An der Badewanne der Donaumonarchie

Entdeckungen in der Lagune von Grado

Text und Fotos: Ulrich Traub

Inseln haben es den Menschen seit jeher angetan. Früher boten sie Schutz vor Feinden, heute werden sie als Rückzugsorte zum Ausspannen geschätzt, weil man glaubt, dass die Uhren dort ein bisschen langsamer ticken. Und manchmal stimmt das sogar.

Italien - Grado - Strand

Vorsaison in der Badewanne der Donaumonarchie: Es wartet ein fast menschenleerer Sandstand

Als wahre Inselparadiese erweisen sich die Lagunen. Im Schatten der übermächtigen venezianischen Konkurrenz liegt die Lagune von Grado, ein beliebtes Seebad - doch weit mehr als das. Anders als die meisten Sommerfrischen an der Adria ist Grado ein gewachsener Ort mit einer Jahrtausende alten Geschichte und einer lebendigen Umgebung. Die fünf Kilometer vor dem Festland liegende Insel ist über zwei Dämme bequem mit dem Auto zu erreichen. Doch sollte man es sich nicht entgehen lassen, ihre außergewöhnliche Lage und die damit verbundenen Lebensumstände  bei einer Bootstour über die Lagune zu entdecken.

Im Hafen, der von der dem Meer abgewandten Seite bis an den Rand der Altstadt reicht, warten Fischerboote, die zu einer Fahrt zu den Casoni laden. Man sollte nicht lange überlegen, was wohl Casoni sein könnten, sondern die Gelegenheit beim Schopfe packen. 120 Quadratkilometer ist die Lagune groß, die vor dem Festland der ostitalienischen Region Friaul liegt. Inseln und Sandbänke sind zu Dutzenden über die Wasserfläche verstreut. Auf manchen dieser winzigen Eilande entdeckt man schlichte Hütten, die das harmonische Wechselspiel der Blautöne von Wasser und Himmel zu stören scheinen.

Italien - Grado - Blick über die Lagune

Auf der Suche nach den Fischerhütten: Blick über die Lagune

Casoni, das sind die aus Stroh und Schilf gebauten Unterkünfte der Fischer von Grado. Noch bis vor wenigen Jahrzehnten waren sie dauerhaft bewohnt. Heute dienen die Casoni den Fischerfamilien sozusagen als Zweitwohnsitz, wohin man sich nach dem Fang oder am Wochenende zurückzieht, um die Ruhe der Lagune zu genießen. In einige dieser privaten Refugien darf der Tourist einen Blick werfen. Und mit etwas Glück kommt er auch in den Genuss einer Brodetto, der würzigen Fischsuppe Grados, die mit Polenta gegessen wird.

Italien - Grado - Hafen

Im Fischerhafen trocknen die Netze in der Sonne:
keine Folklore, sondern Ausdruck harter Arbeit

Der Fischreichtum der Lagune, in der sich Aale, Barsche und Seezungen, Hummer und diverse Muscheln tummeln, ernährt nicht nur die Gäste der ausgezeichneten Ristoranti Grados, sondern immer noch eine Vielzahl von Fischern. Die Boote im Hafen mit ihren zum Trocknen in die Sonne gelegten Netzen sind also keinesfalls folkloristisches Detail, sondern Beleg einer nicht nur vom Tourismus bestimmten Infrastruktur.

Aus dem Blau der Lagune sticht neben dem Braun der Hütten auch noch das Weiß der Insel Barbana hervor. Man glaubt erst an eine Sinnestäuschung, doch tatsächlich erhebt sich dort eine Kirche nebst Kloster aus dem Wasser: nicht nur ein Ziel für Touristen, sondern auch für Wallfahrten.

Italien - Grado - Altstadt

Reservierung unnötig: In den Straßenlokalen der Altstadt ist sicher noch ein Platz frei

Im Sommer werden einige Sandbänke in der Lagune von Sonnenhungrigen angesteuert, die ein ruhiges Plätzchen dem Strand von Grado vorziehen. Wer den Sommerrummel vermeiden möchte, sollte in den ersten Frühlingswochen in die Lagune reisen, wenn sich der Ort im Gleichgewicht zwischen der Betriebsamkeit eines Fischerstädtchens und der Unaufgeregtheit eines Strandparadieses vor dem Ansturm der Urlauber bewegt. Wenn in der Altstadt fast nur Einheimische in den krummen Gassen vor den Fenstern der Trattorien stehen, durch die der Wein auf die Straße gereicht wird, mit dem ein erfolgreicher Fang begossen wird.

Italien - Grado - alte Kirche

Schlicht und alt: Grados frühromanischer Dom

Hier in den alten Mauern Grados im Schatten zweier frühromanischer Kirchen gewinnt man einen Eindruck vom Alter dieser Siedlung, die sich auf mehreren kleineren Inseln, die durch Trockenlegung zu einer großen verschmolzen wurden, ausgebreitet hat. Schon in der Antike war Grado ein Seehafen. Das römische Zentrum war die Stadt Aquileia auf dem Festland, die man mit dem Boot in wenigen Minuten erreichen kann. Neben den Ausgrabungsstätten lohnt besonders der faszinierende Mosaikfußboden der Basilika den Besuch: mit seinen Menschen- und Tierdarstellungen einer der größten seiner Art.

Italien - Grado - Mosaikboden in der Basilika von Aquileia

Der faszinierende Mosaikfußboden der
Basilika von Aquileia aus römischer Zeit

In Grado, das genau wie Venedig von den Bewohnern des Festlandes, die vor den Barbaren des Mittelalters auf die Inseln flüchteten, zu einem Gemeinwesen ausgebaut worden war, sind die Zeugen der Geschichte über die Altstadt verteilt, in der sich heute gemütliche Trattorien verstecken. Drumherum ist ein modernes Seebad entstanden, das sich auch als Thermalbad einen guten Ruf unter Kurgästen erworben hat.
Die ersten Hotelbesitzer kamen aus einem heutigen Nachbarland, das sich seinerzeit über ein Stückchen Küste freute. Der Ort mit seinem 20 km langen Sandstrand gehörte im 19. Jahrhundert zur Donaumonarchie und avancierte schnell zum beliebtesten Badeort. Adlige und ihr Gefolge sind längst von bürgerlichen Schichten abgelöst worden. Doch der Charakter eines Fischerstädtchens mit Flair ist in Grado nicht verloren gegangen.

 

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