Radelstrecken für jeden Geschmack

Mit dem Fahrrad durch Ligurien

Text und Fotos: Judith Weibrecht

Genua. Sonntagabend. Piazza Matteotti. Die fahlgelben Lampen erleuchten die Sträßchen nur spärlich. Die meisten Geschäfte und Bars haben geschlossen. Ruhe? Weit gefehlt. In Genova geht man auf und ab und scheint die Kneipe zu suchen, die dennoch geöffnet hat. Neben dem Doge Café findet heute ein kulinarischer Markt statt mit allem, was Ligurien zu bieten hat: Olivenöl, Pesto, Weine, Käse. Stimmengewirr. Vor dem Salami-Stand bellt eine braune Promenadenmischung mit ehemals weißen Flecken flehend sein Herrchen an. Im Café werden zu jedem Getränk automatisch Cicheti gereicht, Kleinigkeiten zum Naschen. „Salute, ragazzi!“, ruft's am Nachbartisch. In den Carruggi (Gassen) drumherum kann man sich verlaufen. Von Sehenswürdigkeit zu Sehenswürdigkeit: zum Palazzo Ducale, in die Via Garibaldi, zur San Lorenzo Kathedrale, zum Meeresaquarium von Renzo Piano. Genuas Altstadt ist in der Tat eine der schönsten Europas.

Von Arenzano auf den Monte Beigua

Italien - Ligurien - Cervo

In dem Örtchen Cervo

Aus der Stadt heraus fährt man am besten per Regionalzug mit Fahrradmitnahme vom Bahnhof Principe bis Arenzano. Ab dort gibt es eine schöne Tour am Meer entlang, 15 km einfach auf einer aufgelassenen Bahntrasse. Die erste Hälfte ist gepflastert, die zweite Hälfte ähnelt einem Feldweg. Absolut flach sind sie beide und sehr zu empfehlen. Man durchfährt viele beleuchtete ehemalige Eisenbahntunnels und landet in Cogoleto und Varazze. Welches Küstendorf ist nun das schönste? Ich weiß es wirklich nicht. In jedem wartet ein Pastaladen mit selbst gemachten frischen Nudelherrlichkeiten, Geschäfte mit ligurischer Pesto und eine Focacceria. Focaccia - das ist das berühmte flache Brot Liguriens, und es schmeckt von Ort zu Ort verschieden. Mal mit Oliven und Tomaten, mal dicker oder dünner. Von vielen Geheimrezepten ist zu hören, und es soll Liguri geben, die kilometerweit fahren, um das „richtige“ zu erwischen. Wir stoppen in einer netten kleinen Bar namens „Bar della Scogliera“ direkt an Radweg und ligurischem Meer und mit zivilen Preisen. Per Roller wird gerade Nachschub angeliefert. Der Weg auf dem schmalen Küstenstreifen ist von Palmen, Pinien und Macchia gesäumt. Links steil abfallende Berge, die rechts von uns hart auf das blau glitzernde Meer treffen.

Italien - Ligurien - Focaccia

Focaccia, das typische ligurische Brot, ist das perfekte Radlerpicknick

Die Mountainbiketrails sind daher naturgemäß steil und hart. Z. B. auf den Monte Beigua (1.287 m). „Das ist was für richtige Biker“, meint Pietro der MTB-Führer. In der Tat. Oben wartet Gaigu, ein dicker Nebel. Auf den Bergen sieht man ihn hängen. Man erkennt, wie wellenförmige Wolken nach unten fallen und kurz vor dem Meer aufgrund der Wärme, die aufsteigt, verschwinden. Je höher wir kommen, desto reichhaltiger wird die immergrüne Vegetation. Auf den Monte Beigua, einem regionalen Natur- und Geopark, geht es ab Varazze zunächst 5 km die asphaltierte Straße hinauf, dann 5 km auf einer Art Feldweg. Hinunter geht es steil abwärts, technisch anspruchsvolle Strecken auf Pfaden, meist Singletrails. Verschiedene führen hinab und jeder kann sich seine Lieblingsstrecke aussuchen. Die Pfade teilen sich Wanderer und Biker, auch die Beschilderung. Das Ganze ist nur 2 km Luftlinie vom großen Wasser entfernt.

