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Wuppertal
Skulpturenpark Waldfrieden

Peter Buggenhout umleitung
8. März bis 10. August 2025


Peter Buggenhout (1963 in Dendermonde, Belgien, geboren) ist international bekannt für seine Plastiken, die er aus Weggeworfenem formt und die als ausladende Körpergebilde Gestalt im Raum annehmen. Der Künstler bezeichnet seine Skulpturen als "abjekte Dinge" – als Objekte, die sich gewohnten kognitiven Zusammenhängen entziehen und mehr als nur eine Betrachtungsperspektive fordern. Im Skulpturenpark Waldfrieden zeigt Peter Buggenhout in zwei der Ausstellungshallen und im Außenbereich raumgreifende Objekte aus unterschiedlichen Werkgruppen. Die Skulpturen von Peter Buggenhout, der 1963 in Dendermonde in Belgien geboren wurde und in Gent lebt und arbeitet, bestehen aus Dingen, die durch den Wegfall des Gebrauchs ihrer ursprünglichen Funktionalität beraubt sind: Abfall und Artefakte bilden gleichermaßen die Stoffe, die der Künstler als Werkmaterial nutzt und aus denen er seine Objekte zusammenfügt. Gebrauchte Folien aus Kunststoff, Planen, Textilgewebe, Zeitungen, Altmetallschrott, Holzfragmente oder organische Substanzen wie Kuhmägen, Pferdehaar und Staub werden zu Bestandteilen seiner Arbeiten. Buggenhout bildet aus diesen hinterlassenen Resten gewaltige Formen, denen das Entstehen und Vergehen in der unmittelbaren Präsenz des Materials und seiner schroffen Formen innewohnt.

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Peter-Buggenhout The Blind Leading the Blind 67, 2014, Courtesy Konrad Fischer Galerie, Foto © Dirk Pauwels

Ja, es gibt sie die Sammler von Dingen, von Materialien, von Objekten. Und zu diesen gehört auch der Genter Künstler Peter Buggenhout. Seine Objekte sind auf Zeit nunmehr Teil des Parcours im Skulpturenpark Waldfrieden (Wuppertal). Aufgrund seiner Hanglage und der Vegetation erinnert dieser Skulpturenpark nicht an das Museum Middelheim in Antwerpen, aber an den Osloer Skulpturenpark in Ekeberg. Und noch etwas unterscheidet den Skulpturenpark Waldfrieden von anderen ähnlichen Präsentationen von Kunst im öffentlichen Raum. Gestiftet vom britischen Bildhauer Tony Cragg wird man in Wuppertal mit einem Querschnitt von dessen Schaffen konfrontiert. Ergänzt wird dies um Arbeiten von Miró, Heinz Mack, Ulrich Rückriem, Markus Lüpertz, Erwin Wurm, Mischa Kuball und anderen.

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Peter buggenhout concrete#1,© Courtesy of the artist, Foto ©fdp2025

Dies ist kurz gesagt, der Kontext der Begegnung mit Peter Buggenhout, der eben nicht wie Jean Tinguely aus Motorenteilen und anderen Elementen der Industriewelt kinetische Kunst schuf. Auch mit der Kunst aus Cadillac-Schrott eines John Chamberlain gibt es keine direkte Beziehung zu Buggenhouts Schaffen, ganz abgesehen von Edward Kienholz und Wolf Vostell, die sich teilweise mit der Transformation von Straßenkreuzern in Kunstinstallationen befasst haben.

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Peter Buggenhout Babel Variationen II, 2025 © Courtesy the artist,
Foto © Michael Richter

Ein umtriebiger Sammler von Material ist der aus Flandern stammende Künstler gewiss. Da sieht man Elemente wie Plastikbedachungen in Wellblechform, T-Träger, Nut- und Federbretter, Bauschaum, Beton, Stahlrohr, Alufolie, Plastik in allerlei Form, LKW-Auflieger-Unterbauten mit kleiner und großer Doppelbereifung, Wassercontainer im „Stahlrohrkäfig“. Epoxidkleber, Acryl, Folie, Polyurethan , Schaumstoff, PET und Spüllappen finden bei Buggenhout eine neue Verwendung. Es scheint, als habe der Künstler die „Eingeweide der Wegwerfgesellschaft“ nach Nutzbarem durchsucht, als wolle er dem eigentlich funktionslosen verbrauchten Material eine zweite Chance geben. Warum allerdings einige Werke mit „On Hold“, also dt. Warteschleife, bezeichnet sind, erschließt sich aus der Formgebung im einzelnen nicht. Dabei ist schon bei all dem „Gigantismus“ deutlich, dass die Arbeiten durchaus fragil sind, umfallen können, eigentlich instabil sind, obgleich sie stabil wirken. Also stellt sich Frage, ob die Materialien und deren Verbindungen halten oder nicht.

