Der König als Popstar

Von München nach Neuschwanstein: mit Ludwig II. durch seine bayerische Heimat

Text und Fotos: Beate Schümann

Deutschland Bayern  Wappen

Der König ist tot, es lebe der König. So hieß es einmal. Doch die Monarchie ist bei uns längst abgeschafft. Nur in einem kleinen Teil des Landes scheint sie zeitweilig fortzuleben: in Bayern. „Ein ewig Rätsel will ich bleiben“ ist einer der berühmtesten Sätze des Bayernkönigs, dessen Reich aus Luftschlössern und echten Märchenschlössern bestand. Das fasziniert bis heute. Obwohl Ludwig II. vom Regieren nicht viel verstand, wurde er zu einem der populärsten Könige aller Zeiten. Ludwig ist heute ein König der Herzen.

Das große Schwärmen begann jedoch erst nach seinem Tod. Zu Lebzeiten hat Ludwig München nicht geliebt, und die Münchner liebten ihn nicht. Nicht einmal ein anständiges Denkmal haben sie ihm gesetzt. Seinen Hof hat er gleich nach der Krönung verlassen. Die Hauptstadt bekam ihn selten zu Gesicht. Steckte er sonst ohne zu zucken horrende Summen in Bauprojekte: München hat er als Bauherr nicht geprägt. Lieber hörte er Wagner-Opern als seine Minister zu empfangen. Lieber unternahm er nächtliche Schlittenfahrten als Militärparaden abzunehmen. Überhaupt dürfte kaum ein König seinen Job so widerwillig erledigt haben wie Ludwig. Er hatte andere Pläne: Er wollte sein Leben leben, seine Träume.

Deutschland Bayern Hohenschwangau

Die Heimat des "Kini": Schloss Hohenschwangau ...

Heute ist der Wittelsbacher kultiger als je zuvor. In vielen bayerischen Wohnzimmern soll es nicht nur einen Herrgotts-, sondern auch einen Ludwigswinkel geben. Es gibt rund 250 Klubs von „Kini“-Fans, gut 10.000 Mitglieder, und zig Sammler, die Briefe, Ringe und andere Erinnerungsstücke im Safe verwahren. Während der König Abbilder seiner Person hasste, ziert heute sein Konterfei Bierkrüge, Postkarten, Pralinen, Sofakissen, Glasschwäne und T-Shirts sowieso. Souvenirshops verkaufen den für ihn entworfenen hochkrempigen Bowler aus Hasenflor. Seine Lebensgeschichte gehört zu den größten Filmrollen, und auch das neue Ludwig-Musical startete in Füssen mit Erfolg.

Deutschland Bayern Alpsee

... und der Blick von dort auf die Alpen

Ein König wie aus dem Märchen. Schon die elterliche Burg Hohenschwangau ist eine veritable Ritterburg. Hier ist die Heimat schöner Kindertage, hier muss Ludwig von der Romantik infiziert worden sein. Von allen Wänden sprechen edle Ritter und Helden, romantisch gemalt. Auch der Schwan ist darunter. Aus diesem sagenhaften Fundus der germanisch-mittelalterlichen Mythenwelt bediente sich der König später für seine eigenen Schlösser.

Rummel in den Gemächern des Königs

Das beste Beispiel ist Neuschwanstein. Weiß, filigran und märchenhaft ragen die Ritterburgtürme aus dem dichten Wald vom Tegelberg heraus, eine ideale Fantasiewelt. Auf der schmalen Felsnase der Pöllatschlucht, hoch über dem Boden der Wirklichkeit, postierte der königliche Eigenbrötler seine erste Fluchtburg.

Deutschland Bayern Neuschwanstein

Des Königs erste Fluchtburg: Neuschwanstein

Neuschwanstein zählt heute zu den beliebtesten Reisezielen weltweit. Im Burghof drängen sich die Ludwig-Fans. 1,2 Millionen Touristen kommen jährlich in seine Schlösser, Linderhof und Herrenchiemsee. Der Prunk des jungen schönen, kunstsinnigen Königs, der einsam und unglücklich für seine Ideale lebte, betört alle –Deutsche, Italiener, Japaner und Araber. Zu Lebzeiten angefeindet, für verrückt erklärt und entmachtet, wird der König heute wie ein Popstar umschwärmt. Es ist diese eigenartige Mischung aus Glamour und Tragödie, die den Menschen bewegt. Der Rummel, der heute in seinen Gemächern herrscht, wäre Ludwig garantiert ein Graus gewesen. Er hatte verfügt, die Schlösser nach seinem Tod sofort zu sprengen, damit niemand seine Gefühlswelt betreten und entweihen kann. Statt dessen wurden sie sofort geöffnet.