An der Blumenriviera

Italien - Ligurien - Olivenbäume

Olivenbäume kurz vor der Ernte mit darunter ausgespannten Netzen

Auch in und um Imperia an der Blumenriviera gibt es für Radfahrer jede Menge Abwechslung. Imperia selbst ist ein nettes Fischerstädtchen mit noblen Yachten, dümpelnden Fischerbooten und Fischmarkt. Das Wasser wird gesäumt von typisch ligurischen Häusern, pastellfarben und so eng zusammen gebaut, dass sie von Bögen auseinander gehalten werden, die bei Erdbeben vor dem Zusammenbruch schützen sollen. Von Imperia aus fahren wir mit Blick auf den Golfo Dianese über Diano Marina auf den Colle di Cervo, der wegen der vielen Antennen, die auf ihm stehen, auch Colle di Antenne genannt wird, und den Colle Dico. Hier geht es nicht so steil zu. Im Dorf Chiappa können 100-jährige Olivenbäume bestaunt werden. Das beste Öl kommt von hier, aus Ligurien, und das allerbeste stammt aus der ersten Pressung Ende Oktober/Anfang November. “Aber das bekommt man nur, wenn man amici hat!“, sagt Viviana, die MTB-Führerin von Alpi del Mare Outdoor. „Es wird nicht verkauft. Die erste Pressung ist tief grün und würzig, schmeckt fast ein wenig wie Pfeffer.“ Oben beim Picknick gibt es fantastische Ausblicke auf Küste und Hinterland, wo Meer und Rivieraberge hart aufeinander prallen, und kühlenden Wind auf der erhitzten Haut. Die Alltagsgeräusche aus dem Tal dringen nur gedämpft herauf. Focaccia ist auch hier erste Wahl für Radlers Picknick. Zurück radeln wir via Cervo, was Hirsch bedeutet, mit seiner grandiosen Burg aus dem 12. Jh., in der ein ethnografisches Museum untergebracht ist, und seiner barocken Kirche San Giovanni Battista oder dei Corallini. Letzterer Name rührt daher, dass sie mit dem Geld der Korallenfischer erbaut wurde, die somit für sichere und lohnende Ausfahrten dankten. Auch oben auf der Kirche findet sich ein Hirschgeweih. Die Legende besagt, dass die Kirche „Hörner“ bzw. ein Hirschgeweih trägt, weil die Korallenfischer „gehörnt“ wurden, wenn sie auf See waren.

Italien - Ligurien - Cervo

Blick auf Cervo

Von Finale Ligure nach Verezzi

Finale Ligure an der Palmenriviera und Finalborgo sind eine andere gute Basis für Mountainbiker. Zu Recht stellen sie das Hauptziel in Ligurien dar. Hier gibt es Touren für jeden Geschmack: von einfach verlaufenden Feldwegen über anspruchsvolle Single Trails bis hin zu Strecken für Freerider. Wir fahren zunächst die Küstenstraße entlang ab Finale bis Bórgio, dann auf einem Sträßchen hinauf  auf den Caprazoppa und biegen schließlich links in einen Feldweg ein nach Verezzi. Dieses verträumte Dorf besteht eigentlich aus vier Teilen und sommers lockt hier ein Theaterfestival, so Marcello. Marcello und Ricci sind MTB-Guides von Riviera Outdoor und bieten geführte Touren rund um Finale an. Im Kalkgestein finden sich überall uralte Muschelabdrücke. Wir besuchen einen Agriturismo mit fantastischen Ausblicken auf die Küste, wo ich lerne, wie die Blüten von Kapern aussehen.

