - Urbino - Fassade mit Fernwirkung: weithin sichtbare Front des Palazzo Ducale, architektonisches Meisterwerk der Renaissance

Fassade mit Fernwirkung: weithin sichtbare Front des Palazzo Ducale, architektonisches Meisterwerk der Renaissance

Ein ganz anderes Genie erblickte 1483 das Licht der Welt in einer von hohen Wohnhäusern gesäumten Gasse, die auf den zweiten Hügel führt: Raffael. Im Geburtshaus des Renaissancemalers werden Werke des Meisters und Wohnkultur der vergangenen Jahrhunderte gezeigt. Aber nicht nur Raffael verließ schon bald die Stadt. Auch die Nachfolger der Montefeltros verlagerten ihren Hof. Die Bedeutung Urbinos schwand. Das Provinzstädtchen wuchs kaum noch, der Baubestand blieb indes weitgehend unverändert. So ist die Harmonie von Stadt und Landschaft noch heute spürbar und die Sichtachsen lenken den Blick immer noch unverstellt in die Natur.

Durch das Montefeltro

Nach diesem Paukenschlag verläuft die Tour durch den Norden der Marken ruhiger. Nur wenige Touristen wollen das einsame Gebiet nördlich von Urbino, Montefeltro genannt, kennen lernen. Seine saftigen Wiesen, die schroffen Höhenzüge und die Festungsstadt San Leo, die auf einem Felsplateau kauert, beeindruckten  Umberto Eco so sehr, dass er bemerkte, solche Landschaften befänden sich sonst nur im Louvre.

Auf kurvigen Straßen kann man den Nationalpark am Monte Carpegna erkunden und die Rundfahrt nach Urbania fortsetzen. Das schöne Städtchen am Ufer des Metauro ist schon seit Jahrhunderten für seine bemalten Keramiken bekannt. Südlich von Urbania stößt man dann auf die Via Flaminia, die alte Konsularstraße, die Rom mit der Adria verband. In Fano, dessen Anlage auf die Römer zurückgeht, markiert der unter Augustus erbaute Triumphbogen, durch den man in die geschäftige Altstadt gelangt, den Endpunkt.

Italien - Noch zu entdecken: Cagli und die Piazza Matteotti

Noch zu entdecken: Cagli und die Piazza Matteotti

Eine Pionierleistung der Römer war der Durchstich der Felsen in der Furlo-Schlucht. Heute noch passiert man diesen Tunnel aus römischer Zeit und kann dem Verlauf dieses antiken Straßenzugs folgen. Wo die Berge des Apennin schon nahe sind, lockt das Städtchen Cagli mit seiner schönen Piazza, dem Museum, das über die Via Flaminia informiert, und einem alten Theater, das mit neobarocken Interieurs überrascht. Auf der anderen Seite der Schlucht lohnt Fossombrone einen Halt, dessen Altstadt sich zur am Hang liegenden Burg der Montefeltros hochzieht.

Italien - Hier zogen schon die Römer vorbei: Blick über die Dächer von Fossombrone an der Via Flaminia

Hier zogen schon die Römer vorbei: Blick über die Dächer von Fossombrone an der Via Flaminia

Burgen, Festungen sowie die Ortsanlage auf einem der unzähligen Hügel, die Sicherheit versprach, prägen das Gesicht dieses einst umkämpften und später fast vergessenen Landstrichs. Pittoreske Orte wie Mondavio mit seinem monumentalen Festungsturm, Corinaldo mit der besterhaltenen Stadtmauer der Marken oder Pergola mit seinen bedeutenden Ausgrabungen verblüffen den Kulturreisenden durch die Ruhe, die durch ihre Mauern strömt. Hier dominiert noch das ländliche Leben – ohne touristische Anbiederung.

Italien - Typisch Marken: stille Nachmittagsstimmung in den alten Gassen von Corinaldo

Typisch Marken: stille Nachmittagsstimmung
in den alten Gassen von Corinaldo

Ungeschminkt und authentisch, das trifft auch auf die bodenständige Küche zu, auf deren Angebote sich der Reisende am Ende seiner Erkundungstouren freuen darf. Wie wär’s mit Piadina, den flachen, hefefreien Teigfladen gefüllt mit Salami, Käse oder Spinat, oder Vincisgrassi, einer deftigen Lasagne ohne Tomaten, oder Kaninchen mit Fenchel. Dazu trinkt man Wein von den regionalen Winzern. Nicht nur die Rezepte stammen oft noch aus Großmutters Zeiten, sondern sehr zur Freude des Gastes auch die Preise. Es muss eben nicht immer die Toskana sein.

Reiseinformationen zur Region Marken

Informationen:

Italienisches Fremdenverkehrsamt (ENIT):
Kaiserstr. 65
60329 Frankfurt/Main
Tel.: 069/237434, 0080000482542 (kostenfreie Prospektbestellung);
www.enit.it, www.diemarken.com

Unterkunft:

Im Hinterland der Küste gibt es kaum Hotels. Daher ist es ratsam, schon vor Reiseantritt eine Ferienwohnung zu mieten.

 

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