Wuppertal
Von der Heydt-Museum
Maurice de Vlaminck Rebell der Moderne – 18. Mai 2025
Zeiten und Räume. Klassiker der Sammlung bis 2027
Maurice de Vlaminck, Der Schleppzug, 1908/10 Öl auf Leinwand, 68 x 96 cm Hamburger Kunsthalle © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Es vergingen in diesem Land Jahrzehnte, ehe über Raubkunst gesprochen und diese von Fall zu Fall rückübertragen wurde; es vergingen ebenso Jahrzehnte, ehe offen über die Kollaboration von Künstlern mit den Machthabern des III. Reiches kommuniziert wurde. Oftmals wurde geschwiegen, auch über das Gedankengut von Künstlern, die im III. Reich als entartet galten, aber dennoch glühende Anhänger des Systems waren und sich diesem wie Emil Nolde, wenn auch vergeblich, angedient haben. Die sogenannte Gottbegnadeten-Liste spricht Bände über den Opportunismus von Künstlern. Die Liste war eine im August 1944 in der Endphase des Zweiten Weltkrieges im Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unter Joseph Goebbels zusammengestellte Liste deutscher Künstler, die dem nationalsozialistischen Regime wichtig erschienen und daher von diesem unter besonderen Schutz gestellt wurden. Nolde gehörte nicht dazu, aber unter anderem der Bildhauer und Reichskultursenator Arno Breker, der auch im Leben von de Vlaminck von Bedeutung war.
Meine Leidenschaft drängte mich zu allen gewagten Kühnheiten gegen das Herkömmliche in der Malerei. Ich wollte eine Revolution in den Sitten, im täglichen Leben hervorrufen, die ungebundene Natur zeigen, sie befreien von den alten Theorien und dem Klassizismus, deren Macht ich gleichermaßen verabscheute wie jene der Generale und Obersten. [...] Maurice de Vlaminck: Gefährliche Wende. Aufzeichnungen eines Malers, 1929. Stuttgart 1959, S. 75.
Maurice de Vlaminck, Landschaft bei Martigues, 1913 Öl auf Leinwand 65 x 82 cm Tate London © VG Bild-Kunst,
Insoweit ist es sehr zu begrüßen, dass neben einem tabellarischen biografischen Abriss darauf eingegangen wird, dass de Vlaminck sich vom Nationalsozialismus als Ideologie und von der Kulturpolitik des Regimes hat einfangen und instrumentalisieren lassen. Er nahm mit anderen Künstlern aus Frankreich an einer propagandistisch ausgeschlachteten Deutschlandreise teil. Dabei schien er völlig zu ignorieren, dass zuvor einige seiner Arbeiten aus deutschen Museumsbeständen verschwanden, wenn auch nicht um in der Propagandaschau „Entartete Kunst“ gezeigt zu werden.
Maurice de Vlaminck, Die Seine bei Bougival, 1906 Öl auf Leinwand, 54 x 73 cm Hasso Plattner Collection © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Ein Freund von Arno Breker, Hitlers Lieblingskünstler
Wir erfahren im sogenannten ersten Kabinett der sehr sehenswerten Schau Nachstehendes: „Ein weiterer Faktor, der Maurices Verstrickung mit der nationalsozialistischen Kulturpolitik untermauert, ist seine Bekanntschaft mit Arno Breker (1900–1991), einem der Lieblingskünstler Hitlers und Drahtzieher der Deutschlandreise. Maurice und Breker lernen sich wahrscheinlich über den Galeristen Alfred Flechtheim kennen. Breker erwirbt mehrere Werke von Maurice und fertigt 1943 sogar eine Porträtbüste von ihm. Im Jahr 1942, als Breker in besetztem Paris eine große Ausstellung ausrichtet, gehört Maurice zum Ehrenkomitee der Veranstaltung. Gleichzeitig veröffentlicht er einen polemischen Text, in dem er sich Brekers scharfer Kritik an Picasso anschließt. Maurice erklärt, dass Picasso „die französische Malerei in die tödlichste Sackgasse geführt“ habe.“ Maurice de Vlaminck ein Opportunist, der sein Fähnchen in den Wind gehägt hat? Das muss man wohl annehmen.
