Gabun im Überblick
Mehr als ein Jahrzehnt ist vergangen, seit im August 2002 Präsident Bongo den Startschuss zum Aufbau von Nationalparks für die Naturwunder Gabuns gab und den Schutz von Umwelt und Klima zu den gabunischen Prioritäten erklärte. 11 % des Staatsgebiets wurden seitdem unter Schutz gestellt und das damals ausgerufene Parkprojekt lebt und kämpft heute mit den für afrikanische Parks typischen Schwierigkeiten wie der Wilddieberei, einer schwachen personellen und materiellen Ausstattung oder Konflikten mit Dunkelmännern, die nicht von den Tropenschätzen ablassen wollen.
Plage de Nyonie Foto © Philippe SURMELY - Fotolia.com
Doch klar ist auch, dass die 13 Nationalparks für Touristen zur Hauptattraktion geworden sind, mag es auch an manchem noch fehlen. Besucher Gabuns freilich wissen in der Regel auch, wie es vor Ort zugeht: Nicht nur ein anstrengendes Klima und beschwerliche Transportwege oder der Charme durchnässter Zelte und verlorener Schlachten gegen Moskitos stehen ihnen bevor, auf sie wartet ein intaktes Naturparadies – geheimnisvoller tropischer Regenwald auf 85 % der Landesfläche, tierreiche Savannen und kilometerlange Sandstrände.
Es ist früher Abend, wenn die Maschine der Air France auf dem Leon M`ba-Flughafen von Libreville landet. Die Hitze hat kaum nachgelassen und die Luftfeuchtigkeit lässt die Ankömmlinge nach Atem ringen, doch die Hotels erweisen sich als wohltemperierte Inseln im ungewohnten tropischen Klima. Wenn es der Zeitplan erlaubt, sollte man sich zwei, drei Tage für eine Akklimatisierung freihalten, vielleicht an den Strand von La Sablière nördlich von Libreville hinausfahren oder eine halbstündige Schifffahrt zur Halbinsel Pointe Denis unternehmen. Die Hauptstadt selbst hat nicht viel zu bieten. Sie ist ein erstaunlich teures Pflaster. Vor einigen Jahren stand sie in der Liste der teuersten Städte weltweit an siebenter Stelle, noch vor Zürich, Hongkong und Kopenhagen. Die Metropole weist die üblichen glamourösen Viertel auf und coole Shoppingmeilen, gibt sich aber ein paar Straßen weiter marode und unwirtlich. Die meisten Rundreisen beginnen hier und in Gabuns Metropole kann man auch am besten Inlandsflüge buchen oder Parkbesuche arrangieren und Infos über Birdwatching und Whalewatching einholen.
Nahe Libreville: Plage ile Denis Foto © denchat - Fotolia.com
Noch ein Besuch im Musée des Arts et Tradition als willkommene Einstimmung auf die Kunst und Kultur der verschiedenen Völker Gabuns und dann geht es hinaus ins Land auf einer der wenigen guten Straßen an Bord eines vertrauenswürdigen Buschtaxis, das man im frankophonen Afrika taxi-brousse nennt. Die Teerpiste führt nach Lambaréné, an die Wirkungsstätte des Theologen, Arztes, Philosophen und Friedensnobelpreisträgers von 1952, Dr. Albert Schweitzer. Seit 1913 arbeitete er an den Ufern des Ogooué-Flusses als Missionsarzt, ließ ein Hospital erbauen und kümmerte sich besonders um die Behandlung von Leprakranken. Das sehenswerte Hospital-Museum zeigt Fotos und Artefakte aus der Geschichte der berühmten Urwaldkrankenstation.
Flachlandgorilla Foto © laurent davaine - Fotolia.com
Wieder zurück in Libreville, beginnen die Vorbereitungen für die erste Exkursion in einem der Schutzgebiete. Der Loango Nationalpark im Südwesten am Atlantik gelegen – er ist der älteste des Landes – wird mit einem kleinen Flieger angesteuert und Quartier in einer der recht komfortablen Lodges bezogen. Einheimische Ranger stehen schon bereit, um die Besucher im Geländewagen durch die Savanne zu kutschieren oder mit ihnen im Kanu Lagunen und Flüsse zu befahren und als Höhepunkt zu Fuß den Regenwald zu erkunden. Eine „Insel der Gorillas“ wird besucht, wo verletzte oder verwaiste Gorillas auf ihre Auswilderung vorbereitet werden. Besonders die Strandspaziergänge sind echte Highlights, kann man doch Waldelefanten begegnen, die gemeinsam mit Waldbüffeln und Flusspferden in die Fluten des Atlantiks eintauchen, um sich prustend Kühlung zu verschaffen. Buckelwale sind draußen bei ihren atemberaubenden Sprüngen zu sehen und riesige Lederschildkröten schleppen sich den Strand hinauf, um ihre Eier im Sand zu vergraben. Und immer wieder geraten neugierige Schimpansen, scheue Antilopen und schnellfüßige, grotesk gezeichnete Pinselohrschweine ins Blickfeld. Ein Kanuflitzer mit Außenbordmotor bringt die Besucher entlang der Küste in stundenlanger Fahrt nach Port-Gentil. Dort übernimmt sie ein Flugzeug und bringt sie zurück nach Libreville.