In einem anderen Ortsteil befindet sich der Eingang zum Paradies gleich neben der Kirche. Dort gönnen wir uns einen Capuccino und ein Schwätzchen mit dem Chef  der Kneipe „L'Osteria del Pirata“. Warum Pirata? „Na, schau ihn dir doch an, den Giuliano Zambarino“, meinen die Jungs. Va bene, da ist was dran. Außerdem ist Giuliano angeblich der beste Küchenchef ganz Liguriens. Sein Ausflugslokal ist Wochenends brechend voll und für ein Gericht namens „Zemino di ceci“ (eine dicke Suppe, die alles vom Schwein enthält, das man vielleicht sonst nicht essen möchte: Nase, Ohren, Füße) hat er einst die Goldmedaille bekommen. Doch wir wollen weiter zu einer Art Gumpe, durch die man rasen und herrliche Kunststücke auf dem MTB üben kann. Abwärts und zurück gibt es schöne, technisch schwierige Single Trails. Dass hier auch Jäger zugange sind, ist angeblich kein Problem, da diese nur an bestimmten Tagen in bestimmten Regionen jagen. Und diese Termine sind den Bikern, den Guides und den Hotels bekannt, meint Marcello. Marcello singt schon mal ein Lied als Zugabe zur geführten Tour, besonders dann, wenn Damen anwesend sind. Und so komme ich in den Genuss von „O sooooole miooooo!“ live in Fahrradhosen und -trikot. Un applauso!

Italien - Ligurien - in Verezzi

Ricci und Marcello mit einem Ape Dreirad

Auf die Hochebene Le Manie

Eine andere Tour führt ab Finale Ligure auf die Hochebene Le Manie, auch dies ein Paradies für Liebhaber von Single Trails und schwierigen Strecken voller Steine und Wurzeln oder Sand. Ein Netz von solchen Pfaden aber auch von Feldwegen durchzieht die Gegend. Ab und an lockt ein Brunnen mit erfrischend kühlem Wasser oder ein Erdbeerbaumstrauch mit köstlichen roten Früchten. Doch die wahre Attraktion sind die fantastischen Ausblicke auf das tiefblaue Wasser mit weiß schimmernden Schaumkronen und auf das Fischerdorf Varigotti. Die Extreme könnten nicht größer sein: vor uns der Rivierabogen, hinter uns die Bergkulisse. Hier oben ist man weit weg von allem, nur Weite, Wind und wildes Land. Eine eigene, eine verwunschene Welt. Das Gefiepe der Silber- und Lachmöwen dringt herauf, als wollten sie uns verhöhnen.  Wir blicken auf Noli mit seinen hoch aufragenden Geschlechtertürmen und der Burg Monte Ursino weit unten. Von diesen malerischen Orten gibt es viele, die man auch per Bike besuchen könnte.

Italien - Ligurien - Ausblick auf Küste

Ausblicke vom Single Trail auf der Hochebene Le Mànie auf die ligurische Küste

Toirano, berühmt für seine Grotten, hat eine bezaubernde Altstadt, die verschlafen wirkt, und nicht die Hektik der Küstenorte verbreitet. Durch terrassierte Landschaft mit Olivenbäumen geht es weiter nach Balestrino, das mit seinem Schloss der Marchesi Del Carretto hoch aufgerichtet auf einem Felsen liegt. Olivenbäume, Pinien, Eichen, Buchen und Birken säumen die Wege und immer wieder trifft man auf Esskastanien und Pilze. Auch im malerischen Castelvecchio di Rocca Barbena gibt es ein Schloss der Carettos. Albenga schließlich liegt in der Ebene. Hoch ragen die vielen rötlichen Geschlechtertürme auf, die der Stadt ihr eigentümliches Flair geben. Das historische Zentrum mit seinen  lauschigen und idyllischen Plätzen gilt als eines der schönsten Italiens. Ein Ape, ein Dreirad, biegt um die Ecke. „Ciao, Gino!“, wird ihm hinterher gerufen. Dahinter knattert ein Moped. Das war Gina. Ein quietschgrünes Fahrrad, Marcella. Sie biegt ab in eine der vielen Caruggi, Gassen, in denen die eng aneinander gebauten Häuser von Bögen auseinander gehalten werden. „Um bis auf den Grund der Gasse zu dringen, müssen die Sonnenstrahlen schnurgerade die Wände hinunter, Wände, von Mauerbögen auseinandergestemmt, die das samtblaue Himmelsband durchqueren.“ (Italo Calvino, „Wo Spinnen ihre Nester bauen“).

 

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