Maurice de Vlaminck, Die Boote, 1905 Öl auf Leinwand 46,5 x 55,3 cm Privatbesitz
© VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Auf der anderen Seite stehen allerdings seine Gemälde, die in Farbrausch getaucht sind, expressiven und expressionistischen Farbauftrag verraten, teilweise dick aufgetragen und mit kurzen Pinselstrichen nebeneinander, im Geiste von Van Gogh, doch in der technischen Ausführung gänzlich anders. Man möchte eher von Farbflecken an Farbflecken sprechen, betrachtet man seine Arbeiten, die in kühn gesetzten Farben daher kommen. Von gefühlten Farben sprachen die Maler der Vereinigung „Die Brücke“ bei ihren Arbeiten. Ähnliches kann auch von de Vlamincks Werk gesagt werden.
Maurice de Vlaminck, Stillleben/Nature morte, vor 1911 Öl auf Leinwand, 60 x 73 cm Von der Heydt-Museum Wuppertal © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Mal Cézanne, mal Kubismus
Stets verstand es der vor den Toren von Paris lebende und arbeitende Künstler, sich den jeweiligen zeitgeistigen Strömungen anzuschließen. Als Cézanne en vogue war, entstanden Landschaften im Stil Cézannes. Als der Kubismus Einzug in die moderne Malerei hielt, Picasso und Braque für Furore sorgten, versuchte sich auch de Vlaminck wie in „Opium“ an kubistischer Formensprache. Der Autodidakt de Vlaminck, der seinen Lebensunterhalt zeitweilig als Radrennfahren und als Geigenspieler bestritt, hatte ein feines Gespür für Zeitströmungen. Und auch der Name Gustave Caillebotte muss an dieser Stelle eingeführt werden. Ähnlich wie dieser hat auch de Vlaminck ein Faible für die Szenerie der Seine gehabt. Statt Ruderboote ins Bild zu rücken, mit einer Ausnahme, hat er vor allem Segler auf der Seine für die Nachwelt festgehalten. Wie Caillebotte hat auch de Vlaminck gewagte Bildschnitte realisiert, ließ er doch Boote gleichsam ins Bild gleiten, angeschnitten. Angeschnitten ist auch das festgemachte Dampflastboot in dem Gemälde mit dem Bootshaus. Dabei lenkt der Bugabschluss mit Fahnenmast den Blick in der Vertikalen direkt auf das Bootshaus am anderen Flussufer. Der Titel der Arbeit: „Rueil, das Bootshaus“.
Maurice de Vlaminck, Die Seine bei Chatou, 1906/07 Öl auf Leinwand, 38 x 46 cm Albertina, Wien © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Die thematische Ausstellungsgliederung macht mit „Im Rausch der Farben“ auf, behandelt „Die (Un)ordnung der Dinge“ sowie „Motive entlang der Seine“ und endet mit dem eher düsteren, teilweise apokalyptisch anmutenden Spätwerk, das stilistisch und von den Stimmungen her durchaus Verbindungen zu einem Teil der Arbeiten von Franz Radziwill aufweist. Gekannt haben sich die beiden Künstler, de Vlaminck und Radziwill, wohl nicht, doch eine gewisse Sympathie für den Nationalsozialismus bei gleichzeitiger Verfemung als „entartet“ eint beide.
Maurice de Vlaminck, Opium, 1910 Öl auf Leinwand 81,3 x 53,2 cm Hugh Lane Gallery, Dublin © VG Bild-Kunst, Bonn 202
Farbenrausch zu Beginn
Flächig strukturiert ist André Derains Arbeit „Die Zypressen“. Da findet sich kein expressiver Pinselschlag, kein pastoser Auftrag, sondern eher „Farbfelder“ einer inszenierten Landschaft mit lanzettförmigen Zypressen auf einer Anhöhe. Im Dialog dazu findet sich de Vlamincks Landschaft bei Chatou. Durchaus ist die Farbgebung ähnlich wie bei Derain, aber mit dynamischem Pinselstrich aufgetragen. Die Farben sind nuanciert, changieren, so auch das Grün des Wäldchens, das gleichsam dem Bildausschnitt einen Rahmen verpasst. Frühlingsgrün bis Blaugrau finden sich in diesem Gemälde ebenso wie Hellgelb. Einen sonnigen Tag fing der Künstler mit „Das ländliche Frühstück“ ein. Bei diesem wurde auch dem Rotwein zugesprochen. Jedenfalls finden sich eine Karaffe und gefüllte Gläser auf dem Tisch, an dem zwei Damen und ein Herr Platz genommen haben. Die Natur zeigt sich in Gelb, Rosa und Feuerrot. Die Bäume schimmern bräunlich und blau. Das ist in der Farbsetzung nicht gar so verwegen wie die Landschaften, die Ernst Ludwig Kirchner einst in Davos schuf.