Mandrill Foto © Megan Lorenz - Fotolia.com
Am nächsten Morgen beginnt eine aufregende Bahnfahrt an Bord des Transgabonais, der Libreville mit Franceville im äußersten Südosten verbindet. Weite Strecken des Landes mit der Bahn zu bereisen, hat seinen Reiz. Es geht entspannt zu und die gemächliche Geschwindigkeit lässt die Landschaft ruhig vorbeiziehen, fast streifen die Waggons die Urwaldriesen des Regenwalds, Feuchtsavannen werden überquert und über viele Kilometer windet sich die Bahn an den Ufern des mächtigen Ogooué-Flusses entlang. Nach 290 km oder fünf Stunden Fahrt ist das Ziel, der Lopé-Okanda Nationalpark, erreicht. Das ca. 5000 km² umfassende Gelände zählt seit 2007 zum Weltnatur- und Weltkulturerbe der Menschheit.
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Was den Park zu einem Naturphänomen macht, ist das dichte Nebeneinander von tropischem Regenwald und trockener Savanne, also gebietsweise offener Landschaft, die seit Urzeiten bis heute durch menschliches Einwirken (Buschfeuer) entstand. Der Park am Mittellauf des Ogooué ist zudem eine bedeutende archäologische Stätte mit sehenswerten Relikten einer sehr langen Besiedlungszeit, die über 400.000 Jahre vom Palaeolithikum über Neolithikum und Eisenzeit bis zu den Völkern der Bantu und Pygmäen unserer Zeit reicht. Das Nebeneinander ganz unterschiedlicher Savannen- und Tropenwaldökosysteme begünstigt eine ungewöhnliche Artenvielfalt. Mehr als 1.550 Pflanzenarten wurden bisher gezählt. Im Jahre 2006 schätzte man die Zahl der Waldelefanten auf beachtliche 5.500 und gar an die 100.000 reicht die Zahl der farbenprächtigen Mandrills, die schon in Horden von über 1.000 Tieren gesichtet wurden. Der relativ kleine Rot- oder Waldbüffel ist im Park ebenso vertreten wie Flachlandgorillas (2.000), Leoparden (1.000), die dem Luchs ähnelnden Karakals und neben den Gorillas und rund 2.200 Schimpansen leben hier noch 12 weitere Primatenarten und viele Wald- und Savannenbewohner aus der großen Antilopenfamilie sowie 405 Vogelarten.
Der Nationalpark ist gut für Besucher erschlossen. Es gibt ein schönes Bungalow-Hotel, sogar mit Pool, Restaurants und hervorragend ausgebildete Guides für Touren aller Schwierigkeitsgrade.
Rückblick
Ursprünglich bewohnten Pygmäenstämme das Gebiet des heutigen Gabun. Seit dem 11. Jahrhundert wanderten Bantuvölker ein, die nach und nach die Pygmäen in die Randzonen des Regenwalds abdrängten. Als erste Europäer landeten portugiesische Seefahrer 1472 in der Mündung des Mbe-Flusses. Ihrer Entdeckung gaben sie den Namen Gabão (Kapuzenmantel) nach der eigenartigen Form der Mündung. Die Portugiesen drangen nicht ins Binnenland vor. Sie gründeten lediglich eine Handelsniederlassung an der Küste und verschrieben sich ganz dem Sklavenhandel. Die „Ware“ wurden ihnen von einheimischen Händlern geliefert. Auch Engländer, Franzosen und Niederländer stiegen alsbald in den Handel mit Sklaven ein. Nach 1800 übernahm das aus dem Norden eingewanderte Bantuvolk der Fang eine führende Rolle bei der Beschaffung von Arbeitssklaven für die amerikanischen Märkte.
Mit der Wende in der Sklavenfrage brachte sich Frankreich ins Spiel und gründete in den 1840er Jahren mit befreiten Sklaven die Siedlung Libreville, ähnlich wie schon Freetown in Sierra Leone von befreiten Sklaven besiedelt worden war. Gegen 1880 war der Sklavenhandel endgültig vorbei, sechs Jahre später wurde das heutige Gabun französische Kolonie. Seit 1910 Teil der Föderation Französisch-Äquatorialafrika, erhielt das Land 1958 eine innere Autonomie und 1960 die Unabhängigkeit von Frankreich, das freilich immer wieder und auch auf „robuste“ Weise seine Interessen geltend machte.
