Text und Fotos: Beate Schümann
Staubwolken tobten durch die Luft, Kreissägen krakelten, Funken sprühten, Hämmer hämmerten auf Hochtouren. In der Sylvesternacht 2005 vollzog Stralsund seinen Brückenschlag in die Moderne. Beethovens „Ode an die Freude“ erklang und der Himmel über dem kühnen Brückenbau strahlte im Licht der Laserstrahlen, die die zweite Strelasund-Querung nach Rügen symbolisch vollendete.
Die Marketingstrategen stufen die Brücke längst als „Jahrhundertbauwerk“ ein, weil sie mit 2.831 Metern zum wohl längsten Brückenzug Deutschlands avanciert. Andere Eckdaten, wie die ungewöhnliche Tropfenform des 126 Meter hohen Pylons oder die 70.000 Kubikmeter verbauten Betons gelten bereits als Superlativ. Elegant ist sie auf alle Fälle, die Schrägseilbrücke, die die 330 Meter Ostseefläche überspannt und die alte Klappbrücke von 1936 ergänzt.
Weltkulturerbe in neuem Glanz
Schließlich ist Stralsund ein hochkarätiges Denkmal mit Unesco-Qualität. Doch kaum hatten die Welterbehüter im Jahr 2002 verkündet, dass die Hansestadt zusammen mit Wismar als Duo fortan dazu gehöre, gingen die Stadtväter daran, die eben denkmalgeschützte Stadt zu modernisieren. Zuvor waren auf einer Fläche von achtzig Hektar die Denkmäler gezählt und eingestuft worden, die Kämmerer hatten mehrfach prüfend in die Stadtkasse geblickt, die Denkmalschützer die Restaurationspläne abgesegnet. Eine harte Arbeit, denn die vom Meerwasser umspielte Halbinsel bietet Raum für immerhin 526 geschützte Kirchen, Klöster und Gebäude, die sich fast ununterbrochen aneinander reihen. Ein historisches Gesamtkunstwerk aus acht Jahrhunderten.
Der Kern der Hanse
Zusammen mit Wismar stellt Stralsund die entwickelte Hansestadt aus der Blütezeit des mächtigen Städtebundes im 14. Jahrhundert dar. Idealtypisch für die Seehandelsstadt im Ostseeraum, die als führendes Mitglied des „Wendischen Quartiers“, dem Kern und politischen Zentrum der Hanse gehörte. Wer heute durch die Gassen der Hansestadt schlendert, kann den mittelalterlichen Grundriss mit Straßennetz, Plätzen, Quartier- und Parzellenstruktur leicht nachvollziehen. „Auch die überlieferte Bausubstanz der überaus vielen Einzeldenkmale aus den unterschiedlichsten Epochen ist auf dem knappen Raum außergewöhnlich“, ergänzt die Unesco-Koordinatorin Steffi Behrendt, die 526 Bauwerke zum Welterbe rechnet. „Sogar in den Innenräumen sind das Inventar und die Dekorationen teilweise auffällig gut überliefert.“ Die Sanierung sei bereits weit fortgeschritten, bewertet die Welterbe-Managerin den gegenwärtigen Zustand und betont, dass die Unesco keine Fördermittel zur Verfügung stellte.
Längst spiegelt sich in den glasierten Backsteinen heute wieder der Reichtum, der dank der hansischen Handelsmonopole für Tuch, Pelze, Salz und Honig damals in die Stadt floss. Die hohen Blendfassaden strotzen bis unter die Giebelspitze vor Stolz, Standesbewusstsein und Machtanspruch. Genau das sollte die nach dem Himmel greifende Stadtarchitektur den Landesfürsten und der Kirche vor Augen führen. Dies ist eine Kapitale der Kaufleute.
Stadtsilhouette vor der Ostsee
Die Stadt weiß um ihr historisches Erbe. Trotz schwieriger Finanzlage versucht sie seit 1990 weiter die Sanierungslücken sukzessive zu schließen. Zwar sind gut 400 der dringendsten Fälle bereits restauriert. Doch der Reigen der früh- und spätgotischen, renaissancenen und barocken Giebelhäuser ist damit noch lange nicht geschlossen. „Wir rechnen damit, dass die Sanierung noch viele Jahre dauern wird“, sagt die Leiterin der Tourismuszentrale.
„Design meets History“
Doch Stralsund ist kein Museum. Hinter frisch verputzten Fassaden, auf gepflegtem Kopfsteinpflaster und in sorgfältig gehüteten Klostermauern wird gelebt. Die Altstadt zählt 4.179 Einwohner, ein Fünfzehntel der Stadtbevölkerung, das sich in und mit dem Denkmal in Einklang fühlt. Ein frischer Geist weht durch die alten Gemäuer. „Die Backsteingotik war damals“, heißt es nun. „Wir brauchen dazwischen auch etwas Modernes.“
Wo früher Dominikaner beteten, stellt im Katharinenkloster seit 1951 das Meeresmuseum Meeresbewohner und ihre Lebenswelt aus. Im ehemaligen Haus der Gewandschneider-Kompanie sorgt eine Bäckerei für das täglich Brot und dafür, dass der traditionelle „Lotschmaus“, ein Festessen aus Grünkohl und Schweinekopf, fortgeführt wird. Im ausgedienten Kornspeicher am Hafenkanal eröffnete ein Event-Restaurant, in dem es unter Palmendach frischen Hering gibt und der Koch, eine Mischung aus Parzival und Neil Young, dazu singt. Selbst das renovierte Rathaus war konsequent unter das Motto „Design meets History“ gestellt worden.
Stadt und Denkmal stehen mit dem Zeitgeist auf gutem Fuß. Stralsund scheut sich auch nicht, die markante Stadtsilhouette zu gestalten. Mit der zweiten Strelasund-Querung wird ihr eine 2.831 Meter lange Brücke über die Ostsee vorgebaut. „Ein Jahrhundertbauwerk“, sagt Brückenführer Werner Buntrock, „das längste Brückenwerk in Deutschland.“ Rund 70.000 Kubikmeter Beton sind in ihm verarbeitet, ein gutes Drittel unter der Erde. Dennoch lassen die filigranen tropfenförmigen Pfeiler genügend Durchblick auf die berühmte Hanse-Skyline. Im Sommer 2007 macht die Brücke dem Nadelöhr nach Rügen und den Staus ein Ende.
Unverkennbar: die Insellage der Stadt
Noch stärker wird das mitten auf der Hafeninsel entstehende „Ozeaneum“ Stralsunds Konturen künftig prägen. Die Architektenentwürfe zeigen vier gigantische weiße Baukörper, die wie ein amorphes Planetensystem aus Utopia aussehen. Die neuen Räume gelten den Weltmeeren, der Ostsee, der Meeresforschung und den Walen. Aquarien sind geplant, die sechs Millionen Liter Wasser fassen. Auf einer Fläche von 9.000 Quadratmetern wird das neue Museum zwischen Backsteinkirchen, Speichern und Giebelhäusern heranwachsen.
Tourismuszentrale der Hansestadt Stralsund, Alter Markt 19, 18439 Stralsund, Tel. 03831/24 69-0, www.stralsundtourismus.de.
Website der Autorin: http://www.beate-schuemann.de
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