Maurice de Vlaminck, Der Schleppzug, 1908/10 Öl auf Leinwand, 68 x 96 cm Hamburger Kunsthalle © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Die Seine und deren Umgebung, die er auf dem Rad erkundete und die de Vlaminck in der Tradition der Freilichtmaler in diversen Werken festhielt, findet sich unter anderem in „Seine-Ufer bei Bougival“. Im Hintergrund des Gemäldes kann man Lastkähne ausmachen. Das Wasser des Flusses ist bewegt und die leichten Wellen wurden mit dunkel- und hellblauen Farbflecken eingefangen. Eine Trauerweide steht links am Ufer und neigt das Laub übers Wasser. Ist rechts ein Weg in gestricheltem Rot und Gelb zu sehen? Oder ist das eine Feldflur mit Ackerblumen und Korn? Die Seine war nicht nur Wasserstraße, sondern war auch die Spielwiese von Freizeitkapitänen in Segel- und Ruderbooten. Zu sehen ist dies in „Ruderboot bei Chatou“. Im Vordergrund manövriert ein Ruderer sein Boot vom Ufer weg. Derweil schiebt sich ein Dampfboot von links kommend ins Bild, angeschnitten wie auch in Caillebottes Arbeiten zur Seine.
Maurice de Vlaminck, Ruderboot bei Chatou, um 1906 Öl auf Leinwand 68 x 84,2 cm Albertina, Wien © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Beinahe skizzenhaft-flüchtig und stilistisch flächig komponiert, erscheint „Straße in Marly-le Roi“. Dabei überwiegen Erdtöne. Von Farbrausch kann also keine Rede sein. Gefühlte Farben machen den Reiz des Gemäldes „Die roten Bäume“ aus. Cremiges Gelb trifft auf Blau-Schwarz! Das ist dann wohl eher ein dezenter Farbrausch fern ab der explosiven Farbkompositionen, die man bei de Vlaminck ebenso finden kann wie bei den Brückemalern.
Stillleben jenseits barocker Üppigkeit
Ja, das eine oder andere Stillleben besitzt einen barock anmutenden Schnörkelrahmen, zeigt aber kein aufgetischtes Festmahl oder einen üppigen Blumenstrauß mit allerlei Schmetterlingen. Das findet sich bei den barocken niederländischen Meistern, nicht aber bei dem „Rebellen der Moderne“. Eine blaue Vase sehen wir in einem Stillleben nebst einer Schale mit Orangen und Erdbeeren. Dialogisch dazu zeigt man eine Arbeit von Pierre Bonnard. Bei diesem Künstler wird das Thema erweitert, zeigt es doch eine Person, die den Tisch deckt und eine andere, die darauf wartet, das aufgetischt ist. Zu sehen sind eine Karaffe mit Wasser, angerichtete Austern, ein Teller mit Käse und ein Brötchenkorb. Übrigens, die Kleidung der Rotblonden, die den Tisch deckt, erinnert an Tapeten- und Stoffdekors, die Henri Matisse in seinen Werken verarbeitete. Wild, Fauves, halt!
Maurice de Vlaminck, Häuser in Chatou, um 1905 Öl auf Leinwand, 81,3 x 101,6 cm The Art Institute of Chicago © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Ganz und gar aus der Art eines klassischen Stilllebens geriet André Derains Arbeit, die den Titel „Stillleben mit Hut und Gefäßen“ trägt. In de Vlamincks „Stillleben mit Blumen und Früchten“ scheint in Ansätzen Cézanne mit entsprechenden Sujets durch. Man betrachte die Lichtflecken auf dem Obst und auch den wässrigen, „kubisch strukturierten“ Hintergrund in Grün-Blau-Nuancen.
Maurice de Vlaminck, Drei Häuser, 1910 Öl auf Leinwand 80,5 x 100,5 cm Von der Heydt-Museum Wuppertal ©VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Unter dem Thementitel „Im Zeichen von Cézanne und Picasso“ können wir nicht nur die Harlekin- Familie von Pablo Picasso entdecken, sondern auch de Vlamincks Gemälde „Opium“. Dargestellt ist eine Frau mit Gesichtsform und -zügen, die von Picasso stammen könnten. Auch eine Opiumpfeife ist in dem in Blaunuancen getauchten Gemälde zu sehen. Gestaffelte Häuser am Hang malte Cézanne in „Die Eremitage in Pontoise“. De Vlaminck ist hingegen mit „Dorfstraße“ in der sorgsam zusammengestellten Ausstellung zu sehen.