Drei Haltestellen hinter Lopé stoppt der Transgabonais in Ivindo. Nahebei liegt der Zugang zum Nationalpark Ivindo, für Kenner das Glanzstück aller gabunischen Ökodestinationen. Nahezu unbewohnt und nur selten besucht, erstreckt sich der Park über 3.000 km². Er ist mit fast undurchdringlichen Regenwäldern bedeckt und wird von tobenden Flüssen durchzogen, die sich über gewaltige Katarakte ergießen, wie es sie kein zweites Mal in Zentralafrika gibt. Gerade mal ein Jahrzehnt ist es her, dass Langoué Bai entdeckt wurde, eine große, sumpfige und extrem mineralienreiche Lichtung im Regenwald, die zahllose Waldelefanten, Flachlandgorillas, Sitatungas, Büffel und selbst Vögel geradezu magisch anzieht. In der Nähe wurde ein sehr einfaches, strikt ökologisch ausgerichtetes Camp erbaut, das nach einem zweieinhalbstündigen Gepäckmarsch erreicht werden kann (nachdem in Libreville rechtzeitig gebucht wurde!). Ein Amerikaner beschrieb die Szene so: Prepare to sweat and then prepare to be amazed!
Der intakte Regenwald des Ivindo ist die Heimat von mindestens 350 Vogelarten, Panzerkrokodile sonnen sich an den Flussufern, Sumpfottern stöbern nach Krabben und Schimpansen turnen durch die Kronen der Urwaldriesen.
Nach fünf weiteren verdösten Stunden im Nachtzug ist mit dem Städtchen Franceville die Endstation der Transgabonais erreicht. Der hübsche Ort breitet sich über hügeliges Grasland aus. Es lässt sich hier gut ein wenig pausieren und die Tour auf die Batéké Plateaus vorbereiten. Der Nationalpark liegt im Südosten Gabuns an der Grenze zur Republik Kongo. In Höhen von 350 bis 900 m breiten sich auf den Plateaus große, offene und leicht gewellte Gras- und Buschsavannen aus, durchsetzt mit Galeriewäldern und durchzogen von eindrucksvollen Canyons. Die Landschaft ist fast menschenleer, die wenigen Touristen erfreuen sich an der Weiträumigkeit und Ruhe, besuchen vielleicht die Aufzuchtstation für Gorillawaisen und stoßen bei ihren Wanderungen auf eine überaus artenreiche Vogelwelt, die Ornithologen aus aller Welt anlockt. Der kleine Kronenducker, eine gefährdete Antilopenart, hat hier sein sicheres Rückzugsgebiet gefunden, Waldelefanten, Waldbüffel und die auffällig gezeichneten Pinselohrschweine kreuzen häufig den Weg, selbst einige typische Savannenbewohner wie Löwen und Hyänen sollen hier noch in wenigen Exemplaren vertreten sein.
Buckelwal-Ballett Foto © Brett Atkins - Fotolia.com
Zum Ende der Rundreise durch Gabuns Naturreservate erwartet Besucher noch ein besonderes Highlight, der Meeresnationalpark Mayumba, der geschaffen wurde, um die Ökosysteme des Meeres und der Küste im Südwesten des Landes zu schützen. Der Park reicht 15 km auf das Meer hinaus, schließt die Küste in einem 1 km breiten Streifen ein, der sich 60 km bis an die Grenze zur Republik Kongo hinzieht. Zum Mayumba sind es von Libreville rund 700 km. Wollte man über Land fahren, wäre selbst auf der Route Nationale No. 1 ohne Geländewagen wenig auszurichten und bei schlechten Wetterbedingungen würden aus den veranschlagten zwölf schnell zwanzig oder mehr Stunden. Der leidlich komfortable Flug dauert eineinhalb Stunden und endet auf dem „Airport“ der 3.000-Seelen-Gemeinde Mayumba, ungefähr zwei Dutzend Kilometer vom Park entfernt.
Keine Frage, Mayumbas schneeweiße, breite Strände sind die schönsten Gabuns. Man trifft kaum auf Menschen, dafür sieht man Gespensterkrabben und kleine Warane über den Sand huschen, Ginsterkatzen lauern auf Beute und Sumpfmangusten wühlen im Sand nach Schildkrötengelegen, um sich über die Eier herzumachen. Myriaden von Seevögeln tummeln sich kreischend über der Brandung, den Brackwasser- und Frischwasserlagunen, über Sümpfen und Mangrovengebüsch und dann ist wieder der große Moment gekommen. Wie eine Traumerscheinung treten sie aus dem Küstenwaldstreifen und der dichten Dünenvegetation ebenso gelassen wie zielstrebig hervor, stapfen Rüssel schwenkend in die kühlenden Fluten: die Waldelefanten und nach ihnen noch ein Trupp Waldbüffel und auch noch ein Flusspferd, das sich seiner Parasiten im Wasser entledigen will.
Ein besonderes Erlebnis ist die Begegnung mit den gewaltigen Lederschildkröten. Nirgendwo sonst auf der Welt kommen so viele Exemplare dieser gefährdeten Tierart zur Eiablage an die Strände – 47.000 sollen es jährlich sein. Und auch die gigantischen Buckelwale – etwa 10 % des weltweiten Bestandes – haben sich die Küstengewässer Gabuns als Hochzeitsplatz und zur Aufzucht ihrer Kälber ausgesucht.
Eckart Fiene