Text und Fotos: Dagmar Krappe
Leer Stadtansicht: links die Waage von 1714 und das Rathaus von 1894
Niedersachsen – Ohne schwarzen Tee läuft nichts in Ostfriesland. 300 Liter trinkt jeder Ostfriese im Jahr. Seit 2016 ist die „Ostfriesische Teekultur“ als Immaterielles Kulturerbe bei der Deutschen UNESCO-Kommission gelistet.
Bronze-Denkmal Teelke - die Teebotschafterin von 1991 vor dem Bünting Teemuseum
Da war es eben, dieses leise Knistern in der Tasse. Das „Kluntje“ ist zerbrochen. Jetzt wird es gemütlich zwischen Nordsee, Ems und Jade. Ganz im Nordwesten Niedersachsens gehört Tee seit über 300 Jahren zur Alltagskultur. Bis zu sechsmal am Tag trinken Ostfriesen ein Koppke (eine Tasse) Schwarztee. Pro Person mindestens 300 Liter im Jahr. Die wichtigsten Teepausen sind das „Elfürtje“ gegen elf Uhr am Vormittag und am Nachmittag um 15 Uhr.
Dekor Ostfriesische Rose
Zu dieser Uhrzeit beginnt auch die „Teestunde“ im „Bünting Teemuseum“ in Leer. Der Tisch ist mit einem für die Gegend typischen Service eingedeckt: Dekor „Ostfriesische Rose“ - eine geschlossene Purpur-Rose, die von kleineren Blüten und grünen Blättern umgeben ist. In jeder Tasse liegt bereits ein Brocken weißer Kandis, ein „Kluntje“. „Eine traditionelle Teezeremonie wird noch regelmäßig in vielen Familien gepflegt. Dabei sind bestimme Schritte einzuhalten“, sagt Celia Brandenburger: „Bevor ich den losen schwarzen Tee in eine Porzellankanne gebe, spüle ich sie erst einmal mit heißem Wasser aus, um sie anzuwärmen. Danach übergieße ich die Teeblätter mit sprudelnd kochendem Wasser, bis diese gut bedeckt sind.“ Dieser Aufguss zieht zirka vier Minuten. „Teemenge und Ziehzeit sind natürlich Geschmacksache“, meint die Museumsleiterin: „Aber drei bis vier Teelöffel für einen Liter Wasser sind ein Richtwert.“ Nach vier Minuten füllt sie die Kanne mit kochendem Wasser auf. Der Tee ist fertig und wird über den Kandis in die Tassen gegossen. Als dieser zerbricht, ist das leise Knistern zu hören. Dann war der Tee heiß genug.
Sahne auflegen während der Teezeremonie - links Krintstuut
Nun folgt ein weiteres Ritual: Mit einem speziell gebogenen Löffel legen sich die Teilnehmer der „Teestunde“ entlang des Tassenrands flüssige Sahne auf das Getränk. „Und zwar entgegen dem Uhrzeigersinn“, erklärt Celia Brandenburger: „Eine Teezeremonie dient dazu, in sich zu gehen, zu genießen, ein bisschen die Zeit anzuhalten.“ Die Sahne sinkt zu Boden, steigt wieder auf und bildet dabei ein Wölkchen, das „Wulkje“, auf dem Tee. Zwei Besucher greifen sogleich zum Teelöffel. „Stopp“, ermahnt Celia Brandenburger: „In Ostfriesland wird nicht gerührt.“ Der Teelöffel auf der Untertasse ist nur dazu da, um zu signalisieren, dass man nicht mehr nachgeschenkt bekommen möchte. Wenn dem so ist, stellt man den Löffel in die Tasse.
