Abenteuerlust, Ausdauer und ein starker Wille

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Text und Fotos: Adrienne Friedlaender

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Es schüttet wie aus Eimern. Versteckt unter Kapuzen und Schirmen, die Rucksäcke unter bunten Regencapes geschützt, warten 444 Wanderer auf dem Marktplatz von Mespelbrunn auf das Startzeichen. Mit schmetternder Marschmusik versucht der Musikverein „Heimatklang“ die Gruppe begossener Abenteurer aufzumuntern und vielleicht auch den Regen zu vertreiben. Pünktlich um acht Uhr ertönt der Startschuss der „Böllerschützen“ und wir brechen auf zum 24-stündigen Marathon-Marsch durch den bayerischen Spessart. “ 37,6 Kilometer auf der Tagesrunde und 35,2 Kilometer auf der Nachtrunde gilt es dabei zu bewältigen.

Wandern ist total im Trend. Ob meditativ auf Pilgerwegen oder professionell in den Bergen. Ob allein im stillen Wäldchen oder in fröhlicher Gruppendynamik auf Wanderreisen.

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Eine besondere Veranstaltung für sehr ambitionierte Wanderer ist dabei das jährlich stattfindende Kultevent „24 Stunden von Bayern“, das jedes Mal in einer anderen Region Bayerns stattfindet. Dabei geht es nicht nur darum, bis an die eigenen Grenzen zu wandern und besonders schnell ins Ziel zu kommen, sondern auch die Natur zu genießen, Kultur und Sehenswürdigkeiten der Region zu erleben.

Meine Wandererlebnisse beschränkten sich bis heute auf ausgiebige Tagesmärsche mit anschließender Brettl-Jause, einem Bier gefolgt von einer erholsamen Nacht im gemütlichen Bett. Klingt gut, war es auch. Aber was man nicht kennt, vermisst man nicht und ein altes Sprichwort sagt: „Der Weg ist immer besser als die schönste Herberge.“ Vielleicht ist diese Weisheit die Antwort auf die Frage, warum sich jährlich mehr als 1.500 Wanderfreunde nachts um 4.44 online registrieren, um an der Verlosung der begehrten 444 Startplätze dabei zu sein. Was ist das Geheimnis der Bayrischen Megamarathonwanderung?

Start zur 24 Stunden Marathon Wanderung im Spessart

Der Tag begann um sechs Uhr im Haus des Gastes am Marktplatz in Mespelbrunn. Das kleine Örtchen in Unterfranken nahe Aschaffenburg ist nicht nur bekannt durch sein berühmtes Wasserschloss, sondern vor allem als Drehort für den alten Filmklassiker „Das Wirtshaus im Spessart. Hier erhielten alle Teilnehmer ein Schließfach für Wechselklamotten, Schuhe und andere persönliche Utensilien und vor allem ein Roadbook. Es enthält alle wichtigen Informationen rund um die Veranstaltung und zu den ausgeschilderten Tages- und Nachtstrecken, einen Überblick über die Erlebnis- und Verpflegungsstationen und auch den Plan der Haltestellen des Shuttlebusses. Eine vielleicht wenig heldenhafte aber sehr beruhigende Option.

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Ritter-Räuber und Händler lautet der Name der Tagesstrecke. Sie führt durch die Gräflich Ingelheim’sche Waldung hinauf zum Echterspfahl, über den Wilderer Hasenstab Weg durch das Naturschutzgebiet Hafenlohrtal vorbei am Wasserschloss Bei einer empfohlenen Durchschnittsgeschwindigkeit von etwa vier Stundenkilometern sollten die Teilnehmer etwa gegen fünf Uhr am Nachmittag den Marktplatz erreichen, um Zeit für eine ausreichende Pause zu haben vor der Nachtetappe. Ich reihe mich in die dicht gedrängte Gruppe ein und mache mich auf den Weg. Bis zum Ortsausgang begleitet uns die Kapelle. Dann wird es ruhig. Und nach den ersten Kilometern löst sich mit den Regenwolken auch der Menschenpulk auf. Der nasse Wald riecht nach Moos, Fichten und Freiheit. Auf dem federnden Waldboden finden meine Füße den Rhythmus und die Gedanken kommen zur Ruhe.

Zumindest bis zur nächsten Kurve. Kaum warm gelaufen gibt es auf einer Lichtung am Holzlagerplatz Weibersbrunn schon Müsliriegel, Getränke und Mitarbeiter eines Outdoor-Ausrüsters geben Tipps zum richtigen Schnüren der Wanderschuhe. Ein paar Schritte weiter können sich Interessierte am Kettensägen-Spezial-Fahrrad versuchen. Und natürlich wieder alles begleitet von fröhlicher Volksmusik, Kuhglockenspiel und Tanzeinlagen des Trachtenvereins.

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Es heißt Wandern in der Natur hilft den Kopf auszulüften und lässt Körper, Geist und Seele zur Ruhe kommen. Aber wer meditative Selbsterfahrung sucht, ist hier verkehrt. Die Wanderung erinnert eher an das Kinderspiel „Ich sehe was, was du nicht siehst...“ Hinter jedem Baum wartet eine Überraschung. Es gibt fast so viele Erlebnis-, Musik- und Verpflegungsstationen wie Kilometer auf der Strecke, um die Wanderer von Müdigkeit und Schmerzen abzulenken.