Deutschland Bayern  Schloss Herrenchiemsee

... und seine letzte: Schloss Herrenchiemsee

Organisation ist alles, wenn vor den Toren Tausende warten. Doch seit das digitalisierte Einlasssystem eingeführt wurde, muss man nicht mehr wie früher Stunden anstehen. Mit der Eintrittskarte erhält der Besucher eine Nummer und eine Uhrzeit mit zehn Minuten Toleranz. Danach verfällt das Ticket. Zügig folgen die Gruppen ihren Guides den Treppenturm nach oben. Erst in den Thronsaal, ins Schlafgemach mit dem fortschrittlichem Spül-WC, ein kurzer Blick ins Ankleidezimmer. Ludwig hasste Uniformen, bevorzugte ziviles Outfit und Brillanten besetzte Broschen. Oben im „Sängersaal“, dem Vorbild in der Wartburg perfekt nachempfunden, fand der König die traute Gesellschaft der Helden seiner Kindheit wieder.

Wagner-Melodien und Lapislazuli-Blau

Deutschland Bayern Schloss Linderhof

Neuschwanstein war noch im Bau, da begann er in den Ammergauer Alpen bereits mit Schloss Linderhof (Foto). Umgeben von Felsen und Wäldern muten das Rokokopalais und der Park mit Springbrunnen, Laubengängen und Kiosken unwirklich an. Gold blitzt in allen Sälen, Spiegel verdoppeln die Wirkung. Er schwärmte für technische Raffinessen wie das Tischlein-Deck-Dich: Eine in die Küche versenkbare Serviermaschine, um ungestört zu dinieren. Menschen umgaben ihn meist nur auf Porträts.

Nach dem Aufstieg zum Hennenkopf öffnet sich die Venusgrotte. Auf Knopfdruck leuchten die Felswände in Rot, Grün und seiner Lieblingsfarbe: Lapislazuli-Blau. Ein künstlicher Wasserfall rauscht durch die künstliche Tropfsteinhöhle in den unterirdisch beleuchteten Kunstsee. Dazu erklingen Wagner-Melodien. Auf dem See dümpelt der vergoldete Muschelkahn, in dem sich König abends durch singende Badenixen und echte Schwäne rudern ließ, im Hintergrund ein Monumentalgemälde mit der Venusszene aus Wagners „Tannhäuser“. In dieser Felsenwelt durfte der Erwachsene Kind und glücklich sein.

Weniger bekannt, aber nicht minder reizvoll ist das Königshaus am Schachen. Vier Stunden dauert der Fußweg von Garmisch, um dann rätselnd vor einer alpinen Jagdhütte im Wettersteingebirge zu stehen. Der bretterverschalte Bau beherbergt einen Thronsaal mit einer Welt aus Tausendundeiner Nacht. Wo der „Kini“ seine Geburtstage allein verbrachte, feiern jedes Jahr am 25. August seine Getreuen in voller Trachtmontur, mit Flaggen und Gedenkmesse.

Ein mysteriöser Tod

Deutschland Bayern Statue

Sprung an den Chiemsee. Auf der Herreninsel im größten bayerischen See baute der Bayernkönig zu Ehren von Ludwig XIV., dem Sonnenkönig, eine Kopie von Versailles, nur viel prunkvoller. Glücklich machte es ihn nicht. Denn Ludwig hatte kein Talent zum Glücklichsein. Kurz vor seinem Tod war der Sportlertyp von früher fettleibig, nachtaktiv und bankrott, Schloss Herrenchiemsee (Foto unten) noch lange nicht beendet. Im Juni 1886 wurde er unter dem Vorwand der Geisteskrankheit abgesetzt. Wenige Tage später trieb Ludwigs Leiche im Wasser.

Am Unfallort am Starnberger See steht seit 1890 eine Votivkapelle. Unten im Wasser markiert ein Holzkreuz jene Stelle, wo der Monarch ertrunken sein soll: Sie ist so seicht, dass unfreiwilliges Sterben kaum möglich erscheint. Bis heute verweigern die Wittelsbacher den Blick in die Gruft, der womöglich das Geheimnis um seinen Tod lüften könnte. Stattdessen schlug Ludwig die steile Karriere als Popstar ein. Am Ende hieß es dann doch wieder: Der König ist tot, es lebe der König.

Reiseinformationen zu Bayern

Tourismusverband Oberbayern, Bodenseestraße 113, 81243 München, tel. 089/82 92 18-0, www.oberbayern.de.

Tourismusverband Allgäu/Bayerisch-Schwaben, Fuggerstr. 9, 86150 Augsburg, Tel. 0821/45 04 01-0, www.allgaeu-bayerisch-schwaben.de.

Oberammergau Tourismus, Tel. 08822/923 10, www.oberammergau.de.

Website der Autorin: http://www.beate-schuemann.de

 

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