Ein Wulkje im Tee
Das Trinken einer Tasse Ostfriesentee gleicht einem Drei-Gänge-Menü: Die cremige Sahne beim ersten Schluck bildet die Vorspeise. Der Hauptgang ist der kräftige Tee. Als Dessert schmeckt man den süßen Kandis. Dieser löst sich meist erst nach dem dritten Einschenken komplett auf. Seine Süße überlagert die im Tee enthaltenen Bitterstoff. „Einst war Kandis teuer“, erzählt die Museumsleiterin: „Doch drei Tassen Tee waren Ostfriesenrecht. Das ist immer noch so.“
Der größte Anteil des Echten Ostfriesentees stammt aus Assam in Indien
Nach dem Teegenuss folgt ein Rundgang durchs Museum. Vom Anbau in unterschiedlichen Ländern, über Handelswege nach Europa, Prüfmethoden und das Verkosten, werden die Abläufe in der Teeproduktion sowie die Herstellung einer ostfriesischen Mischung präsentiert. Der Name „Ostfriesentee“ ist nicht geschützt. Doch die Bezeichnung „Echter Ostfriesentee“ darf ein Schwarztee nur tragen, wenn das Handelshaus in Ostfriesland ansässig ist und der Tee dort gemischt und verpackt wird. Er besteht überwiegend aus Teeblättern aus der Region Assam im Nordosten Indiens. Kann jedoch zwanzig und mehr Beimischungen aus anderen Teeanbauländern enthalten.
"Ostfriesische Teestube am Hafen" mit ostfriesischer Wohnkultur
Die erste Tasse Tee wird meist pur genossen. Erst zur zweiten werden Kekse oder mit Butter bestrichener Krintstuut gereicht. „Das ist ein Hefebrot mit Korinthen und Rosinen“, sagt Matina Brinkmann in ihrer heimeligen „Ostfriesischen Teestube am Hafen“. Blickpunkt im Café ist ein weißgekachelter Kamin. Der Raum ist mit blankgeputzten Messinglampen, Wasserkesseln und Stövchen geschmückt: „Zu Silvester und Neujahr essen wir zum Tee auch gerne Rullerkes oder Neujahrskuchen, eine knusprige Waffel, die manche zusätzlich mit Schlagsahne füllen.“
Verkaufsraum im Bünting Teemuseum
Vier Teehandelshäuser gibt es in der Region. Der Pionier war Johann Bünting in Leer. Er eröffnete 1806 mit 24 Jahren im Gebäude neben dem Museum, dem Stammhaus, einen Kolonialwarenladen, in dem er Tee, Kaffee, Gewürze, Süßwaren und Tabak anbot. Seit 1873 gibt es eine Firma in Emden, 15 Jahre spätere gründete sich eine weitere in Norden. Erst seit 1978 wird zusätzlich in Aurich Tee gemischt. Die Entwicklung dieser vier Unternehmen kann man im „Ostfriesischen Teemuseum“ in Norden genauer verfolgen, das sich modern und interaktiv hinter uralten Mauern aus dem 16. Jahrhundert im „Alten Rathaus“ am Marktplatz befindet.
Ostfriesiches Teemuseum in Norden im Alten Rathaus aus dem 16. Jahrhundert
„Wichtig für eine gelungene „Teetied“ ist das richtige Porzellan“, informiert Sabrina Roth. In Glasregalen stehen Service mit vielfältigen Dekoren aus mehreren Ländern und Jahrhunderten. „Die „Ostfriesische Rose“ entwickelte sich von einer offenen zu einer geschlossenen Blüte und variiert farblich von rosa bis violett“, so die Museumspädagogin: „Sie ist keine spezielle Züchtung, sondern ein Motiv, das vor 1800 in der Wallendorfer Porzellanmanufaktur in Thüringen entstand.“ Ein weiteres Design, das zahlreiche Familien nutzen, ist ein blau-weißes Strohblumenmuster.