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Peter Buggenhout On Holfd #9, Courtesy of the artist Foto: ©fdp2025

„Concrete #1“ ist schon näherliegend als Titel, betrachtet man das Werk vor der mittleren Ausstellungshalle. Bei „Concrete #1“ - auf einem amorphen Betongebilde ruht ein Wassercontainer - könnte man auch an einen modernen Hochsitz denken. Ein wenig lässt uns der Aufsatz aus Plastiktank und Einfassung auch eine Verbindung zu einem Einkaufswagen herstellen, der sich irgendwo im Gestein festgefahren hat. Selbst der Gedanke an ein Kinderbett mit Einfassungsstangen ist nicht ganz fern. Und noch etwas könnte man in der Arbeit sehen: Ein von einem Hubkran gelöster Arbeitskorb, um in Höhenlagen Baumschnitt vorzunehmen, will man nicht als Industriekletterer unterwegs sein. Schließlich ist noch eine Assoziation möglich: Sehen wir vielleicht gar einen Teil eines demontierten künstlerisch gestalteten Schrägaufzugs?

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Peter-Buggenhout On Hold 20, 2021 © Courtesy-the-artist Foto © Michael-Richter

Und man fragt sich zugleich, wenn das ausgestellte Werk die Seriennummer #1 hat, wie sehen dann die weiteren Objekte der Serie aus. Warum arbeitet Buggenhout in Serie? Will er dem Betrachter eine Entwicklungslinie vorstellen? Sind es nur Zustände von ein und demselben Kunstobjekt? Irgendwie erinnert das aufgrund des Seriellen an Druckgrafik, die wie beispielsweise bei Pablo Picasso Zustände einfängt und so das Werk facettenreich ausbaut.

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Oberer Ausstellungspavillon mit Peter Buggenhouts Arbeiten On Hold ©fdp2025

Im Inneren der mittleren Ausstellungshalle stehen wir vor dem fast raumfüllenden Werk „The Blind Leading the Blind“. Hm, Figürliches ist nicht zu entdecken, sprich zwei Blinde mit Blindenbinde und weißem Blindenstock. Schwarzer Ruß, so der Eindruck, überzieht das Gebilde, das von zwei Wassercontainern als Gegengewichte gehalten wird. Muss man nicht an die Welt untertage denken, wenn man vor dem Werk steht? Sind da nicht Pyrit-Adern im Gestein zu sehen, nichts weiter als augenscheinlich Alufolie auf dem kohlschwarzen Untergrund. Ist da nicht ein Teil einer Entlüftungsanlage verbaut worden? Ach, da sieht man ja auch ein Fallrohr. Und zudem hat man den Eindruck, man sieht zwei Gesichter, eines davon mit Pausbacken und „Erdbeermund“. Doch irgendwie will sich das Bild von zwei Blinden nicht wirklich einstellen. Eher assoziiert man die Arbeit mit einem eingestürzten Bergstollen oder einem sogenannten Wilden Mann. Alles, was keine Funktion mehr hat, wurde unter Tage gebracht - Recycling auf eine besondere Art, oder?

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Peter-Buggenhout On Hold 20, 2021 Courtes the Artist, Foto Mischa Keijser
Die Ansicht entspricht nicht der Ausstellungspräsentation in Wuppertal!

Der Turmbau zu Babel ist der Titel mehrerer Gemälde von Pieter Bruegel dem Älteren. Auch Buggenhout hat sich wohl assoziativ dem biblischen Thema gewidmet und „Babylon Variation II“ geschaffen. 13 Meter ist dieser Turm hoch, ein Bruchteil dessen, was den legendären Turm zu Babel auszeichnet: Dieser sollte so hoch sein, dass der Himmel erreicht wird, so nachzulesen in der Genesis 11. Mit Bruegel verbindet Buggenhout so gar nichts. Sein Turmbau in der Außenanlage zeigt Teile eines LKW-Chassis mit Doppelbereifungen unterschiedlicher Größe und diese Elemente sind vertikal aufgerichtet. Insgesamt sind es 12 Tonnen, die da inmitten des Baumbestandes des Parks gen Himmel ragen. - Hm, sieht man da nicht in einem weißen Faltengewand einen Turmkletterer? Je nach Standpunkt zum Objekt wandelt sich das, was man vermeint zu sehen und dechiffrieren zu können. So könnte man auch die Ruine eines zerstörten Hauses ausmachen, mit und ohne Fensteröffnungen. Allerdings lenken die Reifenpaare von dieser Vorstellung ab.