Immer wieder die Seine
Einen Schubverband auf der Seine hielt der Künstler ebenso im Bild fest wie in „Die Boote“ zwei Segelboote, die den günstigen Wind mit voll aufgespanntem Segel nutzen. Doch für was stehen die roten Schlieren am Himmel und teilweise über der Wasserfläche? Leicht aus der Horizontalen ist „Die Brücke“ geraten, die große Bogenspannungen aufweist. Deutlich sichtbar ist außerdem ein Schlot, der aber keinen Rauch aufsteigen lässt. Massiv sind die Fundierungen bei der Brücke von Chatou, wie sie de Vlaminck sah. Sieht man da auf einem Ponton in Grün getünchte Unterkünfte für Bootsleute oder sind es Waschhäuser? Aufgequollen sind die Wolken am Himmel. Und was verraten sie uns?
Das Spätwerk
Ist dieses als Reflexion des Kriegsgrauens zu begreifen? Bei dem Anblick der Arbeit „Der Brand“ könnte man es meinen. Die gezeigten Landschaften unter düster-dunklem Himmel mag man als Symbol für das erlebte Unheil ansehen. Sieht man nicht auch ein Gemälde, das einen Deichbruch festgehalten hat? Bedrückend sind die Arbeiten alle, nicht nur „Gewitterlandschaft“. Und auch der von Sturm gezeichnete Himmel in „Landschaft“ (1930) verspricht nichts Gutes.
Maurice de Vlaminck, Die letzten Heuschober, 1952 Öl auf Leiwand 60 x 73 cm Musée d'art moderne Paris © VG Bild-Kunst, Bonn 2025
Schillernd ist die Person de Vlaminck gewiss, ob man ihn allerdings als Rebellen der Moderne bezeichnen kann, ist eine Frage der Betrachtung. Wild war er, so sah es die Kritik anlässlich der Werke von de Vlaminck, Matisse und anderen. Die Kritik prägte übrigens den Begriff „Fauves“ gleich „wilde Bestien“, wie wir in einem der Saaltexte nachlesen können.
© ferdinand dupuis-panther 2025
Dem Fahrrad verdanke ich mein erstes Staunen über die weite Welt, meine ersten Begeisterungen, meine ersten Empfindungen von Raum und Freiheit. Auf ihm sah ich zum ersten Mal das ganze Seine-Tal, von Chatou bis nach Le Havre. Mantes, Bonnières, Rouen, Duclair, Tancarville. Maurice de Vlaminck: Gefährliche Wende. Aufzeichnungen eines Malers, 1929. Stuttgart 1959, S. 39.
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Ein Blick in den Katalog
Im Vorwort des Katalogs wird der Bezug des Von der Heydt-Museums zu de Vlaminck angesprochen. Einst gab es im Bestand gleich drei Arbeiten, von denen aber zwei nicht mehr existieren bzw. als verschollen angesehen werden. „Flussufer“ und „Flusslandschaft“ gehören zu den Verlusten. Aktuell sind im Bestand des Museums „Stillleben“, „Drei Häuser“ sowie „Segelboote“.
Sehr lesenswert sind die Essays, die de Vlaminck mit all seinen Facetten und seinen schillernden politischen Ansichten und Wandlungen ins Spotlight setzen. So befasst sich „Vlaminck und Fauvismus“ intensiv mit der Beziehungen zwischen Derain und de Vlaminck, die sich zeitweilig in einem Pariser Vorort ein Atelier teilten. Beide Künstler haben Porträts von dem jeweils anderen angefertigt, durchaus mit gewagter Farbgebung, denkt man an das Rosa als Gesichtsfarbei bei Derains Porträt seines Künstlerfreundes. Zudem wird darauf verwiesen, dass Derain de Vlaminck einen zinnoberroten statt einen schwarzen Schnauzer verpasste, als er ihn porträtierte. Ein Kritiker schrieb über de Vlaminck: „Er war ein Fauve, vom Schicksal dazu bestimmt, ein Fauve für alle Ewigkeit ...“; und das ist in der Ausstellung ebenso wie in den abgebildeten Werken überaus präsent. Der o. g. Beitrag von Heinz Widauer beleuchtet zudem die künstlerische Entwicklung de Vlamincks und seine Präsenz in den Pariser Ausstellungssalons. Dabei wird u. a. auf den Salon von 1905 Bezug genommen, der sich umfänglich Cézanne widmete. De Vlaminck, der zeitweilig von Cézannes Schaffen inspiriert war, wird im Übrigen als jemand beschrieben, der in seiner Malerei ausschließlich seinem Instinkt folgte. Im Gegensatz zu den Künstlern, die das Licht des Südens festhielten, nahm sich de Vlaminck mit kühleren Farben auch dem Licht des Nordens an, so lesen wir.