Kluntjeknieper zum Zerkleinern großer Kandisstücke
In einer Vitrine sind „Kluntjeknieper“ ausgestellt. Kandis wurde zunächst in großen Brocken verkauft. Man benötigte diese Gerätschaften, um kleine Stücke abzuknipsen. Zuckerzangen, Sahnelöffel und Stövchen aus verschiedenen Materialien und Epochen können ebenfalls bestaunt werden. Und der Besucher erfährt, dass 40 Prozent des in Deutschland verbrauchten Kandiszuckers auf das Konto der Ostfriesen gehen. „Normaler Haushaltszucker würde sich zu schnell auflösen“, berichtet Sabrina Roth: „Er ist deshalb keine Konkurrenz für das „Kluntje“ in ostfriesischen Tassen.“ Klar, drei Tassen Tee sind schließlich Ostfriesenrecht!
Werbeplakat für Ostfriesentee aus den 1950er Jahren im Ostfriesischen Teemuseum
1949 kam der Doppelkammer-Teebeutel auf den Markt. Wenn es mal schnell gehen muss, kommt er auch in ostfriesischen Küchen zum Einsatz. Hat aber eher einen schweren Stand, denn „Teetied in Oostfreesland is heel wat besünners“ (ist etwas ganz Besonderes).
Ostfriesisches Teemuseum in Norden: durch Teeverkostungen werden die richtigen Mischungen zusammengestellt
Ostfriesland ist eine Region im äußersten Nordwesten Niedersachsens. Sie umfasst auf dem Festland die Gegend um die Mittelstädte Leer, Emden, Aurich und Wittmund sowie sechs der ostfriesischen Inseln außer Wangerooge.
Museen
Bünting Teemuseum, Leer: www.buenting-teemuseum.de
Büntimg Teemuseum
Ostfriesisches Teemuseum, Norden: www.teemuseum.de
Beide Museen informieren über Anbau, Handelswege, Herstellung und Historie des „Echten Ostfriesentees“ sowie über Teegewohnheiten in anderen Ländern, präsentieren Service und andere Gebrauchsgegenstände der Teekultur und bieten „Teezeremonien“ an.
Das Privatmuseum im Haus Samson in Leer präsentiert einstige Wohnkultur Ostfrieslands. Per Audioguide werden Besucher mittels eines Hörspiels durch die Räume geführt und erfahren die Geschichte einer Kaufmannsfamilie, die vor über 200 Jahren eine Weinhandlung gründete: www.wein-wolff.de
Hafenrundfahrt Leer: www.germania-schiffahrt.de
Boutique Hotel Five Rooms, Leer
Das kleine Hotel garni in der Altstadt zwischen Hafen und Rathaus ist inzwischen von fünf auf zwölf individuell gestaltete Zimmer angewachsen. Parkplätze im Innenhof.
Romantik-Hotel Reichshof, Norden
Familiengeführtes 4-Sterne-Superior-Hotel mit 55 Zimmern und Suiten in mehreren historischen Gebäuden an der Nordener Fußgängerzone. Restaurant mit Wintergarten und Außenterrasse, Bar, Spa-Bereich mit Schwimmbad und Saunen. Großer Parkplatz.
Altstadthotel Twardokus und Alte Kantorei, Aurich
Zwei familiengeführte Hotels mit allergikerfreundlichen Zimmern in historischen Backsteingebäuden in der Nähe der Fußgängerzone und Lambertikirche. Parkplatz. Das nahegelegene Restaurant „Zur Börse“ mit Biergarten gehört ebenfalls zum Unternehmen.
„Ostfriesische Teestube am Hafen“ in Leer
Das Café in der Nähe der Leeraner „Rathausbrücke“ am Freizeit- und Museumshafen spiegelt die Wohnkultur Ostfrieslands wider. Eine „Teetied“ mit Ostfriesentee und Krintstuut steht auf der Speisekarte.
„Restaurant Heimisch“ im Hotel Reichshof in Norden
Das Seemannsgericht „Labskaus“, ein Kartoffelgericht mit Rindfleisch, Roter Bete, Spiegelei, Rollmops und Gewürzgurken, ist hier ein Augen- und Gaumenschmaus.
Allgemeine Informationen
Ostfriesland Tourismus GmbH, Leer
Die Reise wurde teilweise von der Tourismus Marketing Niedersachsen GmbH (www.reiseland-niedersachsen.de) unterstützt.
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