Nach 20 Kilometern melden sich meine Füße dann aber doch und die Wadenmuskulatur erinnert mich daran, dass ich mich dem üblichen Tagespensum nähere. Aber bevor ich mir darüber Sorgen machen kann, wie sich meine Beine auf den nächsten 50 Kilometer benehmen, ertönt schon wieder das Jagdhorn durch den Wald und an der Verpflegungsstation kommen mir zwei Hexen mit einem Schnaps entgegen gesprungen. Ein Zaubertrank, der ungeahnte Kräfte verleihen soll.

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Hoffentlich! Denn von nun an mehren sich von Kilometer zu Kilometer und von Station zu Station die Wehwehchen an bislang unbekannten Muskeln. Zähne zusammen beißen, kräftig zugreifen an den Verpflegungsstationen und weiter. Nach 37,6 Kilometern erreiche ich im weichen Licht der Abendsonne das Ziel. Die Tagesrunde ist geschafft!

Einige Wanderer dösen auf der Wiese am Marktplatz, kühlen ihre Füße im frischen Bach oder verarzten ihre Blasen, andere haben sich gleich ins Haus verzogen und schnarchen im Feldbetten-Lager um die Wette. Für die Wanderer ist im Festsaal ein üppiges Buffet aufgebaut. Mit Schnitzel, Spätzle und einer großen Portion Mousse au Chocolat fülle ich meine Energiereserven auf. Auf der Bühne tobt sich zum Abendbuffet schon wieder eine Volksmusikband aus, „Ein Prosit der Gemütlichkeit“ schmettern die vergnügten Herren. In meinen Ohren klingt das wie ein Hohn, denn Gemütlichkeit ist noch lange nicht in Sicht. Und etwas mulmig ist mir schon bei dem Gedanken mit meinen müden Beinen weitere 35 Kilometer durch die Nacht zu marschieren. Aber Aufgeben kommt nicht in Frage. Statt Badewanne und Bett gibt es frische Socken, einen großen Kaffee. Und um halb acht breche ich mit Stirnlampe ausgestattet auf zur „Räuberrunde zwischen Himmel und Hölle“

In friedlicher Abendstimmung führt der Weg weiter auf dem Räuberpfad durch die Wälder hinauf zum Aussichtspunkt Volkersbrunn. Mit selbstgebackenem Brot und frischem Obst, auf den Holzbänken oder Liegestühlen genießen die Wanderer den Sonnenuntergang über dem Tal.

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Der Aufbruch fällt nicht leicht, denn nach Einbruch der Dunkelheit kommt zur körperlichen Erschöpfung jetzt auch die normale Müdigkeit hinzu. Daher ist der „Alte Schulweg“ zur späten Nacht eine echte Herausforderung. 300 Höhenmeter auf drei Kilometern mussten die Geishöher Kinder zweimal am Tag bewältigen, aber die hatten dann nicht schon 60 Kilometer auf der Uhr. Trotzdem streikten sie in den 60iger Jahren und forderten einen Schulbus. Den hätte ich jetzt auch gern. Der mühsame Aufstieg wird belohnt mit einem wundervollen Nachtblick über Taunus, Odenwald und die beleuchtete Skyline von Frankfurt.

Außer Waden und Füßen brennen nun auch die Oberschenkel. Und jede Pause macht die Schmerzen nur noch schlimmer. Besser ist es immer in Bewegung zu bleiben, langsam, stetig und vor allem ohne viel nachzudenken. Inzwischen ist es stockfinster. Im Takt meiner Schritte wirft die Kopftaschenlampe einen schmalen Lichtstreifen auf den dunklen holprigen Waldboden. Dazu schwirren ein paar Glühwürmchen um meinen Kopf .

Unzählige Geschichten kursieren rund um die berühmt-berüchtigten Spessarträuber, die im Dunkeln der Wälder harmlose Spaziergänger und Reisende überfallen. Aber zum Glück tauchen anstatt der Räuber um zwei Uhr nachts gute Feen auf, die im Schein einiger Feuerkörbe mitten im Wald Massagen und Klangtherapie anbieten. Ich falle halb ohnmächtig auf die Massagebank und lasse mir zehn Minuten die schmerzenden Muskeln lockern. Danach wieder aufzustehen erfordert beinahe übermenschliche Anstrengung.

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

Steifbeinig, mit Schmerzen an der Hacke, weil ich nun auf den letzten Kilometern doch noch eine Blase bekommen habe. humpele ich am Rande der Ohnmacht, aber mit Siegeslächeln im Gesicht um 5.30 ins Ziel. Gleichzeitig mit mir erreichen Melanie (32) und ihr Freund Andreas (35) den Wandermarktplatz. Die beiden haben schon zum dritten Mal am 24-Stunden-Wanderevent teilgenommen. „Die Nacht durchwandern, den inneren Schweinehund überwinden und den Körper an die Grenzen bringen ist doch ein fantastisches Gefühl, oder? “

So ist es wohl!

24 Stunden Marathon-Wanderung im bayerischen Spessart

 

Informationen

Zum 10-jährigen Jubiläum der 24 Stunden von Bayern geht es 2018 in den Frankenwald.

Wer vom 16 Juni bis zum 17. Juni mitwandern möchte, kann sich am 4. April 2018 ab 04:44 Uhr innerhalb von 24 Stunden registrieren. Die 444 Starterplätze werden ausgelost.

Weitere Informationen zum Kultevent:

24 Stunden von Bayern. http://www.bayern.by/24-stunden-von-bayern

 

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