Unter der Überschrift „Anarchie der Farbe – Vlamincks fauvistische Malerei“ behandelt Daniel Zamani die „barbarische Malerei ohne technisches Können“, das die Kritiker in den Arbeiten von Matisse, Derain, de Vlaminck und anderen sahen. Dezidiert antiakademisch war die Malerei, der sich de Vlaminck hingab, wenn er auch für seinen Lebensunterhalt als Geigenspieler und als Profiradrennfahrer gearbeitet hat. Schließlich musste er einige Mäuler stopfen, war er ja zweimal verheiratet und hatte aus diesen Ehen mehrere Kinder.
De Vlaminck selbst sprach über seine Malerei teilweise mit Pathos: „Meine Leidenschaft drängte mich zu allen gewagten Kühnheiten gegen das Herkömmliche in der Malerei.“ Eingestreut in den Beitrag sind einige Abbildungen aus dem Milieu des Kabarett Le Rat mort. Diese Gemälde waren in Wuppertal nicht ausgestellt, auch nicht „Liegender Akt“. Dieser wird in der Abhandlung Manets „Olympia“ gegenübergestellt. Auf Sujets, die im Seinetal entstanden, geht der Autor ebenso ein wie er auch darauf hinweist, dass u.a. Renoir, Monet und Caillebotte gleichfalls die Seine in den Fokus ihrer Malerei gerückt haben.
Auch auf die Inspiration durch van Gogh nimmt der Autor Bezug. Zugleich nimmt er auch immer wieder O-Töne von de Vlaminck auf, sodass die Abhandlung sehr lebendig und wenig akademisch daherkommt. O-Ton de Vlaminck: „Mit meinen Kobalt- und Zinnoberfarben wollte ich die Ecole des Beaux-Arts niederbrennen und meine Gefühle mithilfe meiner Pinsel ausdrücken, ohne mich darum zu kümmern, wie die Malerei vor mir war …“. Wahrlich, das klingt nach einem Rebell der Moderne!
In weiteren lesenswerten Essays wird das Thema der van-Gogh-Rezeption durch de Vlaminck aufgegriffen – Autorin Lisa Smit – und auch das Verhältnis de Vlamincks zu Picasso und Cézanne beleuchtet – Autorin Anna Storm. Auch diese beiden Artikel bestechen durch die Einbindungen von Werksvergleichen, nicht nur textlich, sondern auch anhand von Abbildungen.
Sehr umfassend sind die farbigen Abbildungen der gezeigten Werke. Dabei ist auffallend, dass in der Wuppertaler Ausstellung im Von der Heydt-Museum Gemälde wie „Frau mit Hut“ oder „Auf dem Tresen“ nicht zu sehen waren. Teilweise handelt es sich bei den abgebildeten Porträts um Milieustudien unter Pariser Nutten. Parallelen zu den Arbeiten von Toulouse-Lautrec sind nicht von der Hand zu weisen.
Der Kataloganhang enthält ein Verzeichnis der ausgestellten Werke und biographische Daten des Künstlers Maurice de Vlaminck nebst eines Porträts des Geigenspielers de Vlaminck von André Derain. Das „Datenwerk“ wird durch die zahlreichen Abbildungen der Werke des „Fauvisten“ aufgelockert. Zudem sieht man de Vlaminck in einer s/w-Aufnahme von 1914 als Soldat und ein weiteres Fotodokument vom Okt. 1941 beim Aufbruch zur Deutschlandreise. Anmerkungen wie auch eine ausgewählte Bibliografie sind im Anhang außerdem zu finden. Dort sind auch die Autoren des im Katalog enthaltenen Essays mit Kurzbiografien aufgelistet.
© ferdinand dupuis-panther 2025
Maurice de Vlaminck: Rebell der Moderne, HerausgeberInnen: Roland Mönig, Michael Philipp, Anna Storm & Ortrud Westheider, 220 Seiten, Preis 34 Euro
Von der Heydt-Museum
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