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Obere Ausstellungshalle mit Arbeiten von Peter Buggenhout Foto: fdp 2025

Eines ist klar, Buggenhout begnügt sich nicht mit Flohmarktfundstücken wie die Dada-Künstler. Auch Strandgut ist nicht wie bei Niki de Saint Phalle Ausgangspunkt für Materialbilder. Nein, Buggenhout sucht das Monumentale. Er ist ein Mann für Zufall und Ordnung, für Schöpfung und Zerstörung, für Implosionen, für Schnitte, für eine Assemblage mit diversen Elementen. Die Kunst, die er uns zeigt ist rau und brutal, neigt zu Gigantismus. So wie der Turmbau zu Babel scheiterte und manch gotischer Kirchbau, der himmelwärts strebte, in sich zusammenfiel, so hat man auch bei Buggenhout den Eindruck, dass seine Materialobjekte nicht auf Dauer angelegt sind. Sie scheinen eher in situ zu entstehen und dann auch bei Wegfall des Ortes dem Vergehen zu unterliegen, der bewussten Zerstörung.

"Die Materialien, die ich benutze, haben alle eines gemeinsam: Ich habe sie nicht gewählt, weil mir ihre Form oder ihr Aussehen gefallen. Allen Gegenständen, die ich finde, ist gemein, dass sie von ihrer formalen Identität her nicht wirklich auf eine Bedeutung verweisen. Ich kann zum Beispiel statt eines alten Stuhls ein Stück vom Stuhl so verwenden, dass man nicht merkt, was für ein Gegenstand es vorher war. Das ist sozusagen die Qualität von Abfall. Auch Staub besitzt diese Qualität. All meine Arbeitsmaterialien sind "abjekt", also verworfen bzw. ekelhaft … aus ihrem ursprünglichen Zustand gebracht, haben ihre Form und Bedeutung verloren." Peter Buggenhout

Vor der oberen Ausstellungshalle scheint ein gigantischer Gartenzwerg mit roter Zipfelmützen seinen Platz gefunden zu haben. Das ist aber nur eine der möglichen „Bildbetrachtungen“ von „On Hold #9“. Man könnte auch an einen aus dem Wasser emporschießenden Wal denken, oder? Auch die Vorstellung von einer überdimensionierten Silvesterrakete drängt sich auf, wenn man aus einer bestimmten Blickrichtung auf das Werk zugeht.

In der oberen Ausstellungshalle finden sich weitere Materialobjekte mit dem Titel „Warteschleife“, nämlich „On Hold #4“, „On Hold #26“ und „On Hold #20“. Und was ist mit 5, 6, 7 usf.? Nut- und Federholz als Unterkonstruktion sehen wir; hier und da meinen wir eine Aufsicht auf einen riesigen Lastenschlitten zu erhalten. Und kann man nicht auch einen Ausguck eines Großseglers in einer der Arbeiten sehen? Ja, die Gedanken sind frei – und das schafft Raum für individuelle Kunstbetrachtung. Es ist ja eh so, dass der Künstler sich der Werkinterpretation dadurch entzieht, dass es in der sehenswerten Schau keine O-Töne von ihm zu den Werken gibt. Das eröffnet Räume für Assoziationen. Diese sollten wir nutzen, nicht nur im Rahmen der Wechselausstellung, sondern auch in der Dauerausstellung.

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Peter Buggenhout On Hol #4, Courtesy of the Artist Foto fdp2025

© text und fotos ferdinand dupuis-panther (fdp), Fotos siehe Namensnennung – Die Kunstwerke sind urheberrechtlich geschützt. Die Künstler selbst oder Verwertungsgesellschaften nehmen die Urheberrechte für die Kunstwerke wahr. Ohne Zustimmung des Fotografen Ferdinand Dupuis-Panther und ohne Lizenz zur Nutzung der veröffentlichten Fotos ist die Nutzung illegal und ein Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz. Die diesbezüglichen Interessen nimmt Copytrack im Auftrag des genannten Fotografen wahr.

Skulpturenparlk Waldfrieden/Wuppertal
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